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© AFP

Web 2.0: Du musst leider draußen bleiben

Auf Facebook, StudiVZ und Xing tanzt die Masse. Doch gibt es immer mehr elitäre Netze, die mit ihren Partys, ihren Jobangeboten und ihren Babys unter sich bleiben wollen.

Wer auf die Seite INmobile.org geht, bekommt es gleich vor den Latz geknallt: Acces denied – Zugang verboten. Laut Selbstauskunft füttern sich hier über 2000 Führungskräfte aus der Welt des Mobilen Lebens gegenseitig mit elitärem Wissen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, versteht sich. Der größte Teil der Mitglieder, knapp 35 Prozent, hat immerhin einen Posten als stellvertretender Unternehmensleiter inne. Ein Viertel hat ein eigenes Start-up auf den Weg gebracht, weitere 18 Prozent der Mitglieder sind Geschäftsführer oder gleich die Firmenlenker höchstpersönlich. Man will unter sich bleiben. Eine Premiummitgliedschaft kostet 350 Dollar im Jahr.

Angeblich wird dafür relevantes Wissen und Vitamin B ausgetauscht. "Mir gefallen die Themen der Foren und ich freue mich, von euch allen lernen zu können", lässt sich ein Mitglied auf der Startseite zitieren, das bei einem Kommunikationsanbieter für das operative Geschäft zuständig ist. "Ich habe mich bereits mit ein paar Leuten aus der Vergangenheit verbunden. Sehr nützlich", schreibt ein stellvertretende Geschäftsführer eines Medienunternehmens. Wer sich um eine Mitgliedschaft bewirbt, wird gebeten, sich eine Woche lang zu gedulden, man will die Kandidaten prüfen. Wie die Daten untersucht werden, verrät die Seite nicht.

Dass Vitamin B nützlich sein kann, ist mehr als eine Redensart, das legt auch eine aktuelle Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) nahe. Ihr zufolge kommen 30 bis 40 Prozent aller Jobsuchenden heute durch persönliche Verbindungen an einen Arbeitsplatz. Deutlich im Vorteil ist, wer dabei nicht in Allerwelts-Kontakten fischen muss, sondern elitäre Netze zur Verfügung hat: In der analogen Welt heißen sie Lions Club, Rotary oder Kiwanis. Und in der digitalen Welt eben INmobile oder Affluence.org.

Oder asmallworld.net. Dort braucht man sich gar nicht erst zu bewerben, wenn man noch keine Kontakte hat. Die persönliche Einladung ist Bedingung. Und zwar von einem der anderen "kulturell einflussreichen Menschen", die asmallworld zu seinen Mitgliedern zählt. Immerhin verrät das Netzwerk in einem öffentlichen Blog ein wenig über diese Menschen: Zum Beispiel über Muna AbuSulayman, laut Eigenwerbung ein "wunderschöner Star aus Saudi Arabien und junger Global Leader". Oder Sasha Lazard, die "Königin der Rock Opera". Nie erfahren wird man indes, ob die "kulturell einflussreichen" Mitglieder ihre Après-Ski-Partys tatsächlich in Kitzbühel und Cortina feiern, wie auf der öffentlich zugänglichen Seite zu lesen ist.

Hinter den verschlossenen Türen tauschen sich die Mitglieder nicht nur über exklusive Reiseziele aus, sie handeln in den Kleinanzeigen auch mit Luxusyachten oder Ferien-Ressorts. Und geradezu fantastische Geschäfts- und Jobmöglichkeiten sollen sich dort bieten.

Lange wurde die demokratische Offenheit des Netzes gepriesen: In der jeder mit jedem kommunizieren und die kostbare Ressource Wissen für alle frei verfügbar war. Bezahlt hat man das bislang mit der Mühe, die das permanente Sortieren und Bewerten der Glaubwürdigkeit einer Person mit sich brachte. Dafür stößt man im Netz immer wieder auf interessante Informationen, nach denen man ursprünglich gar nicht gesucht hatte. Geschrieben von Menschen, denen man im richtigen Leben nie zugehört hätte. In den wachsenden Gated Communities des Netzes ist diese Form der Demokratie unerwünscht. Man trifft nur auf die vorgefilterten Grüppchen, die man auch auf der nächsten Charity Party kennenlernen würde. Und behält sein Wissen lieber für sich.

"Das Problem mit Seiten wie Facebook ist", sagt smallworld-Erfinder und Ex-Banker Erik Wachtmeister, "dass einige 'High-Profile'-Mitglieder permanent kontaktiert werden, während andere diese Seiten als bequeme Möglichkeit sehen, sich mit attraktiven und erfolgreichen Menschen zu verbinden." Die gesellschaftliche Hackordnung, sie funktioniert auch im Netz. Und die da oben wollen von denen da unten bloß in Ruhe gelassen werden.

Nicht berühmt und einflussreich, sondern nur entweder reich oder schön muss man sein, wenn man der Diamond Lounge beitreten möchte – wobei Reichtum natürlich für die Männer Bedingung ist und Schönheit für die Frauen. Denn auch im Internet werden die Regeln aus der Steinzeit noch hoch gehalten: Sugar Daddy darf sich hier ein junges Ding leisten, einzige Voraussetzung: "Sie sind sophisticated, super-sexy und erfolgreich. Sie haben das Auto, das Geschäft, die Blicke und das Geld."

Bei Beauifulpeople.com darf nur mitmischen, wer gut aussieht, Geld und Erfolg helfen den Männern dort nicht weiter. Die Auswahl ist hart, aber demokratisch: 80 Prozent aller Bewerbungen mit Foto und Kurzprofil werden von den bestehenden Mitglieder abgelehnt. Wer es darauf anlegt, kann den Bewerbungsprozess in Echtzeit mitverfolgen. 48 Stunden lang dürfen Männer über neue Frauen und Frauen über neue Männer abstimmen. Netzwerk-Gründer Robert Hintze glaubt, dass "jeder Mensch mit jemanden zusammen sein möchte, den er oder sie attraktiv findet – das liegt in der Natur des Menschen." Indem man die Pforten nur schönen Menschen öffne, umgehe man diese erste Hürde. "Andere Websites sind ein echter Dschungel voller Nilpferde und Warzenschweine." Im Vergleich dazu biete seine Seite nur "Leoparden und Gazellen".

Immerhin hat er sich dafür schon Morddrohungen eingehandelt. Trotzdem wollen weltweit täglich Tausende durch die elitäre Blickkontrolle, um sich über die digitale Bestätigung zu freuen. Und um einen gemeinsamen Reisekalender, glamouröse Partys und sogar Aufträge von Modelagenturen abzugreifen. Mehr als 80.000 Mitglieder haben dank der Seite angeblich schon ein romantisches Intermezzo im Netz erlebt. Schon 400 Babys sollen auf diesen Weg geboren worden sein. Wunderschöne Babys natürlich.

Weniger romantisch mag es bei Welcom zugehen, einem Netzwerk für die Wirtschaftslenker der Welt. Hier haben nur Mitglieder des World-Economic-Forums Zugang. Angela Merkel und Josef Ackermann zum Beispiel. Der Steuerzahler könnte sich über eingesparte Reisekosten freuen, wenn der Weltwirtschaftsgipfel künftig vollständig ins Netz verlegt würde. Anstatt der Demos gäbe es dann vielleicht Hackerangriffe, die dafür Sorge trügen, dass die wirklich relevanten Gespräche nicht mehr hinter verschlossenen Türen geführt würden.

Tina Klopp

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