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Eisige Zeiten sind angebrochen. Bereits im vergangenen Jahr stand die S-Bahn wegen großer Unregelmäßigkeiten im Zugverkehr in der Schusslinie. Kaum ist der Winter da, geht die Odyssee in Verlängerung.

© AFP

Update

Berliner Winter: Nur 32 Prozent der S-Bahnen pünktlich

Die S-Bahn hat auch am Freitag weiter Probleme. Für Donnerstag, den ersten Wintertag, liegt nun eine desaströse Bilanz vor. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Am Donnerstag dem ersten Schneetag in Berlin, ist die Pünktlichkeitsquote der Berliner S-Bahn auf desaströse 32 Prozent abgesackt. Das ist einer ersten Bilanz des Winterchaostags zu entnehmen, die am Freitag vorlag. Der Verkehrsvertrag mit dem Land Berlin fordert von der S-Bahn 96 Prozent als Minimum. Sinkt die Quote darunter, zieht der Senat dem Unternehmen Geld ab.

Die S-Bahn hatte zuletzt mehrfach betont, lieber mit beschränktem Angebot zu fahren und zugleich einige fahrbereite Züge als Reserve vorzuhalten, um für die Kunden verlässlich zu sein. Am Freitagnachmittag teilte das Unternehmen dann mit, dass mit Einschränkungen auch in den nächsten Tagen zu rechnen sei. Betroffen sind praktisch alle Linien. Auf dem Ring wird auch im Berufsverkehr nur noch alle zehn statt alle fünf Minuten gefahren, auf fast allen anderen Strecken wurden die Takte von zehn auf 20 Minuten verlängert. In der Praxis mussten Reisende oft deutlich länger warten, weil die Züge völlig unregelmäßig fuhren oder so überfüllt waren, dass nicht alle Wartenden mitkamen. Wo mehrere Linien parallel fahren wie auf dem Ring, ist teilweise nur noch eine in Betrieb.

Die Bahn begründet die Ausfälle damit, dass wegen eingefrorener Weichen die Züge nicht wie geplant im Netz verteilt und zu den Werkstätten gefahren werden könnten. Dadurch komme man mit der Wartung nicht mehr nach.

Durch das erneute Chaos wächst der Druck auf den Berliner Senat, sich nach Alternativen für die Zeit nach 2017 umzusehen, wenn der Vertrag mit der Bahn ausläuft. Im Gespräch sind die Übernahme durchs Land, die Direktvergabe an die landeseigene BVG oder die Ausschreibung von Teilstrecken für private Konkurrenten. Da diese gegen Gebühr auf den Gleisen der Deutschen Bahn fahren, können Probleme wie die aktuellen auch sie betreffen.

Ein Sprecher des Interconnex-Betreibers Veolia monierte, dass die Züge des Unternehmens zwar pünktlich starten konnten, sich aber wegen Problemen der Bahntochter DB Netz unterwegs bis zu sechs Stunden verspäteten.

Der Verkehrsclub VCD wies darauf hin, dass die Weichen dem Bund gehörten und vom Land übernommen werden könnten. Während der Bund der hochprofitablen DB Netz nur Gewinnvorgaben mache, könne das Land auch Qualitätskriterien festlegen. Die Koalitionsvereinbarung der schwarz-gelben Bundesregierung sehe „neue Betreibermodelle für regionale Schienenstrecken“ ausdrücklich vor. Die Berliner Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erklärte am Freitag, sie erwarte „eine kurzfristige Rückmeldung des DB-Vorstandes“ mit Vorschlägen zur Verbesserung der Situation.

Gleisbruch verschärft die Situation

Von einer Verbesserung konnten die Fahrgäste am zweiten Schneetag in Berlin nur träumen. Fahrgäste der Nord-Süd-Bahn, die am Morgen Richtung Süden unterwegs waren, erfuhren, dass der Zug nur bis Anhalter Bahnhof verkehrte. Der Grund: Ein Gleis auf der Linie S1 in Schlachtensee war gebrochen, nach Auskunft eines Sprechers wegen einer "Materialausdehnung" aufgrund starker Temperaturschwankungen. Seit circa 9 Uhr war der Verkehr auf der Strecke unregelmäßig. Am Mittag teilte der Sprecher dann mit, dass der Schaden behoben sei und die Züge wieder normal verkehrten.

Die Ringbahn fährt ohnehin nur im Zehn-Minuten-Takt. Auch die Linien S2, S3, S5 und S75 verkehren nur alle 20 Minuten. Einschränkungen gab es auch auf der S8, der S9 und der S47. Trotz der gedrosselten Taktung sei obendrein noch der Einsatz von Kurzzügen "im Einzelfall möglich", so die Bahn weiter. Grund hierfür sei ein Stau in den Werkstätten.

Am Freitag waren nur noch 341 Doppelwagen im Einsatz. 432 müssten es nach Auskunft des Verkehrsverbundes VBB sein, um den aktuellen Notfahrplan zu bewältigen. Fürs komplette Programm wären sogar 562 Doppelwagen notwendig.

Die Polizeisprecherin machte dagegen am Freitagmorgen einen entspannten Eindruck. Verhältnismäßig ruhig sei die zweite Schneenacht dieses Winters in Berlin verlaufen, sagt sie. "Zwischen 0 und 6 Uhr haben wir 21 witterungsbedingte Verkehrsunfälle registriert", fasst sie zusammen. Keiner der Unfälle sei besonders schwer gewesen, vorwiegend habe es Blechschäden gegeben. Zum Vergleich: In der Nacht zu Donnerstag, als der Schnee über die Stadt kam, waren es im gleichen Zeitraum 24 wetterbedingte Unfälle.

Auch am Morgen ist die Situation auf den Straßen ruhig, die Staulage nicht kritischer als üblich.

Auch die BVG rechnet durch Eis und Schnee mit Behinderungen im Bus- und Tramverkehr. Unsere Leserkommentatoren melden verspätete Busse. Eine Leserin zum Beispiel wartete an der Haltestelle vor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiergarten am Nachmittag über eine Stunde lang vergebens auf den Bus der Linie 100. Bevor sie resigniert mit der Buslinie 187 wieder nach Hause fuhr, wollte die Lehrerin einen anderen Busfahrer um Auskunft bitten, wo denn ihr Bus bleibe - und der BVG-Mann verschloss ohne Kommentar die Bustür vor ihrer Nase. Wegen der Ausfälle bei der S-Bahn müssen sich Fahrgäste zudem auf volle und übervolle Züge bei der U-Bahn einstellen.

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