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Die Zeiten ändern sich. Geschäftsleute im größten Roboter-Restaurant Chinas in Hefei, Provinz Anhui. 30 Roboter kochen, servieren und begrüßen die Gäste.

© REUTERS

Jungunternehmer: Chinas Business 4.0

Dynamisch, mutig und ambitioniert sowie international interessiert – so ist die jüngere Unternehmergeneration aus China.

China hat sich verändert. Die Power, das Selbstbewusstsein und der Auftritt auf der internationalen Bühne, vor allem aber die Wahrnehmung im Westen. Der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel prägt auch das (Geschäfts-)Verhalten der Chinesen. Die bisher bekannten Do’s und Don’ts gelten teils nicht mehr. Hier und da wird zwar auf traditionelle Etikette geachtet oder gar eine Renaissance der konfuzianischen Verhaltensregeln gefeiert. Zugleich setzen sich aber Internationalisierung und Pragmatismus kontinuierlich durch.

Zum Jahresanfang traf ich eine 32-jährige chinesische Filmproduzentin, die in Deutschland zwei Kinofilme mit einem Budget von je etwa zehn Millionen Euro gleichzeitig drehte. Sie war entspannt, trotz mangelnder Erfahrungen in Deutschland. Der Prozess war chaotisch aber das Ergebnis gut. So ist die jüngere Unternehmergeneration aus China: dynamisch, mutig und ambitioniert sowie international interessiert. Aber auch bei der älteren Generation ist einiges Neues zu beobachten: Der Premierminister Li Keqiang hielt im Herbst vergangenen Jahres eine kleine Rede vor einer Gruppe von Vertretern der Überseechinesen. Der Stil war keineswegs steif – trotz protokollarischer Regeln –, sondern erfrischend offen, charismatisch und unhierarchisch. Das war vor 20 Jahren so nicht denkbar.

Das Selbstbewusstsein ist signifikant – und manchmal irritierend. Ein Chinese hat es in Deutschland nicht einfach. Verhält er sich selbstbewusst, gilt er als überheblich, verhält er sich bescheiden, wird er als undurchschaubar wahrgenommen. Doch die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat in China einen Unternehmertyp hervorgebracht, der es verdient hat, auch global als Player, Partner und Gestalter ernst genommen zu werden. Will man ihn näher kennzeichnen, kann man acht aktuelle Erfolgsfaktoren nennen:

1) Loyalität im Leben pflegen. Es ist bekannt, dass in China verschiedene Loyalitätsbeziehungen, auch als „Guan Xi“ bekannt, existieren. Diese sind vertikal und horizontal in den familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Kontext verflochten und sehen für Außenstehenden wie ein unüberschaubares Vogelnest aus. Sie müssen mit besonderem Fingerspitzengefühl gepflegt werden. Je enger eine solche Loyalitätsbeziehung ist, desto verbindlicher und wichtiger ist sie. Ähnliches gilt in Deutschland: Geben wir einem Geschäftspartner unsere private Handynummer, so ist dies ein Symbol eines kleinen Vertrauensvorschusses.

2) Ziele im Leben setzen und diese situativ pragmatisch anpassen. Chinesen sind schon von klein auf mit verschiedenen Zielen konfrontiert: Unsere Eltern wollen für uns möglichst hervorragende Kindergärten, begehrte Schulen, Eliteuniversitäten. Danach sollen wir gut dotierte Jobs und schnelle Karrierestufen durchlaufen. Regelmäßig wird in Großfamilie oder Nachbarschaft verglichen, wer was wann geschafft hat. Und je nach Notwendigkeit werden diese Ziele flexibel – ein Chinese ist nie dogmatisch – angepasst und nach oben oder unten korrigiert. Genau diese Zielstrebigkeit, der Ehrgeiz, verbunden mit Pragmatismus, begleiten einen Chinesen als Tugenden, die unsere Elterngeneration konsequent an uns weitergegeben haben – und die von uns an unsere Kinder weitergegeben werden.

3) Gelassenheit in allen Lebenslagen bewahren. Es ist nicht leicht, neben dem Ehrgeiz auch noch Gelassenheit zu zeigen. Wenn wir aber die modernen Manager und Unternehmer in China beobachten, möchten sie die Gelassenheit in Person sein. Daher ist der Begriff „She De“ so sehr in chinesischer Managementlehre verbreitet: Nur wenn man verzichten kann, kann man auch gewinnen. Daran ist etwas Wahres: Dank der Unterstützung eines deutschen Verbandes zeigten wir erfolgreich eine chinesische Nachwuchsausstellung. Alle waren dankbar, dann kam eine Rechnung über Wandreparaturen. Wir Ehrenamtlichen beglichen die Rechnung trotz großer Verwirrung. Hier sollte die Tugend Gelassenheit nicht missverstanden werden.

4) Denken im Kontext. Dahinter verbirgt sich ein traditionelles chinesisches Denksystem. Kein Chinese existiert nur für sich und ohne familiäre, berufliche, gesellschaftliche oder sonstige Zusammenhänge. Das Kollektiv sowie das Umfeld definieren und bestätigen gegebenenfalls einen Menschen, seine Existenz und seinen Erfolg. Hier muss ich aber – nach zwei Jahrzehnten Leben in Europa – etwas leicht relativieren: Das italienische, südländische Verhaltenssystem hat insoweit auch etwas Chinesisches.

5) Die Kunst der Balance zwischen Hochmut und Demut beherrschen. In der Welt der neuen Reichen ist Selbstbewusstsein bis zur Grenze des Hochmuts eigentlich selbstverständlich. Die Tendenz geht aber eindeutig dahin, dass auch sie bescheidener werden. Die Zeit ist lange vorbei, in der das Schild eines Markenanzugs nicht abgeschnitten wurde. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Sohn eines chinesischen Milliardärs. Wir waren beide in einem Managementforum. Das Thema war Golf, der 36-Jährige sagte über seine Handicap: Er schlage vom weißen Tee ab. Damit umschrieb er dezent, ein Spitzenspieler mit einstelligem Handicap zu sein.

6) Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit. Jeder Chinese möchte das erreichen und achtet es als einen wichtigen Verhaltenskodex. Aber meine Erfahrung hier: Je lauter man drüber spricht, desto enttäuschender könnten die Erfahrungen sein. Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit im Geschäftsleben sind unausgesprochene Regeln.

7) Vielfalt im Leben schaffen. China entwickelt sich und Chinesen werden anspruchsvoller, genießen mehr Facetten des Lebens. Der Immobilientycoon Wang Shi ist ein leidenschaftlicher Bergsteiger, der Chef der Wanda Group ein passionierter Kunstsammler. Einige sammeln Rotweine oder Oldtimer, die offiziell in China noch nicht zugelassen werden. Die Vielfalt im Leben wird künftig eine noch größere Rolle spielen, denn Trauben wollen gerne von Erbsen unterschieden werden. Was wollen Sie einem Chinesen als Gastgeschenke mitbringen? Das wird zur Denksportaufgabe.

8) Augenhöhe bewahren. In den letzten Jahren habe ich immer wieder von „gleicher Augenhöhe“ oder „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gehört. Tatsächlich spielt dies eine sehr wichtige Rolle, nicht nur für eine politische Partnerschaft, sondern gerade auch im Businessleben. Nur mit der gleichen Augenhöhe kann eine Zusammenarbeit langfristig erfolgreich gestaltet werden.

Auf den ersten Blick entspricht all dies gängigen angelsächsischen Managementlehren. Das zeigt, dass hier eine globale Angleichung stattfindet. Doch auf den zweiten Blick zeigen sich Unterschiede in wichtigen Facetten. Bei diesen knappen Hinweisen möchte ich es an dieser Stelle belassen. Denn China 5.0 wird nicht lange auf sich warten lassen.

Die Autorin ist gebürtige Chinesin, Unternehmerin, Gastprofessorin und Buchautorin. Sie ist Gründerin und Vorsitzende der gemeinnützigen Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e.V. Eines ihrer Bücher ist „Die China-Strategie“ (BeBra Verlag 2012).

Yu Zhang

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