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de Maizières Rede zur Netzpolitik: Angst um die Anonymität im Netz

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sucht den Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen im Netz, kann aber nicht alle Konflikte lösen. Diskutieren Sie mit über die Grundsatzrede des Innenministers.

Von Anna Sauerbrey

Eingang durfte der Direktor des Deutschen Technikmuseums ein bisschen Werbung machen für sein Haus. In dem Museum am Landwehrkanal, betonte Dirk Böndel, gehe es auch um Philosophie: „Muss man alles umsetzen, was technisch möglich ist?“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Böndels Museum ausgewählt für seine Grundsatzrede zur Netzpolitik, die gleichzeitig eine Gesprächsreihe zum Thema abgeschlossen hat. Und obwohl er diese Frage nicht selbst stellte, können die Thesen des Innenministers als eine Antwort darauf gelesen werden. Nämlich: Jein.

De Maizières Antwort ist konservativ

De Maizière sucht Antworten auf digitale Herausforderungen vor allem im Analogen. Damit widerspricht er einer zentralen These vieler Vertreter der sogenannten Netzgemeinschaft: Dass das Internet alles verändert, von den zwischenmenschlichen Beziehungen über die Staatlichkeit bis zum Recht. De Maizière Antwort ist also konservativ, doch obwohl hin und wieder Nostalgie aufzublitzen scheint, wenn der Minister an die ach so einfachen Mechanismen der Dampflok erinnert, ist sein Ansatz keineswegs rückwärtsgewandt. Sein Prinzip ist ein juristischer Minimalismus: Die Anwendung bestehenden Rechts hat Vorrang vor neuer Rechtsetzung. „Wichtig ist, dass die Rechtsordnung entwicklungsoffen bleibt. Sie kann nicht für jede technische Neuerung geändert werden“, sagte der Minister. Selbstregulierung gehe vor neuer Rechtsetzung. Kein „Internetgesetzbuch“ also. Aber auch keine staatlichen Eingriffe in die „Netzneutralität“?

Nur fast. De Maizières Grundsatz, sparsam mit neuen Gesetzen umzugehen, ist nicht mit Liberalismus zu verwechseln. Der Minister macht eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen, von denen manche teils erhebliche staatliche Eingriffe bedeuten könnten: So schlug der Innenminister ein privates Darstellungsrecht ähnlich dem Gegendarstellungsrecht vor. Es soll Einzelnen ermöglichen, sich gegen Beleidigungen oder falsche Darstellungen im Netz zu wehren. Betroffene sollen sogar einen Anspruch darauf haben, dass Suchmaschinen eigene Darstellungen auf Platz eins der Trefferliste setzen. Ein Eingriff in die Suchergebnisse also, der eigentlich nicht nötig ist, lassen sich die Algorithmen der Suchmaschinen doch auch ohne Gesetz leicht auf erwünschte Ergebnisse lenken. An anderer Stelle schlug der Minister vor, für „besonders gefahrgeneigte“ Online-Dienste“ eine staatliche Erlaubnis oder Zulassung einzuführen. Natürlich nicht flächendeckend, wiegelte de Maizière gleichzeitig ab. Doch auch hier entfernt sich der Minister schon relativ weit von freiheitlichen Grundsätzen.

Erleichterung, dass sich jemand grundsätzlich mit dem Thema beschäftigt

Die meisten Teilnehmer der abgeschlossenen Dialogreihe zur Netzpolitik zeigten sich dennoch positiv überrascht. „Der Innenminister hat gezeigt, dass er sich im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern grundlegende Gedanken gemacht hat“, lobte Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC). Ähnlich äußerte sich der Netzaktivist Markus Beckedahl. Positive Reaktionen kamen auch von Seiten der betroffenen Wirtschaftsverbände. „Das Thema Internet greift in ganz unterschiedliche Rechtsbereiche. Deshalb finde ich den Ansatz gut, das Thema ganzheitlich zu betrachten“, sagte Stefan Michalk, Geschäftsführer des Bundesverbands der Musikindustrie. Und auch August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbands Bitkom, sagte: „So selbstverständlich dies sein sollte, es ist nach den politischen Fehlversuchen und fragwürdigen Einzelaktionen der letzten Monate im Ansatz neu und verdient schon deshalb besondere Beachtung und Lob.“

Die Harmonie hat Grenzen

Doch die Harmonie zwischen Betroffenen und Innenministerium hört auf, sobald es ins Detail geht. Die Musikindustrie etwa würde sich wünschen, dass die Provider stärker in die Pflicht genommen werden, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern – ein Ansatz, dem de Maizière skeptisch gegenüber steht. „Die Provider werden ihre Verweigerungshaltung aufgeben müssen, da könnte gesetzgeberischer Druck beschleunigend wirken“, sagte Michalk. Und auch die Netzgemeinschaft ist mit vielen Details alles andere als glücklich. Sie befürchtet vor allem den Verlust der Anonymität der Netznutzer. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass man irgendwann nur noch ins Netz kommt, wenn man sich mit dem elektronischen Personalausweis identifiziert“, sagte Markus Beckedahl. Tatsächlich war der Minister in diesem Punkt deutlich: „Eine schrankenlose Anonymität kann es im Internet nicht geben“, sagte de Maizière. „Für Raubritter und Piraten wären das paradiesische Zustände.“ Der Anonymität Schranken zu setzen ist mit dem neuen Personalausweis technisch möglich. Muss jede technische Möglichkeit genutzt werden? Diese wird es wohl.

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