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Gekauft. Ein Mitarbeiter von Kion baut in Xiamen einen Gabelstapler von Linde zusammen.

©  p a/dpa

Wirtschaftbeziehungen mit China: Die neue Dynamik

Chinesen kaufen zunehmend deutsche Firmen und stoßen dabei oft auf fremde Sitten.

China ist der große Markt – und Deutschland auch dort der Exportweltmeister? Die Realität ist ein wenig anders als die pauschalen Bilder von den globalen Wirtschaftsbeziehungen nahelegen. Tatsächlich ist die Bundesrepublik ein größerer Exportmarkt für China als umgekehrt. Waren im Wert von 77,3 Milliarden Euro führte Deutschland 2012 aus China ein – und Güter im Wert von 66,6 Milliarden Euro nach China aus.

Bei den Investitionen waren die Verhältnisse bis 2011 noch relativ klar. Auf 35 Milliarden Euro summierten sich die deutschen Investitionen in China damals, umgekehrt waren es nur 2,4 Milliarden Euro. Doch seither zeichnet sich eine neue Dynamik ab. Chinesische Unternehmen kaufen zunehmend deutsche Firmen sowie Anteile an Firmen und Aktiengesellschaften. 2012 übernahm der Schwerindustriekonzern Sany für 360 Millionen Euro einen der Marktführer für Betonpumpen, das Unternehmen Putzmeister. Die Shandong-Gruppe erwarb über ihre Tochter Weichai Power für 738 Millionen Euro 25 Prozent am Kion-Konzern. Kion gehört neben Toyota zu den Weltmarktführern für Gabelstapler, Lagertechnik und Flurförderzeuge. Auch der Automobilzulieferer Kiekert, der auf Schließsysteme spezialisiert ist, und der Betonpumpenhersteller Schwing fanden neue chinesische Eigentümer. Der in Essen ansässige Computerhersteller Medion gehört inzwischen zu 90 Prozent der chinesischen Firma Lenovo.

So wachsen die chinesischen Investitionen in Deutschland neuerdings kräftiger als umgekehrt die deutschen in China. Der Schwerpunkt liegt im produzierenden Gewerbe. Vor wenigen Wochen eröffnete die chinesisch-deutsche Handelskammer in Berlin, die erste ihrer Art in Europa. Auch darin drückt sich die neue Dynamik aus.

Ihr Präsident Chen Fei sagt, das strategische Interesse chinesischer Investoren in Deutschland richte sich auf „neue Märkte, neue Technik und moderne Managementmethoden“. In seinem Hauptberuf ist er Generalmanager der ICBC Frankfurt, der deutschen Filiale der Industrial and Commercial Bank of China. Sie ist nach ihrem Börsenwert das zweitmächtigste Geldinstitut weltweit. Ihre Filiale in Frankfurt ist eine wichtige Anlaufstelle für chinesische Investoren. Denn für die besteht die größte Herausforderung weniger darin, interessante Kaufobjekte zu finden, als darin sich „in einer ganz neuen Welt zurechtzufinden“, sagt Chen, „vom Wirtschafts- und Arbeitsrecht über die Steuern bis zur Kultur“. Diese neue Welt sei im Vergleich mit China „reifer“ und „entwickelter“. Deshalb behielten chinesische Investoren, selbst wenn sie eine deutsche Firma erwerben oder die Mehrheit der Anteile, oft das lokale deutsche Management bei. Das mache es leichter, sich in den Markt zu integrieren.

Negative Schlagzeilen: Chinesische „Invasion“

Bei Großinvestitionen wie Putzmeister, Schwing, Medion oder Kion halten sich die Änderungen am Alltag in Deutschland durch die neuen Eigner oder Miteigentümer in Grenzen. Oft ist das Hauptziel eine strategische Aufgabenteilung bei der Bearbeitung der Märkte. Der chinesische Partner profitiert von der deutschen Technik und produziert billigere Varianten der Pumpen, Baumaschinen und anderen Produkte für die heimischen Kunden. Die deutsche Firma beliefert den Weltmarkt sowie das teurere Premiumsegment in China.

„Anfangs wurden chinesische Investitionen mit Skepsis betrachtet“, erinnert sich Botschafter Shi Mingde. „Wenn Amerikaner, Japaner, Koreaner kommen, gilt das als normal. China wird als Neuling gesehen, da gibt es Schlagzeilen.“ Sofern das aus Neugier geschehe, verstehe er das. Weniger erfreut ist er, „wenn man chinesische Investitionen mit ,Ausverkauf’ oder ,Invasion’ gleichsetzt.“ Er zitiert Umfragen, nach denen die generelle Zufriedenheit der betroffenen Deutschen mit ausländischen Investitionen bei zehn bis 30 Prozent liege, im Fall der Chinesen aber bei 40 bis 60 Prozent. „Manche Firmen sind froh, dass sie von Chinesen übernommen werden und nicht von anderen Nationalitäten“, sagt Shi.

Es gebe inzwischen mehr als tausend Firmen mit chinesischen Eigentümern in Deutschland. Die ständen aber oft vor Problemen. „Manchmal ist es schwer, Visa zu bekommen, das dauert bis zu sechs Monate. Bei manchen Genehmigungsverfahren ist die deutsche Bürokratie schwerfällig. Die Steuern und andere Vorschriften sind kompliziert, da verliert man leicht den Überblick.“

Erstaunen bei den Investoren lösen zudem die unterschiedlichen Traditionen in Kultur und Arbeitsrecht aus, sagt Shi. „Die deutschen Gewerkschaften sind sehr gut organisiert und haben große Mitbestimmungsrechte. Solche Regelungen gibt es in China nicht. Oder Überstunden: Es ist schwer, deutsche Arbeiter davon zu überzeugen. In China sind die Menschen froh, wenn sie überhaupt Arbeit haben. Der große Vorteil in Deutschland ist die Qualifikation der Facharbeiter.“ Der Botschafter möchte deshalb „das duale Ausbildungssystem in China einführen“.

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