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Halb Mensch, halb Maschine: der Geheimagent Adam Jensen.

© Square Enix

„Deus Ex: Mankind Divided“ im Test: Schöne gespaltene Welt

Das neue "Deus Ex" entwirft die Vision einer dystopischen Welt aus Unterdrückung und Segregation – und bietet dem Spieler die größtmögliche Entscheidungsfreiheit, sie zu erkunden.

Schwer gepanzerte Polizeitruppen patrouillieren die Straßen von Prag im Jahr 2029. Sie treiben Menschen zusammen, stellen sie an die Wand, kontrollieren ihre Pässe. Wer ein kybernetisches Auge hat, einen Prothesen-Arm, irgendeine Form von mechanischer Erweiterung, wird festgehalten. Wer sich widersetzt, wird verprügelt. Wer keine gültige Aufenthaltserlaubnis hat, wird deportiert. In ein Ghetto am Stadtrand. Dort leben augmentierte Menschen in zerfallenen Barracken, ohne vernünftige Versorgung, ohne Bildung, abgeschottet vom Rest der Gesellschaft. Polizeischikanen sind Alltag. Festnahmen, Folter, Erschießungen.

„Mechanische Apartheid“, in Anlehnung an die historische Apartheid in Südafrika, nennen die kanadischen Entwickler von Eidos Montréal das Zukunftsszenario von „Deus Ex: Mankind Divided“, dem neuesten Ableger der renommierten Science-Fiction-Rollenspielreihe. Die Geschichte knüpft unmittelbar an die Ereignisse des 2011 erschienenen Vorgängers „Human Revolution“ an und führt die Debatte um die Chancen und Gefahren des Transhumanismus weiter.

Vom Hoffnungsträger zum Verdammten

Das Versprechen eines neuen goldenen Zeitalters von Mensch und Maschine, das dort noch angepriesen wurde, hat sich nach einer Katastrophe gegen seine Visionäre gerichtet. Durch Manipulationen sind Augmentierte Amok gelaufen. Sie sind von den Hoffnungsträgern der nächsten menschlichen Evolutionsstufe zu den Verdammten dieser Welt geworden.

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Der Geheimagent Adam Jensen, in dessen Rolle Spieler wie schon in „Human Revolution“ schlüpfen, ist einer von ihnen. Jensen ist für die Arbeit bei einer neuen Anti-Terror-Task-Force nach Prag gereist. Gleichzeitig versucht er, mithilfe eines Hackerkollektivs die Drahtzieher hinter den Ereignissen ausfindig zu machen. Anders als in „Human Revolution“ spannt „Mankind Divided“ jedoch diesmal nicht den großen Bogen rund um eine globale Verschwörung. Das Spiel hetzt einen nicht um die Welt, sondern konzentriert sich – mit wenigen Ausnahmen – auf den Schauplatz Prag und Umgebung.

Die tschechische Metropole ist mit einer überwältigenden Detailtreue gestaltet worden. Alte, zerbröckelnde Hausfassaden gehen über in futuristische Neubauten, in der Kanalisation trifft man auf Augmentierte, die sich vor den Behörden verstecken, auf im Geheimen operierende Bloggerkollektive. Die „Apartheid“ ist überall deutlich zu spüren: In der Metro gibt es separate Eingänge für Augmentierte und natürliche Menschen, in Bars sind Tische für jeweilige Gruppen reserviert, im Rotlichtviertel von Prag sind Augmentierte an vielen Orten gar nicht mehr willkommen. Man stößt im Spielverlauf auf einen Ring von korrupten Polizisten, der ihnen für viel Geld gefälschte Ausweispapiere verkauft, auf kriminelle Untergrundorganisationen, die sie illegal aus der Stadt schmuggeln.

Auch in der Metro von Prag gibt es separate Eingänge für "Augs" und "Naturals".
Auch in der Metro von Prag gibt es separate Eingänge für "Augs" und "Naturals".

© Square Enix

Die vielen kleinen Details und Geschichten abseits der eigentlichen Handlung verdichten sich schnell zu einem düsteren Panorama. Das Spiel bekommt den Charakter eines interaktiven Romans, denn man quer liest. Die Zusammenhänge werden nicht einfach präsentiert – man muss sie selbst erschließen und verknüpfen. Dabei wird man immer wieder vor Entscheidungen gestellt.

Gibt man die eine Aufenthaltserlaubnis, die man fälschen kann, dem Vater oder einer jungen Schauspielerin? Rettet man eine Augmentierte gegen ihren Willen vor Schleppern oder lässt man sie ziehen? „Mankind Divided“ setzt – wie auch „The Witcher 3“ – auf graustufige Dilemmata statt auf plumpe Schwarz-Weiß-Entscheidungen.

Kybernetische Super-Rambos

Das gilt auch für das eigentliche Gameplay. Dem Spieler ist es selbst überlassen, wie er an ein Problem herangeht: Gewalt, Diplomatie, Infiltration. Jensen kann sich mithilfe seiner Augmentierungen in einen kybernetischen Super-Rambo verwandeln, der seine Haut auf Knopfdruck mit einer Titanschicht überzieht und Klingen aus seinem Arm schießt. Er kann aber auch lernen, aus der Ferne Sicherheitssystem zu hacken und sich für kurze Zeit unsichtbar zu machen. Die meisten Unzulänglichkeiten des Vorgängers haben die Entwickler ausgemerzt.

Die Action fühlt sich satter an, wenn sie auch immer noch nicht an Genre-Standards heranreicht. Und das bereits sehr gut umgesetzte und motivierende Infiltrationssystem ist weiter verfeinert worden. Besonders gelungen sind auch die Rede-Duelle: Wer ein bestimmtes Sozial-Implantat nutzt, kann sich von seinem Gegenübern ein psychologisches Profil erstellen lassen. Er hat dann die Möglichkeit, aufgebrachte oder feindselige Gesprächspartner durch geschickte Erwiderungen zu überzeugen.

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Was Fans der Reihe vielleicht enttäuschen wird, ist, dass die Handlung von „Mankind Divided“ viele der brennenden Fragen, die der Vorgänger aufgeworfen hat, zwar anreißt, aber nicht beantwortet. Im Grunde ist das aber kein Manko, sondern eben eine der Designentscheidungen, die den Nachfolger von einer bloß verbesserten Version des bereits genialen „Human Revolution“ absetzen. Die Spielwelt ist in "Mankind Divided" nicht mehr vordergründig dazu da, um einen spannenden Cyberpunk-Thriller zu erzählen. Sie selbst ist die Erzählung.

„Deus Ex: Mankind Divided“, Publisher: Square Enix, Entwickler: Eidos Montréal, erhältlich für PS4, Xbox One und PC. Preis 50 Euro, USK-Alterseinstufung: ab 18 Jahren.

Giacomo Maihofer

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