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Rennen oder Kriechen - der Ausbau schneller Datennetze kommt in Deutschland nur langsam voran. Verantwortlich für das Projekt Breitbandausbau ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt, hier mit Staatssekretärin Dorothee Bär (beide CSU) bei der Eröffnung des "Data-Run" des Ministeriums Mitte November. Bei der Veranstaltung sollen IT-Experten aus den Verkehrs- und Wetterdaten von Bundesbehörden neue Mobilitätsanwendungen entwickeln.

© Soeren Stache/dpa

Schnelles Internet: Die Bundesregierung verkennt, wie Innovation entsteht

Schon vor 2018 dürfte das Bandbreitenziel für das schnelle Internet nicht mehr reichen, sagt der politische Referent de Digitale Gesellschaft e.V.

Noch immer ist die digitale Gesellschaft für die Bundesregierung nicht viel mehr als ein Schlagwort. In dieser Legislaturperiode formulierte sie zwar erstmals eine Digitale Agenda und ließ damit erkennen, dass sie das Thema Digitalpolitik für relevant hält; in Anbetracht des Handelns der Bundesregierung entsteht jedoch der Eindruck, dass sie den digitalen Wandel der Gesellschaft weder gedanklich durchdrungen hat, noch mit stimmigen Konzepten für dessen Bewältigung aufwarten kann.

Exemplarisch steht dafür der Breitbandausbau. Bis zum Jahr 2018 will die Bundesregierung für eine flächendeckende Versorgung mit Netzzugängen von mindestens 50 MBit/s sorgen. Das soll primär, wie es im Agenda-Sprech heißt, „marktgetrieben“ geschehen. Es soll also vor allem Sache der Telekommunikationsanbieter sein, das von der Regierung ausgegebene Ziel zu erreichen. Nur dort, wo sich der Netzausbau für sie nicht rechnet, sollen staatliche Mittel zum Einsatz kommen. Angesichts dieser Pläne haben allenfalls Fiskus und Netzbetreiber Grund zur Freude; für Bevölkerung und Wirtschaft geben sie eher Anlass zur Sorge.

Schon deutlich vor dem Jahr 2018 dürfte eine Bandbreite von 50 Mbit pro Sekunde nicht mehr ausreichen

Unklar ist bereits, was mit der Übertragungsrate von 50 MBit/s genau gemeint ist. Wer beispielsweise über eine Funktechnologie wie LTE ins Netz geht, teilt sich mit sämtlichen Nutzerinnen und Nutzern in der Funkzelle die dort insgesamt vorhandene Bandbreite. Bezieht sich die Angabe von 50 MBit/s also auf den LTE-Zugang in seiner Gesamtheit, so ist damit nichts über die Geschwindigkeit ausgesagt, die am einzelnen Anschluss tatsächlich nutzbar ist.

Eine Rate von 50 Mbit/s dürfte außerdem schon deutlich vor dem Jahr 2018 nicht mehr ausreichen, um dem ständig wachsenden Bandbreitenbedarf gerecht zu werden. Allein ein Videostream in UltraHD, wie er schon heute bei On-Demand-Anbietern Standard ist, beansprucht 25 bis 30 MBit/s. Bereits mit zwei parallelen Streams - in einem Mehrpersonenhaushalt keine Seltenheit - wäre die angepeilte Bandbreite von 50 MBit/s also mehr als ausgeschöpft. Entsprechend beziffert die jüngste Breitbandstudie des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO) den Bandbreitenbedarf eines durchschnittlichen Netzzugangs im Jahr 2018 auf 100 MBit/s in Wohn- und auf 240 MBit/s in Gewerbegebieten. Andere Schätzungen gehen von noch höheren Werten aus.

Die Bundesregierung verkennt die Wechselwirkung zwischen Bandbreite und Innovation. Oft kommt erst die Bandbreite, dann das Geschäftsmodell

Mit der unzureichenden und obendrein starren Vorgabe von 50 Mbit/s verkennt die Bundesregierung auch die dynamische Wechselwirkung zwischen verfügbaren Bandbreiten und Innovationen bei Online-Diensten. Hochauflösendes Videostreaming etwa wurde erst mit der Verbreitung entsprechend schneller Internetanschlüsse überhaupt zu einem praktikablen Geschäftsmodell. So wie die Fortentwicklung der Netzkapazitäten stets neue Online-Angebote hervorbringt, so treiben umgekehrt dieselben Angebote wiederum den Bandbreitenbedarf voran. Maßgeblich ist dabei nicht allein die Lage in Deutschland. Der Benchmark wird dort gesetzt, wo die weltweit höchsten Bandbreiten gegeben sind. Genau dort werden jene neuen Dienste entwickelt, die in weiterer Zukunft zu Standards werden. Das bedeutet zugleich: selbst wer die Maßstäbe der heutigen Weltmarktführer in drei Jahren erfüllt, hat immer noch drei Jahre Rückstand, die sich wirtschaftlich wie kulturell negativ bemerkbar machen.

Gerade im Hinblick auf die Bedürfnisse der Wirtschaft geht die Zielvorgabe der Bundesregierung auch aus einem weiteren Grund an der Lebenswirklichkeit vorbei: sie bezieht sich nur auf die Kapazität beim Datenempfang. Für Unternehmen, deren Geschäftsmodelle im Wesentlichen auf Datentransfers beruhen, ist die Geschwindigkeit beim Versenden der Daten aber mindestens genauso wichtig. Gleichwohl spielen Qualitätsanforderungen wie der symmetrische Bandbreitenbedarf im Ausbaukonzept der Bundesregierung keine Rolle.

Für die Versorgung mit schnellem Internet sind diskriminierungsfreie Zugänge von essenzieller Bedeutung

Doch geht es beim Breitbandausbau nicht allein um Netzkapazitäten, sondern auch um deren gerechte Verteilung. Für die Versorgung mit schnellem Internet sind diskriminierungsfreie Zugänge von essenzieller Bedeutung. Nur ein Netz, an dem Alle unter gleichen Bedingungen teilhaben können und in dem sie selbst entscheiden, welche Inhalte, Dienste und Anwendungen sie nutzen, kann als infrastrukturelle Grundlage einer demokratisch verfassten digitalen Gesellschaft dienen. Diese Chancengleichheit bei Zugang und Nutzung des Internet gewährleistet das Prinzip der Netzneutralität.

Statt diesen Grundsatz gesetzlich abzusichern hat die Bundesregierung im EU-Ministerrat aktiv zu seiner Auflösung beigetragen – nicht zuletzt in der vagen Hoffnung, Investitionen in den Breitbandausbau zu befördern, indem sie den Netzbetreibern neue Einnahmequellen in Gestalt kostenpflichtiger Überholspuren eröffnet. Tatsächlich sinkt der ökonomische Anreiz in den Ausbau des offenen Internet umso stärker, je mehr die Unternehmen Umsätze mit den Überholspuren generieren. Ein Zwei-Klassen-Netz setzt langfristig also gerade die falschen Impulse beim Breitbandausbau.

Die Liste der Versäumnisse im Ausbaukonzept der Bundesregierung ist lang. Angefangen bei dem Unwillen, die WLAN-Störerhaftung bedingungslos abzuschaffen und brachliegende Potenziale für flächendeckende Netzzugänge zu erschließen, bis hin zu der Entscheidung, auf der letzten Meile wettbewerbsfeindliche Technologien wie VDSL2-Vectoring anstelle der zukunftsfesten Glasfaseranschlüsse zu fördern.

Das Ausbaukonzept der Bundesregierung beschädigt daher nicht nur die Innovationskraft und Zukunftstauglichkeit des Netzes, es leistet auch der digitalen Spaltung der Gesellschaft weiteren Vorschub.

Volker Tripp ist Jurist und arbeitet als politischer Referent beim Digitale Gesellschaft e.V.

Volker Tripp

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