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Gut trainiert. Iknur Gümüs (weißer Pullover) bereitet Frauen auf die Ausbildung vor, etwa in einer Schneiderei.

© promo

Migrantinnen am Arbeitsmarkt: Perspektive fern der Heimat

Mütter mit Migrationshintergrund sind besonders häufig arbeitslos. Das Programm „Stark im Beruf“ hilft diesen Frauen bei der Integration im Job.

Bei Maria Cordoba-Weyden kam die Liebe dazwischen. Und zwei Kinder. Die 35-Jährige, die in Kolumbien geboren und aufgewachsen ist, wollte nach dem Studium in Berlin eigentlich zurück in ihr Heimatland. Alle Praktika während ihres Studiums der Politikverwaltung und Betriebswirtschaftslehre machte sie dort. „Das ist jetzt ein Nachteil“, sagt Cordoba-Weyden. „Es ist sehr schwierig für mich, in die deutsche Verwaltung einzusteigen.“ Nach 40 Bewerbungen hat sie immer noch keinen Job. Dabei besitzt sie nach 15 Jahren in Deutschland inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit und spricht fast fehlerfrei deutsch. „Als Frau und Mutter ist es im Arbeitsleben schon nicht leicht, dann kommt noch mein Migrationshintergrund dazu – da überlegt sich jeder Arbeitgeber gleich drei Mal, ob er mich einstellt.“

28 Prozent der Mütter in Deutschland haben einen Migrationshintergrund wie Maria Cordoba-Weyden. Sei es, dass sie aus einem anderen Land eingewandert sind oder ihre Eltern. Knapp die Hälfte davon ist nicht erwerbstätig – deutlich häufiger als Mütter ohne Zuwanderungsgeschichte. Das zu ändern, ist das Ziel des Programms „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ des Familienministeriums (BMFSFJ). 80 Projekte nehmen daran teil. Der Europäische Sozialfonds (ESF) fördert sie jeweils mit bis zu 50 000 Euro jährlich, um „den Erwerbseinstieg für Mütter mit Migrationsgeschichte zu erleichtern und den Zugang zu vorhandenen Angeboten zur Arbeitsmarktintegration zu verbessern.“

Die Frauen motivieren sich gegenseitig

Seit 2015 sind mehr als 6000 Frauen damit erreicht worden, sagt ein Sprecher: „Die 80 Projekte, die das Programm unterstützt, schaffen es, jede dritte Mutter in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die Träger der Projekte schneiden ihre Angebote auf die Mütter vor Ort, die sie ansprechen wollen, zu.“

Eins der Projekte ist „MUMM – Mutter und Migrantin. Motiviert im Job“ des Bildungsträgers Goldnetz in Berlin. Es richtet sich gezielt an Akademikerinnen und Studienabbrecherinnen mit Migrationshintergrund – wie Maria Cordoba-Weyden. „Akademikerinnen schaffen es seltener als Nichtakademikerinnen nach der Familienphase wieder in den Beruf einzusteigen“, sagt Martina Pohl, Beraterin bei MUMM. „Wir starten immer mit einer Potenzialanalyse der Teilnehmerinnen. Außerdem bieten wir Workshops zu klassischen Themen wie Bewerbung oder Zeitmanagement. Und wir organisieren ein so genanntes Peer-Coaching: Die Frauen treffen sich einmal im Monat und unterstützen sich gegenseitig.“

Diese Treffen seien sehr hilfreich, sagt Maria Cordoba-Weyden, die sie regelmäßig besucht: „Die anderen Frauen haben mich zum Beispiel darauf gebracht, dass ich in Richtung Buchhaltung und Finanzen gehen und mich bei NGOs bewerben sollte. Das klappt tatsächlich besser – da werde ich immerhin zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.“ Vor allem aber motivierten sie sich gegenseitig, trotz Absagen immer weiterzumachen. „Jede steckt sich dort Ziele, die sie bis zum nächsten Treffen erreicht haben will: zum Beispiel vier Bewerbungen verschicken.“ Der leichte Druck helfe, das zu schaffen, sagt Cordoba-Weyden. Seit Kurzem bezieht „Stark im Beruf“ auch geflüchtete Mütter mit ein, auch bei MUMM: „Eine Afghanin war einige Male bei uns in der Gruppe. Sie hat viel Energie und positive Gedanken mitgebracht. Inzwischen hat sie sogar schon eine Arbeit gefunden. Sie ist sehr gut qualifiziert“, sagt Maria Cordoba-Weyden.

Es fehlt meist das Selbstvertrauen

Wie unterschiedlich die Projekte sind, die am Programm teilnehmen, wird deutlich, wenn man sich das Angebot des Interkulturellen Beratungs- und Begegnungs-Centrum IBBC in Berlin-Neukölln ansieht. Dort sollen ganz andere Frauen angesprochen werden als bei MUMM: Die Mehrheit der Teilnehmerinnen sind gering qualifiziert. Wer einen Schulabschluss hat, kann sich dort auf eine dreijährige Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege bei Vivantes vorbereiten, auf eine zweijährige Ausbildung zur Sozialassistentin im Pflegebereich oder auf eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin. Zum Training gehört Deutsch- und Matheunterricht sowie ein „Gesundheitsfach“, in dem es etwa um Anatomie geht. „Wir schließen Bildungslücken“, sagt lknur Gümüs vom IBBC. „Die Teilnehmerinnen lernen die lateinischen Bezeichnungen, die ihnen in der Ausbildung begegnen werden.“ Frauen ohne Schulabschluss werden weitervermittelt, um ihn nachzuholen. „Wir wollen Frauen motivieren, überhaupt einen beruflichen Weg zu gehen. Es fehlt meist das Selbstvertrauen. Viele denken: Ach, aus mir wird nichts mehr.“ Die meisten seien „im Zuge der Heiratsmigration aus der Türkei nach Deutschland gekommen.“

Außer in Pflegeberufe vermitteln sie die Frauen auch in Schneidereien, in Behindertentageseinrichtungen oder Kitas. „Einige wissen genau, was sie wollen, manchmal wird aber deutlich, dass der geplante Weg nicht realistisch ist“, sagt Gümüs. Sie erzählt von einer Mutter aus der Türkei mit zwei behinderten Kindern, die unbedingt in den Pflegebereich wollte. „Es wurde dann klar, dass sie es emotional nicht aushalten konnte und wir haben sie in eine Schneiderei vermittelt.“ Auch Maria Cordoba-Weyden hat überlegt, ob sie ihre Ziele verändern soll. „Manchmal denke ich darüber nach, im Supermarkt an der Kasse zu arbeiten, statt gar nicht. Ich möchte etwas zum Familieneinkommen beitragen.“ Aber dann motiviert ihre Peer-Coaching-Gruppe sie wieder, weiter nach einem Job zu suchen, der zu ihrer guten Ausbildung passt.

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