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Familie und Beruf vereinbaren: Geteilter Job, doppelte Freude

Der Trend geht zum flexiblen Arbeiten. Das haben nicht nur Politik und Unternehmen erkannt. Start-ups bieten Jobsharing-Beratung an.

Als sie gerade dabei waren, Karriere zu machen, wurden sie Eltern. Sie mochten ihre Arbeit, aber die Familie war ihnen jetzt mindestens genauso wichtig. Deswegen fingen Svenja Christen und Yannic Franken an, sich mit Jobsharing zu beschäftigen. Erst setzten sie bei ihren Chefs durch, sich die Stelle mit einem Kollegen zu teilen, sie bei Coca-Cola, er bei Oracle. Dann machten sie sich in diesem Jahr selbstständig und gründeten die Beratungsagentur „The Jobsharing Hub“.

„Für mich ist Jobsharing die einzige Möglichkeit, Arbeitszeit zu reduzieren und weiterhin einen verantwortungsvollen Job auszuüben“, sagt Svenja Christen. Teilzeit hingegen sei oft ein Karrierekiller. Viele bekämen dann weniger anspruchsvolle Aufgaben, sähen ihre Aufstiegschancen beschädigt und hätten das Gefühl, beim Chef als nicht ehrgeizig zu erscheinen. In ihrer Agentur berät Christen mit ihrem Lebensgefährten Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, die Interesse am Jobsharing haben.

Das Topsharing richte sich beispielsweise an Führungskräfte, die „in beiden Lebensbereichen gerne viel Verantwortung übernehmen: Beruf und Familie“. Beim Legacy Tandem gehen ein ausscheidender Mitarbeiter und sein Nachfolger zur Einarbeitung ein Tandem ein. Beim Diversity Tandem bilden „Jung und Alt, Menschen mit und ohne Behinderung, junge Väter und erfahrene Kolleginnen, Menschen mit und ohne Flucht- oder Migrationshintergrund intensive Berufsbeziehungen und wachsen so durch- und miteinander“, sagen die beiden Experten.

Vor der Bundestagswahl versprachen sämtliche Parteien mehr Flexibilität im Beruf

Die Gründerinnen des Berliner Start-ups Tandemploy, Jana Tepe und Anna Kaiser, versuchen schon seit vier Jahren das Jobsharing-Modell hierzulande zu verbreiten. „Wir glauben an Arbeit, die ins Leben passt. Und die sich heute flexibilisiert, nicht irgendwann in der Zukunft“, sagen sie. Rund 5000 Bewerberinnen und Bewerber, von denen mindestens 30 Prozent Männer sind, wollen sich eine Stelle teilen, um sich eigenen Projekten, ehrenamtlicher Arbeit, der Erziehung ihrer Kinder oder Pflege von Angehörigen widmen zu können. 70 Firmen wie der Energiekonzern RWE oder Beiersdorf nutzen die Plattform. Ende Juni haben die beiden Gründerinnen drei Millionen Euro von Werner Brandt, Ex-SAP-Vorstand, und Michael Kramarsch, Gründer einer Frankfurter Unternehmensberatung, erhalten. Vor einem Monat wurden sie mit dem Chefsache-Award für ihre Idee ausgezeichnet.

Immer mehr Frauen und Männer wollen flexibler arbeiten, weil sie beides wollen: arbeiten und Kinder haben. Oder sich mehr Zeit für andere Dinge als den Job wünschen. Das haben nicht nur die Gründer von Tandemploy und dem Jobsharing-Hub erkannt, sondern auch die Politik: Vor der Bundestagswahl versprachen sämtliche Parteien, es den Menschen leichter zu machen, wenn sie gewählt würden. Die Union sprach von Arbeitszeitkonten. Wie beim Geldkonto sollen Arbeitnehmer Arbeitszeit ansparen und später wieder abbuchen können. Die SPD hatte das Familienarbeitszeitmodell mit in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Danach können Vollzeit arbeitende Frauen und Männer ihre Wochenarbeitszeit auf 26 bis 36 Stunden reduzieren. Beide Elternteile sollen bis zu zwei Jahre lang jeweils 150 Euro „Familiengeld“ im Monat vom Staat als Ersatz für den Einkommensausfall erhalten. Das Modell der Grünen heißt „KinderZeit Plus“. Damit könnten Eltern ihre Arbeitszeit in bestimmten Phasen ebenfalls minimieren.

Bei der Deutschen Telekom gilt eine Rückkehrgarantie auf Vollzeit

Die IG Metall, Deutschlands größte deutsche Gewerkschaft, forderte vor Kurzem, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit temporär auf bis zu 28 Stunden pro Woche reduzieren können sollen. Für ihre Forderungen bekam sie unter anderem Unterstützung von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und von Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Arbeitgeber müssten sich „klar machen, dass die Menschen in ihrer freien Zeit selten die Beine hoch legen oder sich auf ihren Sofas lümmeln, sondern weiter sehr hart, wenngleich ohne Entlohnung arbeiten.“ Sie würden ihre Kinder erziehen, ihre Eltern pflegen oder sich weiterbilden. „All das kommt den Betrieben doch zu Gute. Flexible Arbeitszeiten in diesem Sinne sind ein Stück präventiver Gesundheits-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik“, sagt Allmendinger.

Bei der Deutschen Telekom müssen die Mitarbeiter nicht warten bis eine der genannten Ideen realisiert wird. Schon jetzt gilt dort eine Rückkehrgarantie aus der Teilzeit zur ursprünglichen Wochenarbeitszeit, was die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles (SPD) als Arbeitsministerin in der vergangenen Legislaturperiode gesetzlich durchsetzen wollte. Doch obwohl das Vorhaben im Koalitionsvertrag stand, scheiterte die SPD-Politikerin am Widerstand des Kanzleramts. Der Druck aus der Wirtschaft war zu groß. Bei der Telekom gibt es zudem einen Verbandstarifvertrag zu mobilem Arbeiten, über Lebensarbeitszeitkonten finanzierte Auszeiten – und ein Job-Sharing-Modell. „Eine gelungene Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bildet das Rückgrat einer vitalen und leistungsfähigen Belegschaft“, sagt Dietmar Welslau, Leiter Human Resources Management. „Mit der Digitalisierung ergeben sich hier neue Möglichkeiten, die wir konsequent nutzen sollten.“

Bosch bietet seinen Beschäftigten mehr als 100 flexible und mobile Arbeitszeitmodelle

Ähnlich sieht es bei Bosch aus: Dort gibt es nach Angaben des Unternehmens mehr als 100 flexible und mobile Arbeitszeitmodelle. Der sogenannte Job Connector ermögliche es außerdem, online unkompliziert einen Tandempartner für seine Stelle zu finden – Geschäftsbereich, Standort und Regionen übergreifend. „Durch Teilzeit, Kita-Plätze und Home-Office-Angebote erhalten Väter und Mütter die Flexibilität, die sie brauchen, um Beruf und Privates gut miteinander in Einklang zu bringen“, sagt der Geschäftsführer Christoph Kübel. „Davon profitieren alle.“ Dies sind allerdings zwei Vorzeigebeispiele. In den meisten – meist kleineren – Unternehmen sieht es noch ganz anders aus.

Die Technische Universität (TU) München sucht Teilnehmende für eine Studie zu innovativen Ideen für die Arbeits-, Familien- und Lebensgestaltung. Konzepte können bis zum 31. Januar 2018 eingereicht werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.strategy.wi.tum.de/ideas

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