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Langer Weg in den Wunschberuf. Nizar Al Mahamed studierte in Syrien Medizin und arbeitet seit Kurzem als Assistenzarzt in der Augenklinik der Berliner Charité.

© Thilo Rückeis

Integration durch Qualifizierung: Lotsen in Lohn und Brot

Wer mit einem ausländischen Abschluss in Deutschland arbeiten will, muss einige Hürden überwinden. Das Förderprogramm IQ hilft dabei.

„Ich liebe Augen“, sagt Nizar Al Mahamed. Schon damals war das so, als junger Medizinstudent im syrischen Homs. „Es sind kleine Organe, aber mit großer Bedeutung. Durch sie sehen wir die Welt.“ Heute arbeitet er an einem Ort, der bestens zu dieser Leidenschaft passt: der Augenklinik der Berliner Charité auf dem Campus Virchow. Sein Weg dorthin führte ihn über die Charité International Academy, einen Projektpartner des IQ Landesnetzwerks Berlin. IQ steht für „Integration durch Qualifizierung“: Menschen, die im Ausland einen Schul- oder Berufsabschluss erworben haben, soll der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden – durch Beratung, Fortbildung und Aufklärung.

„Ein wichtiger Baustein ist die Anerkennung des ausländischen Abschlusses in Deutschland“, sagt Fabian Junge, Referent im Projekt MUT IQ, das für den Wissenstransfer und die Öffentlichkeitsarbeit auf Bundesebene zuständig ist. In vielen Berufen regeln Gesetze oder Verwaltungsvorschriften, welche Qualifikationen Bewerber mitbringen müssen. Dazu zählen etwa Ärzte, Krankenpfleger, Rechtsanwälte und Architekten, aber auch Lehrer, Bäcker oder Metallbauer. Für Zugewanderte steht daher vor dem Schritt in den deutschen Arbeitsmarkt oft eine Anerkennungsprüfung bei der zuständigen Berufskammer oder Behörde.

Weil all das ziemlich kompliziert ist, betreibt IQ bundesweit rund 120 Beratungsstellen. In einem kostenlosen Gespräch wird dort geklärt: Muss ich meinen Abschluss in Deutschland anerkennen lassen? Welche Stelle ist zuständig? Was kostet es? Und: Was kann ich tun, wenn meine Qualifikation nicht reicht?

Die Approbation holte er an der Charité International Academy nach

Das kann zum Beispiel eine fehlende Zulassung sein oder zu wenig Praxis im Heimatland. Oft ist aber auch die Sprache eine Hürde. Nizar Al Mahamed war das bereits früh klar. Als der junge Syrer 2012 vor dem Bürgerkrieg nach Ägypten floh, besuchte er daher zunächst einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Alexandria.

2014 kam er mit einem Visum nach Tübingen und hospitierte in einem Krankenhaus; parallel bewarb er sich. „Aber es kamen nur Absagen“, berichtet der heute 27-Jährige.

Das Wichtigste fehlte ihm: die Approbation. Doch auch sein Deutsch sei nicht gut genug, hieß es. Dank eines Stipendiums der Otto Benecke Stiftung konnte er – inzwischen in Berlin – einen weiteren Sprachkurs besuchen, außerdem zwei Fortbildungen an der Charité International Academy: Zusammen mit anderen ausländischen Medizinern bereitete er sich dort auf die Fachsprachprüfung vor der Ärztekammer und die Prüfung zur Erteilung der Approbation vor. „Ich habe so viel gelernt“, erinnert sich Al Mahamed. „Und ich bin selbstbewusster im Umgang mit Patienten geworden. Der Kurs hat dabei geholfen, das Eis zu brechen.“

Eine Krankenschwester aus Serbien ist jetzt Pflegefachkraft

Auch Andrea Kulpinac musste noch einmal zur Schule gehen – „obwohl ich in meiner Heimat Serbien schon eine vierjährige Ausbildung gemacht und 24 Jahre als Krankenschwester gearbeitet hatte, zuerst in einer Klinik, dann lange in einem gerontologischen Zentrum“, erzählt die 44-Jährige. Sie und ihr Mann kamen nach Deutschland, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Auch Kulpinac hatte bereits in ihrer Heimatstadt Zrenjanin Deutsch gelernt, bevor sie vor rund eineinhalb Jahren im Senioren- und Therapiezentrum Haus Havelblick in Spandau eine Stelle als Pflegehelferin bekam.

Doch die dreifache Mutter musste noch besser werden. Dabei half ihr ein Sprachkurs des Berliner Bildungsträgers Wipa. Nach vier Monaten hatte sie das Zertifikat B2 in der Tasche – ein Baustein für die Anerkennung ihrer Ausbildung in Deutschland.

Ein weiterer folgte: „In Serbien hatten wir zwar viel mehr medizinische Aufgaben übernommen, aber ich kannte die deutschen Fachbegriffe nicht“, erzählt Kulpinac. Das holte sie an der Akademie der Gesundheit Berlin-Brandenburg nach. Seit dem Frühjahr ist sie nun staatlich anerkannte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Ihr Arbeitgeber ist der gleiche geblieben, allerdings beschäftigt er jetzt keine Pflegehelferin mehr, sondern eine Pflegefachkraft. Andrea Kulpinac hat sich durchgewurschtelt durch die deutsche Berufe-Bürokratie. Und stöhnt nun manchmal über den Papierkram im Pflegealltag; viel lieber würde sie mehr Zeit mit den Menschen verbringen.

IQ bietet auch Schulungen zu den Themen Asyl und Flucht

Sprachkurse, Prüfungsvorbereitung, theoretisches und praktisches Fachwissen: Die Schulungen, die Andrea Kulpinac und Nizar Al Mahamed besucht haben, sind nur einige Beispiele aus dem umfangreichen Angebot von IQ. „Die 16 Landesnetzwerke betreiben gemeinsam rund 380 Einzelprojekte“, berichtet Fabian Junge von MUT IQ. Erste Anlaufstelle in Berlin sind die drei Beratungsstellen des Landes: die Otto Benecke Stiftung, der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg und der Verein Club Dialog. Sie beraten in elf Sprachen zur Anerkennung von Abschlüssen und informieren über Qualifizierungen.

Gefördert wird das 2005 gestartete Programm durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds (ESF). Partner sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit.

Schließlich hat IQ auch die weiteren Akteure auf dem Arbeitsmarkt im Blick. „Für die Mitarbeiter von Arbeitsagenturen, Verwaltungen und kleinen und mittelständischen Betrieben bieten wir Schulungen zu interkultureller Kompetenz an“, sagt Junge. So seien seit Herbst 2015 rund 9000 Beschäftigte der deutschen Jobcenter zu den Themen Asyl und Flucht fortgebildet worden. „Wir möchten erreichen, dass sie sich für Vielfalt in der Gesellschaft und in ihrer Belegschaft weiter öffnen.“ Nicht zuletzt im eigenen Interesse, denn in vielen Branchen sind Fachkräfte knapp, wollen Menschen zum Beispiel kaum noch wie Andrea Kulpinac in der Altenpflege arbeiten.

Nizar Al Mahamed jedenfalls hat eine weitere Hürde genommen. Nach erfolgreicher Approbation bekam er Anfang September eine Assistenzarztstelle an der Charité.

Mehr im Internet: netzwerk-iq.de und anerkennung-in-deutschland.de

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