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Autoverkehr: Allianz für Tempo 30

Die Grünen wollen die Autofahrer bremsen und fordern Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt. Eine Studie des Bundesverkehrsministerium unterstützt diesen Vorstoß.

Rechtzeitig vor ihrem Parteitag am Sonntag erhalten die Berliner Grünen eine Steilvorlage vom CSU-geführten Bundesverkehrsministerium. Dessen Wissenschaftlicher Beirat hat ein Gutachten zur Verkehrssicherheit vorgelegt – und empfiehlt darin unter anderem Tempo 130 auf Autobahnen und Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten.

Bernhard Schlag, Professor für Verkehrspsychologie an der TU Dresden und maßgeblicher Autor der Studie, nennt es „eigenartig“, dass Städte bisher begründen müssen, wenn langsamer als Tempo 50 gefahren werden muss. „Die Umkehrung entspricht unserem Rechtsempfinden besser“, findet Schlag. Also Tempo 30 als Regel und Tempo 50 als Ausnahme, etwa auf Hauptstraßen ohne Wohnbebauung.

Dieses Ziel steht auch in einem Antrag, den die Grünen auf ihrem Parteitag beschließen wollen. Er sieht neue Prioritäten bei Verkehrsplanung und Flächenverteilung vor: Fußgänger und Radler sollen zulasten der Autos mehr Platz bekommen – durch breitere Gehwege und den konsequenten Ausbau von zwei bis drei Meter breiten Fahrradspuren, die den stark wachsenden Radverkehr aufnehmen können. Dazu sollen mehr Abstellflächen an Haltestellen, in Einkaufsstraßen und Wohngebieten kommen. Gelegenheitsradler sollen mit einem simplen Verleihsystem gelockt werden.

Bezahlt werden könnten alle Angebote – vom Mietrad übers Bahnticket bis zum Carsharing-Auto – per „Mobilitätskarte“, die vorab aufgeladen oder über Abbuchungen vom Konto abgerechnet wird.

Grünen-Landeschef Stefan Gelbhaar erwartet, dass die Partei die wesentlichen Punkte des Antrags beschließen wird. Allerdings gebe es gegen die Mobilitätskarte datenschutzrechtliche Vorbehalte. Um die S-Bahn wieder aufs rechte Gleis zu bringen, wollen die Grünen langfristig einen landeseigenen Fuhrpark anschaffen und den Betrieb ausschreiben. Das Verkehrsbudget des Landes soll vorzugsweise in umweltfreundliche Verkehrsarten sowie in die Unterhaltung des vorhandenen Straßennetzes fließen.

Das besteht nach Auskunft von Mathias Gille, Sprecher der Verkehrsverwaltung, zu 75 Prozent aus Tempo-30-Straßen und -Zonen. Auf den Hauptstraßen liege die 30er-Quote bei etwa 15 Prozent, wobei rund die Hälfte davon nur zu manchen Uhrzeiten gelte. Eine Bundesratsinitiative für Tempo 30 als Standard „hätte unsere Unterstützung“, sagt Gille.

„Die Diskussion ist ja nicht neu“, bemerkt ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und fügt hinzu, dass die Städte schon jetzt großen Spielraum bei der Festlegung der Tempolimits hätten. Und: Das Gutachten müsse im Detail erst noch ausgewertet werden.

Die Polizei beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden der Berliner Verkehrsunfälle im vergangenen Jahr auf 1,02 Milliarden Euro. Durch Tempo 30 nähme nicht nur die Zahl, sondern auch die Schwere der Unfälle dramatisch ab. Denn wo ein Auto bei Tempo 30 schon steht, fängt selbst ein aufmerksamer Fahrer bei Tempo 50 wegen der unvermeidlichen Schrecksekunde gerade erst an zu bremsen. Studienautor Schlag liefert den Grünen noch ein weiteres Argument: Da die real gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit in Städten zwischen 20 und 25 km/h liege, sei der tatsächliche Zeitverlust durch Tempo 30 viel geringer als der gefühlte.

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