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Blogger: Von wegen "rechtsfreier Raum" Internet

Ein Gericht hat Stefan Niggemeier, einen der bekannteren Blogger des Landes, verurteilt, in seinem Blog üble Kommentatoren zu stoppen. Ein Datenschützer will ihm die Art, auf die er es versucht, nun verbieten.

Sollte es im Internet je den rechtsfreien Raum gegeben haben, von dem in Politik und Medien so gern fabuliert wird, ist das schon sehr lange her. Blogger beispielsweise erleben jeden Tag, dass eine Menge Gesetze existieren, die im Netz zu beachten sind. Was schwierig sein kann. Wie schwierig, erlebt gerade mal wieder Stefan Niggemeier, einer der bekannteren Blogger des Landes.

Im Jahr 2007 wurde er vom Landgericht Hamburg dazu verurteilt zu verhindern, dass anonyme Kommentatoren auf seinem Blog rechtswidrige Äußerungen veröffentlichen können. Geklagt hatte die Firma Callactive, deren Geschäfte Niggemeier zuvor in mehreren Beiträgen kritisiert hatte. Er hätte nun, so das Urteil, aufgrund der Art seiner eigenen Beiträge mit rechtsverletzenden Kommentaren seiner Leser rechnen und diese verhindern müssen. Das Urteil hatte damals für einige Verwunderung gesorgt. Immerhin geraten dadurch selbst Suchmaschinen in Gefahr, für von ihnen verlinkte Kommentare in "Störerhaftung" genommen zu werden. Letztinstanzlich entschieden ist das bis heute nicht.

Niggemeier lebt mit der Unsicherheit. Wie inzwischen wohl viele, die im Internet auf ihren Seiten Kommentare zulassen.

Allgemein gibt es zwei Wege, will man solchen Klagen aus dem Weg gehen. Einerseits die Vorabkontrolle. Jeder Kommentar wird von einem Moderator überprüft und erst dann veröffentlicht oder eben nicht. Der Nutzer selbst hat darauf keinen Einfluss. Tagesspiegel.de arbeitet so. Das Freischalten aber dauert und braucht zu jeder Zeit jemanden, der die Texte liest. Ist kein Moderator da, müssen die Foren ganz geschlossen werden. Blogger können das auch kaum leisten.

Andererseits können Kommentare auch veröffentlicht und anschließend kontrolliert werden. So macht es beispielsweise Niggemeier. Die Kontrolle allerdings muss schnell gehen, und bei kritischen Themen genügt das nicht.

Das Urteil von 2007 aber fordert, rechtswidrige Kommentare vorauszuahnen, also jene Nutzer zu kennen und im Zweifel gänzlich zu blockieren, die bereits ausfällig wurden. Um das möglich zu machen, müssen Kommentatoren auf Niggemeiers Blog unter anderem eine E-Mail-Adresse angeben. Außerdem nutzt er im Zweifel die IP-Adressen, die auf seinem Server anfallen, um so "auffällige" User wiederzuerkennen und stoppen zu können.

"Sehr geehrter Herr Niggemeier, ein Nutzer Ihres o.g. Internet-Angebots hat sich an uns gewandt und die Vermutung geäußert, bei der Nutzung Ihres Internetangebotes würden rechtswidrig IP-Adressen der Nutzer gespeichert. (...) Darüber hinaus erheben Sie (...) eine E-Mail-Adresse." Beide Informationen, so führt der Brief aus, der vom Büro des Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix stammt und den Niggemeier im November 2008 erhielt, dürfe er nicht speichern, beziehungsweise auch nicht erheben.

Für Niggemeier ein echtes Dilemma. Für Anwälte eine Grauzone. Denn bislang ist rechtlich nicht geklärt, wie genau üble Kommentare verhindert werden müssen, um als Blogger nicht für ihren Inhalt belangt werden zu können.

Der Datenschutzbeauftragte Dix argumentiert in seinen Schreiben, IPs und E-Mail-Adressen wären dazu sowieso nicht tauglich, seien sie doch im Zweifel dynamisch oder leicht durch eine neue zu ersetzen. Niggemeier hingegen sagt, er sehe keinen anderen Weg, Verrückte zu erkennen, zu blockieren oder mit ihnen in Kontakt zu treten. Eine Vorabmoderation könne und wolle er nicht leisten, solle es doch ein offenes Forum sein – oder zumindest eines, das so offen wie möglich ist.

Die aber fordert Dix. Der durch das Hamburger Landgericht ausgesprochenen Verpflichtung könne er "nur durch eine Vorabkontrolle der abgegebenen Kommentare nachkommen", schrieb er. Dix ließ dem Blogger allerdings eine Art Ausweg, nämlich "die in Rede stehende Datenverarbeitung zukünftig auf die Einwilligung der Nutzer zu stützen". Mit anderen Worten, eine ausführliche Warnung anzubringen, dass dort Daten erhoben, gespeichert und ausgewertet werden.

Notgedrungen tat Niggemeier genau das. Außerdem installierte er eine Zustimmungsoption: "Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre E-Mail-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von mir im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden." Für eine mühsame und teure Grundsatzklage, die vielleicht juristisch für Klarheit gesorgt hätte, verspürte er nicht die geringste Lust. Niggemeier sagt: "Ich finde es erstaunlich, wie viel man mit Anwälten, Abmahnungen, Bußgeldandrohungen und Gerichtskosten zu tun hat in diesem angeblich so rechtsfreien Raum Internet."

ZEIT ONLINE

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