Ihr Ehemann, sagt Anke Domscheit-Berg, habe Obama gekauft. Im Internet, wo sonst? 39 Euro hat Daniel Domscheit-Berg für den lebensgroßen Pappaufsteller des US-Präsidenten bezahlt. Obama steht also an einem Juninachmittag am Großen Stern in Berlin, inmitten einer Gruppe junger Menschen, die Plakate mit Aufschriften wie „Vereinigte Stasi von Amerika“ und „My phone sex is private“ mit sich tragen. Es ist eine Demonstration gegen das amerikanische Geheimdienstprogramm Prism, Anke Domscheit-Berg hat sie mitorganisiert. Sie ist eine zierliche Frau, die einen geblümten Rock und Sandalen im Orange der Piratenpartei trägt, für die sie bei der Bundestagswahl im September kandidiert. „Prism zeigt doch: Unter Obama ist Amerika paranoider denn je“, sagt Anke Domscheit-Berg. „Ich bin enttäuscht von ihm.“
Datenschutz als Spionagethriller
Anke Domscheit-Berg sieht, während sie ihre Unzufriedenheit formuliert, ziemlich zufrieden aus. Sie lächelt. Tage zuvor hat sie eine Petition im Internet gegen Prism mitverfasst. 42 000 Menschen haben unterschrieben. Es gibt also offenbar ein Aufregerthema im Sommer vor der Bundestagswahl: Der US-Geheimdienst hat jeden Monat in Deutschland eine halbe Milliarde Telefonverbindungen, E-Mails, SMS abgegriffen. Dem Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der diese Ungeheuerlichkeiten ans Licht gebracht hat und der sich derzeit im Transitbereich des Moskauer Flughafens aufhalten soll, drohen in seiner amerikanischen Heimat harte Strafen. Die Ereignisse müssten eigentlich den Piraten in die Hände spielen, ähnlich wie es das havarierte Atomkraftwerk in Fukushima für die Grünen tat. Der Datenschutz, das zweifelsohne wichtige, gleichwohl staubtrockene Kernanliegen der Piratenpartei, wird gerade zum Spionagethriller.
"Ich werde dich jagen und töten"
Mit Anke und Daniel Domscheit-Berg haben die Piraten zwei prominente Mitglieder, die sich mit dem Thema schon aufgrund ihrer Biografien besonders gut auskennen. Beide sind im Internet unterwegs, seitdem es existiert. Anke Domscheit-Berg als Unternehmensberaterin für IT-Projekte, unter anderem bei McKinsey, und für Microsoft. Außerdem ist sie eine umtriebige Netzaktivistin und Feministin. Daniel Domscheit-Berg kommt aus der Hackerszene. Bekannt wurde er vor allem deswegen, weil er bei der Enthüllungsplattform Wikileaks der engste Vertraute von Julian Assange war, mit dem er sich gründlich überworfen hat. „Ich werde dich jagen und töten“, drohte ihm Assange noch vor drei Jahren.
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