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Google vergisst - allerdings nicht einmal die Hälfte.

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Update

Recht auf Vergessenwerden: Google bewilligt nicht einmal jeden zweiten Löschantrag

Google hat europaweit nur 42 Prozent der beantragten Links aus der Suche gelöscht. Besonders niedrig ist die Quote in Italien, wo nur jeder vierte Antrag erfolgreich war. Ex-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger warnt vor zu vielen Löschungen.

Europaweit hat Google in den zurückliegenden fünf Monaten nur knapp 42 Prozent aller Anträge auf Löschung von Treffern aus den Ergebnissen der Google-Suche stattgegeben. Insgesamt sind seit Mai bei Google 144 907 Ersuchen nach dem EuGH-Urteil zum Recht auf Vergessenwerden eingegangen, die 497 500 Internetadressen betrafen. 58,2 Prozent dieser URLs wurden nicht aus den Ergebnislisten gelöscht. Das geht aus dem am Freitag von Google veröffentlichten Transparenzbericht über die eingegangenen, bewilligten und abgelehnten Anträge auf Löschung von Treffern aus der Google-Suche. Der Europäische Gerichtshof hatte im Mai festgelegt, dass Suchmaschinen wie Google nach einer Prüfung Internetlinks aus der Suche entfernen müssen, wenn dies von einem Antragsteller gefordert wird.

Die Löschquote weicht in den einzelnen EU-Ländern stark voneinander ab. In Frankreich waren 51,5 Prozent der Anträge erfolgreich, in Deutschland sogar 53,1 Prozent. Dagegen wurden in Großbritannien nur 35,4 Prozent der URLs aus den Suchergebnissen entfernt. In Spanien lag die Quote bei 34,1 Prozent und in Italien bei 24,2 Prozent. Bei der Prüfung der Ersuchen hat Google nach eigenen Angaben die Datenschutzrechte der Einzelpersonen gegen das öffentliche Interesse an der Information abgewogen.

Wann kommt die unabhängige Schlichtungsstelle?

Dass die Hoheit über die Prüfung bei Google liegt, wurde unter anderem von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) kritisiert, der sich für eine unabhängige Schlichtungsstelle eingesetzt hat. An dieser Haltung ändere auch der aktuelle Bericht von Google nichts, hieß es im Bundesinnenministerium. In der europäischen Datenschutzgrundverordnung, die derzeit verhandelt wird, müsse eine Regelung gefunden werden. In der Zwischenzeit, so ein Ministeriumssprecher, müsse mit Hilfskonstruktionen gearbeitet werden.

"Der Europäische Gerichtshof hat uns die Aufgabe übertragen, über die Löschanträge  zu entscheiden. Wir sind mit der Situation, dass wir als Richter fungieren müssen, alles andere als glücklich“, sagte ein Google-Sprecher dem Tagesspiegel. Von dem   Expertenrat, an dem unter anderem die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales beteiligt sind, erhofft sich Google eine grundsätzliche Diskussion, wie künftig mit dem Recht auf Vergessen und den Löschanträgen umgegangen werden soll. Für die Bearbeitung der Löschanträge hat Google mehrere Dutzend neue Beschäftigte eingestellt, die überwiegend in der  Europazentrale in Irland sitzen. Bei ihnen handelt es sich um  Muttersprachler, die die Anträge aus den jeweiligen Ländern bearbeiten. „Die Mitarbeiter  haben  alle die gleiche Einweisung erhalten, so dass die unterschiedlichen Quoten über die Bewilligung und Ablehnung der Anträge ausschließlich mit den eingereichten Anträgen zu erklären sind“, sagte der Google-Sprecher.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, dass sich das Gremium nicht mit einzelnen Anträgen befasst habe. "Wir erarbeiten Guidelines für künftige Entscheidungen", sagte sie dem Tagesspiegel. Es gehe prinzipiell um das Spannungsfeld zwischen der Privatheit einer Person und dem öffentlichen Interesse. "Meine Besorgnis ist, dass stärker zu Lasten der Meinungsfreiheit entschieden wird, um dem Anspruch auf Privatheit Vorrang zu gewähren", sagte die ehemalige Justizministerin weiter. Allerdings sei die aktuelle Quote sehr ausgeglichen. "Das Urteil läuft mit dieser Quote nicht ins Leere", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

In ihrem Transparenzbericht nennt Google einige Beispiele für unterschiedliche Entscheidungen über eingegangene Löschungsersuchen. So wurde der Antrag einer Frau in Italien bewilligt. In diesem Fall wurde ihr Name in einem Artikel über den Mord an ihrem Mann vor zehn Jahren genannt. Ein Finanzfachmann aus der Schweiz wollte mehr als zehn Links entfernen lassen, auf denen über seine Verhaftung und Verurteilung im Zusammenhang mit Finanzdelikten berichtet wird. Google hat dieses Ersuchen abgelehnt. Bei einem Vergewaltigungsopfer aus Deutschland wurde der Link zu einem Zeitungsartikel, in dem über die Tat berichtet wurde, hingegen gelöscht. Zugleich veröffentlicht Google in dem Bericht, zu welchen Webseiten besonders häufig Links aus den Suchergebnissen entfernt wurden. An erster Stelle steht Facebook mit insgesamt 3331 entfernten Verweisen. Ebenfalls häufig betroffen waren: Youtube (2393 Links), Badoo (2198), Yasni.de (1558).

Der Transparenzbericht im Netz unter www.google.com/transparencyreport/removals/europeprivacy/

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