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Interview mit Jeanette Hofmann: "Das Internet verleiht Nutzern mehr Einfluss"

Das Hamburger Landgericht hat im Verwertungsstreit zwischen Youtube und Gema geurteilt. Jeanette Hofmann forscht am Wissenschaftszentrum Berlin zur Internet-Entwicklung erklärt im Interview, warum eine Reform des Urheberrechts notwendig ist.

Frau Hofmann, seit Jahren wird über die Durchsetzung des Urheberrechts im Internet gestritten, aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Warum ist das so schwierig?

Weil der Einzug der Informationstechnik in den Alltag der Verbraucher die wirtschaftlichen Grundlagen für die Vermarktung von Informationsgütern radikal verändert. Die Herstellung des Originals ist noch immer teuer, aber die Vervielfältigung und Verbreitung kostet fast nichts mehr. Damit werden die alten Geschäftsmodelle zum Verkauf von Büchern, Musik und Filmen in Frage gestellt. Das Internet verleiht den Nutzern von Kulturgütern mehr Einfluss. Sie wollen - und können - heute über den Markt für Literatur, Film und Musik stärker mitbestimmen. Urheber und die Verwerter fordern nun eine stärkere Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet. Aber das geht nur um den Preis, dass die Freiheit der Internetnutzer stark beschränkt wird, Dies betrifft nicht nur illegale Downloads, sondern auch die Freiheit, Werke zu zitieren, zu teilen und weiterzuentwickeln. Und das trifft auf Widerstand. Im Kern geht es um die Frage, ob das bestehende Recht der Technik angepasst wird oder die Technik dem Recht.

Gibt es denn technische Lösungen?

Vor allem solche, die eine Überwachung der Nutzer erfordern und mit dem Datenschutz und anderen Freiheitsrechten nicht vereinbar sind. Darum ist es notwendig, neue Geschäftsmodelle für den Vertrieb von Informationsgütern zu entwickeln und hierfür, soweit notwendig, das Urheberrecht zu reformieren.

Jeanette Hofmann forscht am Wissenschaftszentrum Berlin über die Entwicklung des Internets.
Jeanette Hofmann forscht am Wissenschaftszentrum Berlin über die Entwicklung des Internets.

© promo

Was schlagen Sie vor?

Bedenkenswert ist der Vorschlag, die ausschließlichen Verwertungsrechte, die das Urheberrecht vorsieht, nach einer gewissen Zeit in Beteiligungsrechte umzuwandeln. Wenn die marktübliche Verwertungsphase eines Werks abgeschlossen ist, könnten viele Werke gemeinfrei werden und man könnte diese erlaubnisfrei nutzen - das allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Urhebern und Verwertern eine Beteiligung an möglichen finanziellen Erträgen eingeräumt wird. Vergriffene Werke wären somit für die private Nutzung frei, während kommerzielle Nutzungen zu weiteren Einnahmen für die Urheber führen würden. Dafür wäre es allerdings sinnvoll, eine Registratur für alle urheberrechtlich geschützten Werke zu schaffen, um die Klärung der Rechte zu vereinfachen.

Das würde niemandem am raubkopieren hindern.

Aber es würde die Konflikte drastisch mindern, weil es einen großen Anteil unseres kulturellen Erbes, der am Markt nicht erhältlich, aber aus Urheberrechtsgründen nicht verfügbar ist, gemeinfrei machen würde. Zudem gilt es, Angebote für die Verbraucher zu schaffen, die bequemer und sicherer sind als das illegale Kopieren. Die Musikvermarktung über die Itunes-Plattform von Apple oder Abodienste wie Spotify oder Netflix zeigt die Richtung an.

Warum soll ich bezahlen, wenn ich das Gleiche auch umsonst haben kann?

Die Mehrzahl der Nutzer wäre vermutlich froh, wenn es gegen Bezahlung einer moderaten monatlichen Gebühr alle Filme und Songs aus einer Hand legal, frei von Viren und in hoher Qualität erhalten könnte.

Jeanette Hofmann forscht seit 1994 am Wissenschaftszentrum Berlin über die Entwicklung des Internets. Sie ist Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestages "Internet und digitale Gesellschaft" und Mitgründerin des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Das Gespräch führte Harald Schumann.

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