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Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

© dpa

Überwachung: Datenschützer Schaar will Ermittlern Vorratsdaten geben

Wer kommuniziert wann mit wem? Der Datenschutzbeauftragte Schaar will mit Quick Freeze Plus Verbindungsdaten speichern. Kritiker sind entsetzt über Schaars Sinneswandel und die "Vorratsdaten light".

Eine Vorratsdatenspeicherung von maximal zwei Wochen – das ist das Kompromissangebot, mit dem der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar den Streit zwischen Justizministerium (FDP) und Innenministerium (CDU) über das Thema schlichten will. Bislang sollten sämtliche Verbindungsdaten digitaler Kommunikation in Deutschland sechs Monate lang gespeichert werden – zumindest bis das Bundesverfassungsgericht ein entsprechendes Gesetz im März stoppte.

Seitdem wünschen sich das Innenministerium und allen voran das Bundeskriminalamt ein neues Gesetz, das die Vorgaben der Verfassungsrichter berücksichtigt. Das dafür zuständige Justizressort allerdings will es nicht verfassen. Zumindest solange nicht, wie auf EU-Ebene noch überlegt wird, wie es mit der Vorratsdatenspeicherung überhaupt weitergehen soll.

Die deutsche Vorratsdatenspeicherung basiert auf einer Richtlinie der EU-Kommission. Diese hatte jedoch vor einiger Zeit angekündigt, sie wolle noch einmal grundsätzlich über das Verfahren nachdenken, denn es sei übereilt beschlossen worden und solle evaluiert werden. Bislang hat die Kommission keine Ergebnisse vorgelegt.

Nun ist der Bundesdatenschützer umgefallen – und damit einer der wichtigsten Kritiker einer solchen Regelung. Und nicht nur er. Auch in den Ländern gibt es Datenschützer, die seine Position teilen. Die Haltung dahinter: keine alles-oder-nichts-Position einnehmen, sondern nach einem Kompromiss suchen.

Aus Sicht von Schaar genügt eine 14-tägige Speicherung der Internet-Verkehrsdaten. In der Mehrzahl der Fälle sei es damit möglich, zu ermitteln, wem eine bestimmte IP-Adresse gehört, sagte Schaar laut taz bei einem Symposium in Triberg: "Eine Mindestspeicherung der Daten von ein bis zwei Wochen ist ein viel geringerer Eingriff als eine sechsmonatige Speicherung." Auch will er dem Vernehmen nach nicht alle bisher geplanten Verbindungsdaten speichern, sondern nur einen Teil, vor allem aber die IP-Adresse, mit der sich ein Rechner identifizieren lässt.

Schaar hatte diese Haltung schon vor Kurzem in seinem Blog eingenommen. Dort schrieb er Anfang Oktober 2010, er wolle einen Vorschlag in dem festgefahrenen Streit machen und nannte diesen Quick Freeze Plus. Quick freeze oder schnelles Einfrieren wird in Ländern wie den USA verwendet, um Verbrechen im Netz aufzuklären. Im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung greift dieses Verfahren erst, wenn die Tat erfolgt ist. Die Polizei bittet dann die Provider im Rahmen ihrer Ermittlungen, bestimmte Verbindungen zu überwachen und zu speichern. Anschließend muss sie eine richterliche Verfügung vorlegen, um die Daten auch ausgehändigt zu bekommen. So würde es auch in Deutschland laufen.

Doch Vorratsdaten würden ständig gespeichert, ob ein Verbrechen begangen wurde oder nicht. Will die Polizei ermitteln, kann sie mit ihnen rückwirkend suchen. Das ist aus Sicht der Beamten ein enormer Vorteil. Gleichzeitig aber ist es ein Eingriff ins Grundgesetz, weil damit zumindest theoretisch jeder zu einem potenziellen Verdächtigen wird.

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Die Grünen sind daher, gelinde gesagt, entsetzt. Denn es geht nach ihrer Meinung bei dem Thema nicht darum, wie lange die Daten gespeichert werden. Das Verfahren an sich, die anlasslose Speicherung aller Daten von allen Bürgern, ist das Problem. So sehen es die meisten Kritiker.

"Wir sind gegen die anlasslose Totalprotokollierung von Telefon-, Internet- und Handydaten", sagt Malte Spitz vom Bundesvorstand von Bündnis90/Die Grünen. "Für uns geht es nicht um das Wie, sondern um das Ob der Vorratsdatenspeicherung."

Ähnlich argumentiert der Chaos Computer Club (CCC), der unter anderem mit technischen Gutachten die Klage gegen die Vorratsdaten unterstützt hatte. Constanze Kurz vom CCC sagt: "Nur weil einige verfassungsvergessene Politiker seit Monaten von einer Schutzlücke schwadronieren, ist das kein Grund für eine 'Vorratsdatendatenspeicherung light'. Das Problem an einer Vorratsdatenspeicherung auch mit verkürzter Speicherfrist ist doch, dass dadurch nur ein kleiner Teil der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Probleme gelöst würde."

Kurz bemängelt auch, das von Schaar vorgeschlagene Quick Freeze Plus sei dem Namen nach "irreführend". Denn Quick Freeze bedeute das nachträgliche Einfrieren der Daten, nicht das präventive Speichern. "Aus Quick Freeze Plus kann im Handumdrehen ein 'Quick Freeze Doppel-Plus' werden, da die Überwachungsinfrastruktur dann schon für teures Geld installiert ist."

Dass diese Befürchtung nicht ganz unbegründet ist, zeigt die Reaktion der Union. Sie begrüßt den Vorschlag. Thomas Jarzombek von der CDU-Bundestagsfraktion sagt, für eine effektive Strafverfolgung sei ein "realistischer Zeitrahmen" nötig. Der Vorschlag Schaars sei daher durchaus "ein Fortschritt und ein Schritt in die richtige Richtung". Zumindest wenn man darüber reden könne, "ob zwei Wochen oder vier Monate der richtige Zeitraum ist".

Diese Äußerung zeigt, dass mit Schaars Vorschlag das Tor zur Wiedereinführung der bisherigen Regelung geöffnet wäre. Noch dazu, da der von Schaar angedachte Zeitrahmen aus Sicht der Polizei nicht unbedingt ein Gewinn ist. Denn glaubt man Providern, bezieht sich ein großer Teil der polizeilichen Speicheranfragen auf Vorgänge, die Monate zurück liegen. Der Zeitraum von zwei Wochen würde nicht genügen, um die von Polizei und Union behauptete "Schutzlücke" zu schließen.

Kurz sagt dazu: "Da schon heute klar ist, dass die zweiwöchige Totalerfassung wenig für den Ermittlungsalltag bringt, werden die Sicherheitshysteriker schon nach kurzer Zeit das Argument vorbringen, dass man die Speicherzeit verlängern müsse." Vorratsdaten seien daher generell abzulehnen.

So scheint es auch das Justizministerium zu sehen. Dort heißt es, gespeichert werden dürfe nur bei einem konkreten Verdacht. Die Haltung von Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dazu sei eindeutig und habe sich nicht geändert: Eine anlasslose Datensammlung werde man nicht unterstützen.

Quelle: Zeit Online

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