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Serie Bundestagswahlen: 2009: Große Koalition der Verlierer

Die kleinen Oppositionsparteien profitieren von der schwarz-roten Ehe. Die SPD bricht tief ein. Der große Erfolg der FDP beschert Angela Merkel eine zweite Amtszeit mit neuem Partner. 

Die Bundestagswahl am 27. September 2009 hatte drei Sieger und zwei Verlierer. Es war die Wahl, in der die Opposition wie niemals zuvor zulegen konnte – und die Regierungsparteien einen Absturz erlebten, den es so auch noch nie gegeben hatte. Die zweite große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik (nach der von 1966) hatte sich im Herbst 2005 nolens volens zusammengefunden, weil andere Konstellationen nicht möglich waren. Sie hatte sogar eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Am Wahlabend vier Jahre später  aber mussten Union und SPD zusammen einen Verlust von 15,6 Prozentpunkten verkraften.

 Steinmeiers Debakel

Vor allem die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzlerkandidaten und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erlebten ein historisches Debakel: Sie brachen auf 23 Prozent ein, das schlechteste Ergebnis der Partei bei nationalen Wahlen seit Beginn der Bundesrepublik. Die Partei war wieder dort, wo sie im Kaiserreich und der Weimarer Republik angefangen hatte – weit unter 30 Prozent.

Die Ursache wurde nicht zuletzt im Bündnis mit der Union gesehen, die Arbeit in der großen Koalition hatte der Partei offenkundig nicht genutzt. Was möglicherweise sogar mit einer der ersten großen Entscheidungen der neuen Regierung zu tun hatte: Union und SPD hatten sich zügig auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte verständigt – zwei Punkte hatte die CDU/CSU immerhin im Wahlkampf angekündigt (bei Entlastungen der Bürger an anderer Stelle). Die SPD hatte eine Erhöhung dieser Kleine-Leute-Steuer dagegen klar abgelehnt.

 Merkels Debakel

Auch für die Union war das Bündnis mit der SPD nicht gewinnbringend, angeführt von Kanzlerin Angela Merkel (deren Amtsbonus nicht zog oder allenfalls Schlimmeres verhinderte) landete sie bei nur 33,8 Prozent, das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten (nur in der Formationsphase der Parteien im Jahr 1949 waren es weniger). Die Volksparteien waren angeschlagen. Zum Vergleich: 1976, auf dem Höhepunkt ihrer Mobilisierungsfähigkeit, kamen Union und SPD zusammen auf 91,2 Prozent. Nun waren es noch 56,8 Prozent.

 Regierung im Krisenmanagement

Man muss freilich sehen, dass die Wahlen 2009 zu einem für die Regierung ungünstigen Zeitpunkt stattfand: Die weltweite Finanzkrise, ausgehend von der geplatzten Immobilienblase in den USA, hatte Deutschland im Jahr davor erreicht, als die Lehman-Bank zusammenbrach, was zu einer globalen Bankenkrise führte. Und dann zu einer Staatsschuldenkrise. Bald schon wurde daraus eine schwere Belastungsprobe des europäischen Währungsverbunds.

Merkel und Steinmeier mussten sich im Krisenmanagement bewähren,  in guter Erinnerung ist noch der Spontanauftritt Merkels und ihres sozialdemokratischen Finanzministers Peer Steinbrück, in dem sie – aus Angst vor einem Bank-Run – die Sparguthaben der Deutschen garantierten. Mit ihrer moderaten und pragmatischen Wirtschaftspolitik – man denke an die Abwrackprämie oder die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes – schlug sich Schwarz-Rot zwar gar nicht so schlecht; wie sich zeigte, kam Deutschland noch relativ gut durch die ersten Krisenjahre. Aber viele Wähler, im Herbst 2009 wohl auch „krisenmüde“, dankten es nicht.

 FDP stark wie nie

Es waren FDP, Linke und Grüne, die von der schwarz-roten Krisenpolitik profitierten. Die Liberalen fuhren ein Rekordergebnis von 14,6 Prozent ein, was sich in den Umfragen schon angedeutet hatte. Die Forderung nach Steuersenkungen dürfte eine große Rolle gespielt haben, aber mehr noch der Unmut vieler Unions-Wähler (nicht zuletzt in Bayern, wo die von einer Führungskrise geschüttelte CSU um fast sieben Prozentpunkte fiel). In Baden-Württemberg, ihrem Stammland, wäre die FDP (18,8 Prozent) sogar fast vor der SPD gelandet (19,3 Prozent).

 Linke holt auf

Die Linke, angeführt von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, schnellte auf 11,9 Prozent, eindeutig auf Kosten der SPD. Im Osten war sie die Nummer zwei – nur knapp hinter der CDU; in Sachsen-Anhalt und Brandenburg war sie stärkste Partei.

Grüne hinken etwas hinterher

Die Grünen – Spitzenkandidaten waren Renate Künast und Jürgen Trittin - schnitten zum zweiten Mal in Folge bei den kleineren Parteien am schlechtesten ab: Aber auch sie gewannen hinzu und kamen auf 10,7 Prozent. Zusammen 37,2 Prozent – mehr als Union und SPD je für sich genommen. Es zeigte sich, dass das Fünfparteiensystem zur Erosion der Volksparteien beitrug – es gab zu CDU/CSU und SPD nun drei wählbare „Alternativen“, von denen man sicher annehmen konnte, dass sie im Bundestag vertreten sein würden.

 Schwarz-Gelb übernimmt

Dank des FDP-Rekordergebnisses reichte es für die von Union und Liberalen im Wahlkampf als Ziel ausgegebene schwarz-gelbe Koalition. Die 24 Überhangmandate, welche auf die Union entfielen, vergrößerten die Mehrheit (entscheidend waren sie aber nicht). Doch begann bald darauf die Debatte um diese Mandate, die zwar regulär, aber vor allem der SPD ein Dorn im Auge waren – sie forderte am lautesten eine Wahlrechtsreform, die am Ende auch kam, zumal das Bundesverfassungsgericht sich ebenfalls an den Überhangmandaten stieß. Bei der anstehenden Bundestagswahl werden daher erstmals die Überhangmandate ausgeglichen, was zu einer deutlichen Vermehrung der Abgeordnetenzahl über die reguläre Größe hinaus führen kann.

Die weiteren Teile der Serie zu den Bundestagswahlen lesen sie hier.

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