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Vom Netz genommen (2): Wie halten wir es mit der Religion? Der Papst-Rücktritt in der Debatte

Schon wieder Papst!? Markus Hesselmann greift das meistdiskutierte Thema der Woche gern noch einmal auf. Zumal Religion immer ein spannendes, aber schwieriges Debattenthema ist.

Von Markus Hesselmann

Die Woche begann mit einem klaren Sieg: Für Hertha. Und für Union. Quatsch, werden Sie jetzt sagen, der hat keine Ahnung vom Fußball, das Berliner Derby endete unentschieden, es gab keinen Sieger. Doch, beide zusammen, Hertha und Union: Auf Tagesspiegel.de hat nämlich unser Live-Blog zum Derby unseren Live-Blog zum Papst-Rücktritt geschlagen, und zwar deutlich. Knapp 43.000 mal wurde der Derby-Blog aufgerufen, gut 17.000 mal der Benedikt-Blog. Da ich am Papst-Blog beteiligt war - und vielleicht auch, weil die Zahl der Aufrufe auch da für sich genommen gar nicht schlecht ist -, gestehe ich meine Niederlage gern ein.

Alles in allem aber war der Amtsverzicht Benedikts XVI. das beherrschende Thema der Woche. Für die Tagesspiegel-Community wie für die Internet-Gemeinde insgesamt. Die Eilmeldung zum angekündigten Rücktritt etwa wurde bei uns fast 34.000 mal aufgerufen. Mit Hunderten von Leserkommentaren zu verschiedenen Tagesspiegel-Texten zum Thema war der Papst-Rücktritt das meistdiskutierte Thema in dieser Woche. Auch bei Twitter war der Papst sehr präsent: Der Branchendienst "Meedia" hat rund 61.000 Tweets zum Papst-Thema allein in Deutschland in den ersten 24 Stunden nach der Rücktrittsankündigung gezählt. Als Vergleichsgröße zieht "Meedia" den Hashtag #aufschrei heran, der mit großer Resonanz Stimmen zur Sexismus-Debatte versammelte und es in den ersten in 24 Stunden auf rund 40.000 Tweets brachte.

Ob man dem Papst und der katholischen Kirche nun ablehnend, kritisch oder begeistert gegenübersteht: Am Ende interessiert das Thema sehr viele Menschen. Entsprechend bunt und kontrovers verliefen auch unsere Debatten: Kritisch, ironisch - aber auch respektvoll gegenüber dem Menschen Joseph Ratzinger und seiner Leistung als Pontifex.

Dass man das, was Benedikt repräsentiert, kritisieren und dennoch Respekt haben kann, beweist unser Leser "Tobi_A": "Egal wie kritisch man der Katholischen Kirche gegenübersteht", schreibt er, "der mutige Schritt des Papstes als Mensch verdient trotzdem gewisse Anerkennung. Allzu oft bleiben Mächtige heute unbeirrt an ihren Posten kleben. Das hat der Papst besser gemacht, er geht, weil er merkt dass er nicht mehr kann. Auch ist sein Rücktritt eine wenn auch realistischerweise eher kleine Chance, dass Vertreter einer etwas weniger erzkonservativen Linie in der Katholischen Kirche künftig mehr zu sagen haben."

Ein weiterer differenziert kritischer Kommentar kommt von "TomSchoeneberg": "Wenn der Papst dann wieder Joseph Aloisius Ratzinger sein darf und sich der Einkehr und dem Gebet widmen wird, wird er hoffentlich erkennen, wie tragisch sein Pontifikat war. Nicht nur kirchenferne Menschen sind enttäuscht, sondern eine große Masse der Katholiken selbst, die sich mehr erhofft haben vom Papst. Ein Pontifikat, das geprägt war von Erwartungen und Enttäuschungen und uneingelösten Versprechen. Und wenn John Kelly von der irischen Selbsthilfegruppe der Opfer von Kindesmissbrauch in katholischen Einrichtungen zur Rücktrittsankündigung Benedikts XVI. sagt: 'Dieser Papst ... versprach alles und lieferte am Ende nichts', ist das einer von vielen Belegen für das Versagen von Joseph Aloisius Ratzinger als Papst Benedikt XVI."

Und dann war da noch die für ein Berliner Portal wohl typische Frage, warum wir uns denn in der Atheismus-Hauptstadt überhaupt so stark mit dem Papst und seinem Rücktritt befassen. "Ja und?", fragt unser Leser "ach". "Ist das jetzt so wichtig, dass man dem Thema einen Liveblog widmen muss? Dachte, der Tagesspiegel wäre ein Medium aus Berlin...." Unser Leser "ickeselba" fragt: "Live-Ticker? Geht's noch? Im Rheinland geben dieser Tage hunderte Dreigestirne ihre Ämter auf. Ein ähnlich relevanter Vorgang."

Unsere Antwort: Weil wir die Relevanz der katholischen Kirche als weltumspannende, jahrtausendealte Institution sehen und weil wir uns vorstellen können, dass das Thema unzählige Menschen interessiert, womöglich gerade die mit kritischer Haltung. Das sieht zum Beispiel auch unser Leser "Llanowhar" so, der seinem Kommentar noch Kritik an uns Journalisten und unserer sonstigen Themenauswahl beimischt: Die Beschwerden über die ausführliche Berichterstattung könne er nicht nachvollziehen. "Wenn dem Publikum schon irgendwelche drittklassigen Pseudoprominenten in Camps oder Arbeitsbeschaffungsshows wochenlang Aufmerksamkeit aufgezwungen wird, warum dann nicht auch die Berichterstattung über eine Institution, hinter der sich hunderte von Millionen Menschen verbergen."

Ein Punkt am Rande vielleicht noch: Wenn wir uns dafür entscheiden, einen Live-Blog zum Papst aufzulegen, dann wissen wir zwar, dass wir ein Portal aus dem wenig katholischen Berlin sind. Aber wir wissen auch, dass unsere Leserinnen und Leser zu mehr als zwei Dritteln von außerhalb Berlins auf unsere Seite zugreifen.

Für ironische Kommentare bietet sich der Papst als prominent-pompöse, kontroverse Figur nachhaltig an - überall im Internet und auch in unserem Forum. "Habemus papam", schreibt Leserkommentator 2010ff und weiß schon, wer der neue Papst wird. Ein durchaus würdiger Herr, noch dazu der nächste Pontifex aus Bayern. Wer gemeint ist, sehen Sie hier.

Leserkommentator "teckelchen" hat derweil eine eigene, exklusive "+++ Blitzmeldung +++" aufgelegt: "Kanzlerin Merkel spricht Papst Benedikt in letzter Minute noch ihr "vollstes Vertrauen" aus!" Den Bezug zum Schavan-Rücktritt und Merkels Scheinheiligkeit hat auch unser Karikaturist Klaus Stuttmann gern aufgegriffen.

Unser Leser "Changnoi" sieht - wie es sich beim Tagesspiegel gehört - eine Verbindung zu Berlin: Benedikts Amtsverzicht als Papst sei doch nur ein "taktischer Rückzug". Denn jetzt übernehme er die "Gesamtleitung für BER, er hat die allerbeste Connection zum Himmel".

Bei religiösen Themen ist die Moderation der Leserkommentare - wie immer werden alle gelesen, bevor wir sie (allermeistens) freischalten oder eben (manchmal) auch nicht - noch etwas diffiziler als sonst. Unsere Moderatoren versuchen schon darauf zu achten, dass religiöse Gefühle nicht verletzt werden, natürlich nicht nur bei Katholiken, sondern auch bei Protestanten, Muslimen, Juden etc. Gleichzeitig muss es aber immer erlaubt sein, Religiöses hart zu kritisieren, gern auch den Papst, seine Haltung, die Institution, die er vertritt. Auch religiöse Inhalte dürfen und sollen frei debattiert werden - allerdings auch hier wieder ohne Pauschalisierungen, Herabwürdigungen, Unterstellungen. Wer eine Religion pauschal attackiert, attackiert immer auch eine ganze Gruppe von Menschen, das sollte allen Kommentatoren bewusst sein.

Leserkommentator "Nordneukoellner" warf dazu die Frage auf, ob denn bei uns wohl einige Religionen mehr kritisiert oder veralbert werden dürften als andere: "Fein eigentlich, dass man hier so offen, albern, kritisierend und respektlos auf einer katholisch-christlichen Institution rumhacken darf einschl. der repräsentierenden Person. Man stelle sich Ähnliches zum Islam vor ... Da wäre schon die Zensur vor."

Unser Moderator Johannes Groschupf hat sich daraufhin wie folgt in die Debatte eingeschaltet: "Wir veröffentlichen zu einem großen Teil auch Kritik am Islam, ob sachlich, albern oder polemisch. Wer den einschlägigen Diskussionen in diesen Foren folgt, weiß das. Wir greifen nur dann ein, wenn die Kritik beleidigend oder diffamierend wird. (Und werden dann naturgemäß als Zensoren gescholten). Die Meinungsfreude unserer User ist uns wichtig."

Dem ist von mir nichts hinzuzufügen.

Und jetzt sind Sie wieder dran, liebe Leserinnen, liebe Leser: Halten Sie unsere Papst-Berichterstattung für gelungen oder nicht? War sie zu umfangreich oder womöglich sogar zu knapp - schließlich kommt ja der tatsächliche Rücktritt Benedikts noch auf uns zu... Sollten wir grundsätzlich mehr oder weniger über religiöse Themen berichten? Wie nähert man sich am Besten einem religiösen Thema in einer Debatte? Moderieren wir dabei zu streng oder zu nachsichtig? Kommentieren und diskutieren Sie mit. Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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