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Vom Netz genommen (6): Habemus Mehdorn

Nicht mit dem neuen Papst, sondern mit dem neuen BER-Chef befasst sich Markus Hesselmann in der Debattenkolumne "Vom Netz genommen". Das Vorpreschen für Tegel hat Hartmut Mehdorn viel Kritik, aber auch Lob eingebracht. Soll - und kann - der innerstädtische Flughafen tatsächlich in Betrieb bleiben?

Von Markus Hesselmann

Wie wir über Papst und Religion debattieren, war hier ja schon unlängst Thema, deshalb wage ich trotz der jüngsten Großereignisse im Vatikan, mich einem anderen Herrn zuzuwenden, der diese Woche geprägt hat und Berlin deutlich näher steht. Auch dieser Herr ist von den Ambitionen her durchaus papabel, wenn auch vom Auftreten her nicht ganz so demütig wie der neue katholische Oberhirte Franziskus. Die Rede ist von Hartmut Mehdorn.

Der frühere Bahn- und zwischenzeitliche Air-Berlin-Chef ist eine der diskursiven Monumentalfiguren, die unsere Community immer wieder zu Höchstleistungen antreibt. Vergleichbar bestenfalls noch mit Claudia Roth, Thilo Sarrazin, Sahra Wagenknecht oder Heinz Buschkowsky. Wenn dann durch die späte Karrierewendung des Großmanagers Mehdorn noch das Dauerthema BER hinzu kommt und durch einen fast schon schabowskihaft vorzeitigen Worterguss von ihm überdies eine Offenhaltung des Alt- und Symbolflughafens Tegel überraschend in Aussicht gestellt wird, dann geht es rund bei uns im Forum. Gut so, wir freuen uns über lebhafte Debatten.

Und es ergibt sich dabei ja auch immer Spannendes, Anregendes und natürlich Kritisches - gern auch über den Tagesspiegel. Leser "tca" etwa findet, dass sich der Tagesspiegel einseitig dafür einsetzt, Tegel offen zu halten: "Herr Mehdorn könnte doch zur Abwechslung mal darüber nachdenken am BER einen 24-Stunden Betrieb zu wollen. Oder den Schallschutz für die Anwohner ganz wegzulassen", schreibt "tca" in seinem Kommentar. Ob denn der Tagesspiegel dafür dann "auch tagelang Werbung machen" würde und "so tun, als ob man Fakten, die im PFB (Planfeststellungsbeschluss, Anm. d. Red.) festgeschrieben sind, einfach nur nochmal ein bisschen diskutieren müsste, um sie dann beliebig zu ändern?"

Andere Leser weisen allerdings darauf hin, dass Gesetze und Beschlüsse keineswegs in Stein gemeißelt sind und geändert werden können. Leserkommentatur "plus8" versucht, der formaljuristischen Fraktion mit Common Sense beizukommen: "Ehrlich gesagt ist schlicht die Zeit über die Argumente des Planfeststellungsbeschlusses hinweg gegangen. Und nur einem Beschluss (= Konsensbeschluss) zu folgen, der bald 20 Jahre alt ist und über den die Verhältnisse hinweg gegangen sind, erscheint ebenso töricht. Folgt man also dieser rechtlichen Bindung nicht mehr, dann ist dies schlicht gesundem Menschenverstand geschuldet. Angewandt auf die Berliner Verhältnisse heißt das für mich, Tegel offen zu lassen."

Am Ende sind sich zwar viele Juristen einig: Mehdorns Idee ist abwegig, doch auch ich würde nicht mein Hab und Gut darauf verwetten, was in Berlin in Sachen Flughafen und Flughäfen künftig noch alles für möglich und unmöglich erklärt wird. Ich halte es im Sinne einer offenen Debatte jedenfalls für wichtig, das fröhliche Argumentieren nicht von vorneherein wegen eines formalen Status Quo aufzugeben. Denn so stirbt Kreativität.

Wie auch immer, in unserer Redaktion ist eine ganze Reihe von Kollegen wie Mehdorn dafür, Tegel so lange wie nur irgend möglich offen zu halten. Eine vorgegebene Linie der Kommentierung gibt es dazu nicht - wie immer beim Tagesspiegel. Ich selbst mag auch die kurzen Wege auf diesem äußerst komfortablen innerstädtischen Airport, bin aber trotzdem für dessen baldige Schließung. Ich möchte mir nämlich nicht ausmalen, welche Folgen ein Flugzeugunglück über derart dicht besiedeltem Gebiet hätte. Musste man zu Mauerzeiten dieses Risiko eingehen, so wäre es jetzt leichtfertig, es zu ignorieren.

Leserkommentator "orbital" plädiert für die Schließung und geht dabei auch über die juristische Debatte hinaus:

"Ohne die rechtliche Bindung und den Bezug zur Betrieberlaubnis des BER aufzugreifen, gibt es dafür auch sachliche Gründe:

- Die Innenstadtlage birgt auf Dauer ein sehr hohes Risiko: Abstürze, Anwohnerklagen - Ein Weiterbetrieb nur in kleinem Rahmen ist nicht rentabel, da der ganze Flughafen offengehalten werden muss - Die Kapazität wird langfristig nicht benötigt: München z.B. wickelt seit Jahren auf einem einzigen Airport deutlich mehr Verkehr ab als in Berlin je sein wird. Das funktioniert wirklich sehr gut. - Abgesehen davon ist Tegel extrem heruntergewirtschaftet, modernisierungsbedürftig und bietet nicht einmal einen Bahnanschluss. Willkommen in der dritten Welt!

Für Tegel sprechen emotionale, nostalgische und politisch forcierte Gründe. Mit der realen Welt hat das wenig zu tun."

Und jetzt sind Sie wieder dran, liebe Leserinnen, liebe Leser. Was meinen Sie zur Causa Tegel? Was halten Sie von Hartmut Mehdorn und seinem Start als neuem BER-Chef? Und haben Sie auch das Gefühl, dass sich der Tagesspiegel beim Flughafen Tegel zu einseitig positioniert? Haben Sie womöglich auch bei anderen Themen den Eindruck? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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