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Ein Greis als als Visionär? Rupert Murdoch führt die Bezahlschranke für User seiner Konzernangebote ein.

© Reuters

Medienkonzerne: Verlage suchen die digitale Zukunft

Ausgerechnet ein 79-Jähriger hat sich zum Vorreiter aufgeschwungen, die Umsonstkultur im Netz zu beenden: Verleger Rupert Murdoch. Derartige Bemühungen gibt es auch in Deutschland.

Zunächst wusste er selbst nicht so genau, was er wollte: Als Rupert Murdoch vor drei Jahren den US-Verlag Dow Jones und damit die führende Wirtschaftszeitung "Wall Street Journal" übernahm, dachte er noch laut darüber nach, alle Zeitungsartikel im Internet kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Gebühren für Online-Inhalte wollte er am liebsten komplett abschaffen.

Inzwischen ist Murdoch davon abgerückt, mehr noch: Der Herr über News Corp., ein global operierendes Medienimperium mit Beteiligungen an zahlreichen Film- und Fernsehfirmen, Zeitungs- und Buchverlagen, ist zum glühendsten Verfechter von Bezahl-Inhalten im Internet geworden: "Qualitätsjournalismus ist nicht billig. Eine Industrie, die ihre Inhalte verschenkt, beraubt sich der Möglichkeit, guten Journalismus zu produzieren", heißt Murdochs Credo, seit er die erfolgreichen Anfänge des "Wall Street Journals" im digitalen Zeitungsmarkt beaufsichtigt.

Im Vorjahr installierte Murdoch bei News Corp. mit Jon Miller einen "Chief Digital Officer", der das Geschäft akribisch vorantreibt - nicht nur in den USA. So wurden im Juli 2010 auch bei der britischen Zeitung "The Times" und ihrer Sonntagsausgabe "Sunday Times", die ebenfalls zu Murdochs Reich gehören, Bezahlschranken aufgebaut. Seitdem kostet die Nutzung der Online-Ausgabe ein Pfund pro Tag, für ein Wochen-Abo werden zwei Pfund fällig. Das iPad-Angebot ist für knapp zehn Pfund im Monat abrufbar.

Die ersten Ergebnisse des Experiments sind ermutigend: Die Zahl der "Times"-Nutzer ist weit weniger dramatisch zurückgegangen, als einige Experten im Vorfeld prophezeit hatten. Von einem Kundenexodus von bis zu 90 Prozent war ursprünglich die Rede. Nach Angaben der Marktforscher von Nielson ist die Zahl der individuellen Nutzer (Unique Visitors) jedoch lediglich um 42 Prozent auf 1,78 Millionen pro Monat gefallen.

Für einen ersten Überblick über die aktuellen "Times"-Artikel werden noch keine Gebühren fällig. Erst wenn ein Leser einen Artikel komplett lesen oder ins Archiv schauen möchte, wird er zur Kasse gebeten. Nach Angaben von News Corp. haben sich inzwischen mehr als 105 000 Leser für den Bezahldienst entschieden. Der Konzern schlüsselt aber nicht genauer auf, ob sie einen Tages-, einen Wochenzugang oder die Monatsgebühr für ihren iPad gewählt haben. Daneben haben sich auch 100 000 Abonnenten der Printausgabe für die Nutzung der Web-Site freischalten lassen. Sie müssen über ihre Abo-Gebühren hinaus derzeit noch nichts zusätzlich bezahlen.

Beim "Wall Street Journal" reicht das Zeitungs-Abo längst nicht mehr für einen vollen Zugriff auf die Inhalte. Das Zusatzangebot "WSJ Pro", das auf der Web-Site auch Analysen und Archive aus dem Verlagshaus Dow Jones hinterlegt, lässt sich Murdoch mit 300 Dollar Jahresgebühr extra bezahlen. Dabei zeigt sich: Wer exklusive und geldwerte Informationen sucht, schreckt vor "Paid Content" nicht zurück. Mit seinen fast 450 000 kostenpflichtigen E-Papers avanciert das "Wall Street Journal" zum Vorbild einer darbenden Branche. Die Rivalin "New York Times" kommt nur auf 72 000.

Nur noch jeder dritte Erwachsene in den USA lässt sich nach Daten der New Yorker Beratungsfirma Scarborough Research eine Tageszeitung ins Haus liefern. Digitale Angebote helfen, den Abo-Rückgang abzufedern. Beim "Wall Street Journal" klappt das am besten. Während die Auflagen der US-Zeitungen im Durchschnitt um fünf Prozent weiter sinken, kann Murdochs Wirtschaftszeitung ihre Abo-Zahlen sogar gegen den Trend ausbauen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Bertelsmanns Strategie der vielen kleinen Schritte

Auf dem Höhepunkt des Internethypes um die Jahrtausendwende mischte Bertelsmann groß mit. Doch nach dem Verkauf der AOL-Anteile, die dem ostwestfälischen Familienunternehmen einen Milliardengewinn bescherten, verfiel Europas größter Medienkonzern in Sachen Internet in eine Art Dornröschenschlaf. Spektakuläre Übernahmen, große Allianzen, ehrgeizige Strategien - alles Fehlanzeige.

In der Gütersloher Konzernzentrale gibt es bis heute keine übergreifende Internetstrategie. Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski ist ein Verfechter der Dezentralität - ganz im Sinne des 2009 verstorbenen Firmenpatriarchen Reinhard Mohn. In der Praxis heißt das: Jedes Bertelsmann-Unternehmen entscheidet selbst über seine Online-Strategie. In der Praxis funktionieren die vielen kleinen Schritte in der Regel ganz gut.

Random House, weltgrößter Buchkonzern, verzeichnete im ersten Halbjahr mit seinen E-Books in den USA ein Umsatzwachstum von 300 Prozent, ähnlich in Großbritannien und Deutschland. Vorstandschef Markus Dohle, ein Vertrauter Ostrowskis aus gemeinsamen Jahren bei der Drucktochter Arvato, setzt konsequent auf digitale Medien. Das Angebot an elektronischen Büchern wurde mittlerweile auf 20 000 Titel ausgeweitet. Das Koch-App "Nigella Quick Collection" auf Englisch entwickelte sich zum globalen Bestseller auf iPhones. Auch bei Arvato spielen digitale Serviceangebote eine Schlüsselrolle. So hat der Gütersloher Mediendienstleister etwa eine halbe Million Bänder, CDs und Schallplatten für Universal Music (Abba, Karajan, U2) digitalisiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Neue Westfälische setzt auf das E-Paper als Ergänzung

Die Verlagsgruppe der Tageszeitung "Neue Westfälische" aus Bielefeld bietet das erfolgreichste E-Paper Deutschlands - eine Originalkopie der Printausgabe, die sich Nutzer im Internet anschauen können. 9 000 E-Paper-Abonnenten haben die Westfalen mit ihren drei Lokaltöchtern - mehr als jede andere Zeitung. Ihre Abonnenten können online alle Lokalteile lesen und kostenlos mit Suchworten das Archiv durchstöbern.

Das Geschäftsmodell ist bestechend: Es fallen keine laufenden Kosten an - eine Software generiert aus der Printausgabe automatisch die E-Paper-Seiten. "Bereits nach einem Jahr hat sich das Projekt gerechnet", sagt Verlagsleiter Axel Walker. Die neuen Umsätze schlagen sich fast komplett als Gewinn nieder. Die Befürchtung, Abonnenten könnten die Printausgabe gegen die preiswerte Online-Version eintauschen, haben sich nicht bestätigt. "Es gibt kaum Kannibalisierungseffekte", sagt Walker. Allerdings sind die E-Abonnements, verglichen mit der 240 000 Stück umfassenden Printauflage der Gruppe noch eher bescheiden. Ebenso die Erlöse: 2,50 Euro im Monat kostet das E-Paper, wenn Nutzer es zusätzlich zu ihrem Print-Abo bestellen. Das ist bei 96 Prozent der E-Abonnenten der Fall. Das Solo-Abo im Web ist mit 15,90 Euro zwar acht Euro billiger als die Printversion, hat aber kaum Nutzer gefunden.

Das E-Angebot der "Neuen Westfälischen" gibt es mittlerweile seit drei Jahren. Einen künftigen Boom erwartet Walker nicht. "Die Zeit der massiven Zuwächse ist vorbei", sagt er. Die humanen Preise hat er an der lokalen Konkurrenz ausgerichtet - das "Westfalenblatt" bietet zu ähnlichen Tarifen ebenfalls ein eigenes E-Paper an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das Wirtschaftsblatt in Wien will "den Lesern Zeit geben"

Die Österreicher sind bei bezahlten Internetinhalten recht weit vorangekommen, vor allem beim "Wirtschaftsblatt". Im Februar hat die Wiener Finanztageszeitung, die zum großen Regionalzeitungsverlag Styria gehört, Bezahlschranken eingeführt. Etwa 70 Prozent des Internetangebots sind weiter kostenfrei. Geld kosten Spezialanalysen, tiefgehende Hintergrundberichte und Branchenreports. In den kommenden Jahren wollen die Wiener den Anteil der verschlüsselten Berichte auf 50 Prozent erhöhen.

Die Kosten für das Onlineabonnement sind noch ziemlich günstig. 9,80 Euro im Monat müssen die Leser bezahlen, wenn sie die verschlüsselten Artikel lesen wollen. Ein Jahresabo der gedruckten Zeitung kostet mit 385 Euro mehr als dreimal so viel.

Mehrere Hundert Online-Abonnenten zählt der Verlag mittlerweile. Der große wirtschaftliche Erfolg ist das angesichts des niedrigen Preises noch nicht. Alexis Johann, Geschäftsführer von Wirtschaftsblatt-Digital, ist trotzdem zufrieden: "Die Leser müssen sich erst an dieses Angebot gewöhnen", sagt er. Daher habe sich das "Wirtschaftsblatt" auf eine längere Anlaufphase vorbereitet. Und trotz Bezahlschranken ist es den Österreichern gelungen, die Zahl der Nutzer zu steigern. Im August wurden 327 000 Nutzer registriert - 49 000 mehr als zwölf Monate zuvor. "Wirtschaftsblatt"-Geschäftsführer Hans Gasser ist überzeugt, dass Paid Content auf Dauer funktionieren wird. "Die Entwicklung des Internets ist das Beste, was der Zeitungsbranche passieren konnte", sagt er. Die Verschlüsselung beim "Wirtschaftsblatt" habe dazu geführt, dass Online-Leser die Artikel wieder als werthaltig erachteten.

Quelle: Handelsblatt

M. Eberle, S. Louven, S. Menzel, H.-P. Siebenhaar, K. Slodczyk

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