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Jede Menge SmartDingse: Auf der CES in Las Vegas wurde der digitale Mensch der Zukunft beworben.

© dpa

Richard Gutjahr: Mutter weiß, was gut für uns ist

Smarte Zahnbürsten analysieren die Zahnpflege, eine smarte Nachttischlampe kontrolliert das Schlafverhalten, die SmartWatch misst den Blutdruck. Man muss kein Paranoiker sein, um sich vor dieser Zukunft zu fürchten.

Vergessen Sie Big Brother. Vergessen Sie die NSA. Jetzt kommt Mutti, die Mutter aller Großen Brüder. Mutter weiß alles. Behauptet sie jedenfalls von sich. „Mother“ ist eine Erfindung, die gerade auf der weltgrößten Unterhaltungselektronik-Messe in Las Vegas, der CES, vorgestellt wurde. Das 20 Zentimeter große weiße Plastik-Gespenst, eine Mischung aus Alessi-Birne und Barbapapa, ist vollgepackt mit Elektronik und soll unser Leben schöner machen.

Und das geht so: Angeschlossen an unser Heimnetzwerk macht Mutti das, was Mütter eben so tun: Sie schnüffelt hinter uns her, überwacht jeden unserer Schritte und gibt zwischendurch immer wieder schlaue Ratschläge. Sie registriert zum Beispiel, wie lange wir morgens im Bad brauchen, ob wir uns genug bewegen oder Redtube-Pornos im Internet gucken. Sie misst die Raumtemperatur, beobachtet unsere Essgewohnheiten, erinnert uns daran, pünktlich unsere Medikamente zu nehmen.

Möglich machen das elektronische „Kekse“, die man überall in der Wohnung verteilt, respektive in der Hosentasche trägt. Diese Sensoren sind per Funk mit dem Mutterschiff verbunden und petzen Mutti rund um die Uhr, was wir gerade treiben. „Mother ist der erste Vorbote dafür, wie das Internet der Dinge eines Tages unser Leben bereichern wird“, sagt Rafi Haladjian, Entwickler des Geräts, also der Vater von Mutter und damit unser Opa.

Auch sonst dreht sich auf der CES dieses Jahr alles um allerhand schlaue Geräte. SmartDingse, die uns auf Schritt und Tritt beobachten und die permanent ihre Daten über uns miteinander austauschen: Die elektronische Zahnbürste wird zur SmartBrush, analysiert, wie gut wir uns die Zähne geputzt haben und vergibt anschließend Punkte. Diese können via Bluetooth (höhö!) von der NSA, oder gar, besonders heimtückisch, von der AOK abgerufen werden. Man stelle sich die Schlagzeilen aus dem Jahr 2017 vor: „Kanzlerin ohne Goldkrone – Zahnbürste von Angela Merkel gehackt!“.

Damit nicht genug: Im Schlafzimmer der Zukunft überwacht die Nachttischlampe „Aura“ mittels Geräusch- und Bewegungssensoren unser Schlafverhalten. Punkte vergibt sie dabei keine. Und doch dürfte die Frage „Wie war ich, Schatz?“ damit genauso der Vergangenheit angehören wie die Frage „Wo warst du letzte Nacht?“. Die SmartWatch am Handgelenk des Partners misst nämlich nicht nur Blutdruck, Puls und Atmung, sondern dient der misstrauischen Ehefrau auch als Lügendetektor.

Schlaue Turnschuhe, funkendes Essbesteck, Bügeleisen, mit denen man telefonieren kann – Sie fragen: Wozu der ganze Kram? Ich bitte Sie! Erste Regel im Neuland: Fragen Sie niemals, wozu etwas gut ist. Fragen Sie nach Speicherkapazität, Akkulaufzeit oder meinetwegen nach den Erweiterungsmöglichkeiten – aber niemals, niemals nach dem Sinn! Wenn ein neues elektronisches Spielzeug auf den Markt kommt, kaufen Sie es einfach. Punkt. Benutzen Sie es. Doppelpunkt. Geben Sie damit vor Ihren Freunden an. Ausrufezeichen. Alles andere erledigt Mutter. Denn Mutti weiß am besten, was gut für uns ist.

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