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In der Königsklasse: Das Amazon Kindle Fire HDX 8.9 und das Tolino tab 8,9.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kindle Fire HDX gegen Tolino tab: Digitale Kampfansage

Mit eigenen E-Book-Lesegeräten will der deutsche Buchhandel die Dominanz von Amazon brechen. Zur Tolino-Familie gehören nun auch zwei Tablets.

E-Books waren bis zum vergangenen Jahr für die meisten Menschen gleichbedeutend mit Amazon und dem Kindle-Lesegerät. Der deutsche Buchhandel hat in Kooperation mit der Telekom jedoch 2013 mit dem Tolino eine Antwort auf die Amazon-Dominanz gefunden. Bereits die Premierenversion des Tolino E-Book-Readers war sowohl technisch als auch preislich mit den Amazon-Geräten wettbewerbsfähig. Der Buchhandel hatte ein Lesegerät für elektronische Bücher entwickeln lassen, das alle Vorteile dieser Technik – sehr scharfe Displays mit elektronischer Tinte, extrem lange Akkureichweite und eine eingebaute Beleuchtung – bot. Mit der Weiterentwicklung des Tolino shine (99 Euro) beherrscht dieses Lesegerät nun auch die anfangs fehlenden Funktionen für Notizen und zum Nachschlagen in Lexika und Übersetzungshilfen. Aber auch Amazon hat nachgebessert. Beim Kindle Paperwhite der ersten Generation bildeten sich bei eingeschalteter Beleuchtungsfunktion am unteren Rand – dort, wo sich die Leuchtdioden befinden – unschöne Lichtschatten. In der neuen Version (129 Euro) fällt das Licht nun gleichmäßig auf das Display, so dass es in diesem Punkt Gleichstand mit dem Tolino gibt. In anderen Fragen, insbesondere der Bedienerfreundlichkeit nehmen sich die Kontrahenten ohnehin wenig. Der Kindle Paperwhite wird genauso über die Cloud synchronisiert wie der Tolino shine. Wechselt man von der Kindle-App im iPhone zum Paperwhite, so kann man genau an der Stelle weiterlesen, an der man auf dem anderen Gerät aufgehört hat. Über die Telekom-Cloud gilt dies entsprechend auch für den Tolino. In den Punkten Größe, Gewicht, Ausdauer, Griffigkeit und Displayqualität gibt es ebenfalls keine nennenswerten Unterschiede.

Für welchen E-Reader man sich entscheidet, hängt von anderen Kriterien ab. Die größte Auswahl an Büchern insgesamt – auch an kostenlosen Titeln von Klassikern – findet man bei Amazon. Nimmt man hingegen die verfügbaren deutschsprachigen Titel als Maßstab, liegen die Buchhändler mit rund einer halben Million deutscher Titel vorn. Ein gewichtiges Kriterium sind die Formate, in denen die E-Books gespeichert werden. Amazon benutzt ein eigenes Format, das von keinem anderen Anbieter unterstützt wird. Konkret bedeutet dies: einmal Kindle, immer Kindle. Der deutsche Buchhandel nutzt für den Tolino-Reader dagegen das offene ePub-Format. Es ist ebenfalls kopiergeschützt, man kann mit seinen elektronischen Büchern aber dennoch zum Beispiel von einem Tolino auf einen Kobo-Reader umziehen – oder von einem Buchhändler zum nächsten wechseln, aber dennoch seinen alten Bestand auf einem neuen Gerät übernehmen.

Die E-Book-Preise sind wegen der Buchpreisbindung kein Kriterium

Die Kosten für die E-Books sind hingegen in Deutschland wegen der Buchpreisbindung kein Entscheidungskriterium. Der Buchhandel hat indes nicht nur bei den E-Readern zurückgeschlagen. Seit Herbst machen Weltbild, Thalia, Hugendubel und Co. insbesondere Amazon auch mit Tablets Konkurrenz. Wie die E-Reader firmieren die Tablets unter dem Markennamen Tolino. Das Tolino tab 7 mit einem 7-Zoll-HD-Display kostet 179 Euro, das 8,9 Zoll große Tolino tab 8,9 mit seinem Full-HD-Display rund 250 Euro. Mit Vierkernprozessoren und 16 Gigabyte eingebautem Speicher ausgerüstet, haben sie selbst für Spiele-Apps genügend Leistungsreserven. Der Akku hält gut zwölf Stunden, das Gewicht ist mit 335 beziehungsweise 533 Gramm akzeptabel. Beeindruckend sind die Lautsprecher. Sie sind so angeordnet, dass sie beim Betrachten eines Films links und rechts des Bildes angeordnet sind und anders als bei vielen Konkurrenten nach oben weisen, um so optimalen Stereosound zu bieten. Amazon ist mit dem Kindle Fire HDX 7 und dem Kindle Fire HDX 8.9 in den gleichen Klassen unterwegs. Mit 199 Euro beziehungsweise 379 Euro für das große Fire HDX sind die Amazon-Tablets allerdings teurer. Das HDX 8.9 präsentiert sich sogar als ernsthafte Alternative zu Apples iPad Air. Mit einem Gewicht von gerade einmal 375 Gramm ist das Amazon-Tablet sogar noch einmal hundert Gramm leichter als das ohnehin schon leichtgewichtige iPad Air. Maximal lässt sich das HDX 8.9 mit 64 Gigabyte Speicher und mit schnellem LTE-Datenfunk als Ergänzung zum W-Lan konfigurieren und kostet dann 579 Euro. Mit dem 2,2 Gigahertz schnellen Vierkernprozessor und der acht Megapixel-Rückseitenkamera muss das HDX 8.9 den Vergleich mit dem iPad Air nicht scheuen; das Tablet liegt leicht in der Hand, alle Anwendungen laufen flüssig, es gibt praktisches Zubehör wie die Origami-Hülle mit Standfunktion. Stärker noch als bei den E-Readern macht sich allerdings bei den Kindle-Tablets die Amazon-Philosophie bemerkbar. Die Tolino-Tablets basieren auf dem offenen Android-System (4.2.2). Über Googles Play Store kann man sein Tablet nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen einrichten, so gut wie jede verfügbare App lässt sich auf einem Tolino installieren. Und auch bei den Medieninhalten wie Büchern, Musik, Videos sind die Tolinos offen in fast alle Richtungen. Die Kindle Fire HDX-Tablets basieren zwar auch auf Android, Amazon hat darüber aber eine eigene Benutzeroberfläche gelegt. Im Zentrum steht das Karussell der zuletzt benutzten Apps, zwischen denen sehr schnell gewechselt werden kann. Über die Menüleiste gelangt man zudem komfortabel zum Amazon-E-Book-Store, zur Amazon-Videotochter Lovefilm oder zum Amazon-Hörbuchableger Audible. Zudem versorgt Amazon die Tablets über einen eigenen App-Store, in dem anders als beim Google-Store nur geprüfte Apps Einlass finden. Der Preis für die einfache Nutzung ist, dass man in der Auswahl stark eingeschränkt ist. Es gibt zwar legale Umwege, aber dafür muss auf Nutzerkomfort verzichtet werden.

Amazon ist komfortabler, das Tolino-Projekt offener

Fazit: Amazon macht es seinen Kunden nach wie vor einen Tick leichter, Geld für E-Books, Videos, Musik und Hörbücher auszugeben. Dafür legt man sich so stark wie sonst nirgends auf einen Anbieter fest. Die Kooperation des deutschen Buchhandels bei der Tolino-Familie setzt dem eine Alternative entgegen, die in ihrer Offenheit der Formate und Systeme überzeugt und preislich wettbewerbsfähig ist.

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