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BVG-Mitarbeiter im Ausstand: Die Stadt blieb trotz Warnstreiks mobil

Obwohl bei der BVG nichts ging, rollte der Verkehr weitgehend normal. Nur der Einzelhandel litt.

Gelitten hat vor allem der Einzelhandel. Von 30 Prozent Umsatzeinbuße sprachen Kaufleute. Ansonsten hat Berlin den ganztägigen Streik bei der BVG gut verkraftet, die Straßen waren etwas voller als sonst und die S-Bahnen auch. Taxis waren nirgendwo knapp, allerdings hakte es mal wieder bei der Bahn. Auf der Stadtbahn fuhren die S-Bahn-Züge unregelmäßig und mit Verspätung, mittags verursachte eine Oberleitungsstörung in Rummelsburg Verspätungen im Fern- und Regionalverkehr. Voll wurde es am frühen Nachmittag vor allem Richtung Olympiastadion, am Bahnhof Westkreuz war das Gedränge tausender Hertha- und Dortmund-Fans beträchtlich. Wie vor Tagen angekündigt, legte die Gewerkschaft Verdi die gesamte BVG zwischen 5 Uhr und 19 Uhr lahm. 5000 BVGler beteiligten sich am Ausstand. Die Gewerkschaft Verdi fordert für 2012 und 2013, die Löhne und Gehälter um jeweils 2,3 Prozent zu erhöhen. Der Kommunale Arbeitgeberverband, der für die BVG die Verhandlungen führt, will sich auf diese Forderung nur für dieses Jahr einlassen; 2013 seien nicht mehr als 1,3 Prozent Erhöhung drin. Am Montag sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.

Um 19 Uhr setzen sich die ersten U-Bahnen und Busse wieder in Bewegung. Ein paar Stunden dauert es aber noch, bis alles wieder einigermaßen normal läuft. Beziehungsweise fährt.

GEDRÄNGE IN DEN S-BAHNEN

Die Hauptlast trug wie zu erwarten die S-Bahn. Die Züge waren deutlich voller als sonst, besonders eng wurde es in Richtung Olympiastadion. Mittags behinderte eine Stunde lang eine Oberleitungsstörung in Rummelsburg den Verkehr, viele Regional- und Fernzüge hatten Verspätungen von bis zu einer halben Stunde. Durcheinander ist auch der Fahrplan der S-Bahn auf der Stadtbahn. Um 12.05 Uhr hallt diese Ansage durch den Hauptbahnhof: „Aufgrund einer Betriebsstörung ist der Zugverkehr unregelmäßig.“ Ein S-Bahn-Sprecher konnte später nicht sagen, was damit gemeint war.

NOTPROGRAMM MIT PRIVATBUSSEN

Die BVG konnte nur etwa 100 Busse aufbieten, mit denen Privatunternehmen 23 Linien bedienen. Da kaum ein Kunde weiß, welche das sind, waren die Wagen weitgehend leer – weil Fahrgäste die BVG ja im Streik wähnten. So verließ der 204er um 11 Uhr mit nur drei Fahrgästen an Bord den Bahnhof Zoo in Richtung S-Bahnhof Südkreuz.

U-BAHNHÖFE GESCHLOSSEN

Alle U-Bahnhöfe waren vergittert, Händler konnten ihre Läden in den Stationen nicht öffnen. Viele Touristen standen ratlos vor den verschlossenen U-Bahn-Eingängen, die Aushänge „Streik“ waren nur auf deutsch. Immerhin informierten die „Daisy“-Anzeigen an Bushaltestellen auch in Englisch.

FLAUTE FÜR DEN EINZELHANDEL

Von etwa 20 bis 30 Prozent Umsatzeinbußen sprach der Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen am Nachmittag: „Ein ganz schlimmer Tag für Berlin“, lautete sein Fazit für den Einzelhandel in der ganzen Stadt. In Einkaufsgegenden mit viel BVG-Publikum seien es bis zu 40 Prozent minus gewesen. „Verdi nimmt die Stadt in Geiselhaft“, ärgerte sich Busch-Petersen. „Es kommt weniger Kundschaft“, sagten auch Verkäuferinnen am Kreuzberger Mehringdamm. Sie hatten sich bereits am Freitag zu Fahrgemeinschaften verabredet, um pünktlich im Geschäft zu sein.

VOLLE STRASSEN, ABER KAUM STAUS

Obwohl viele auf das Auto umstiegen, rollte der Verkehr auf den Straßen weitgehend flüssig. Nach Auskunft des Verkehrswarndienstes der Polizei gab es keinerlei Probleme, „so wie jeden Sonnabend eben“. Staus gab es nur Nachmittags vor allem auf der Stadtautobahn und der Heerstraße, als Zehntausende zum Spiel Hertha-Dortmund ins Olympiastadion wollten.

Wie Taxifahrer und Touristen den Streik erlebten.

TAXIFAHRER STEHEN SCHLANGE Vor allen großen Bahnhöfen warten reichlich Taxis auf Kundschaft. „Dit kleckert nur“, sagt ein Kutscher am Zoo. Er erinnert sich noch an kurzfristig angesetzte BVG-Streiks in den 90ern, als sich die Fahrgäste um die Taxis fast prügelten. Auch Sedat Kocan und Fikret Genc sind enttäuscht. Die beiden drehen am Taxistand Mehringdamm Däumchen. Jetzt steigt einer bei Kocan ein. Paul Hermann, er muss schnell zum Hermannplatz, eine Verabredung. Die ist ihm die sieben, acht Euro wert, BVG wäre günstiger. 5000 bis 6000 der 7200 Droschken waren gestern in Einsatz, schätzt Bernd Ploke vom Funk-Taxi-Berlin. Üblich seien an einem Sonnabend 4000 bis 4500. Das Personal in der Telefonzentrale wurde verstärkt und selbst per Taxi zum Dienst geholt. Mit 3000 Vorbestellungen lag man am Morgen doppelt so hoch wie an einem normalen Sonnabend. Nur zu den Veranstaltungen am Nachmittag und Abend könnte es eng werden, meinte Ploke. Auch beim Taxifunk hatte man alle Fahrer mobilisiert, sagte Geschäftsführer Hermann Waldner. Gegenüber einem streikfreien Sonnabend lag die Nachfrage am Mittag um etwa ein Drittel höher. Dennoch blieb das Geschäft bis dahin „eher etwas unter den Erwartungen“.

KEINE PROBLEME AM FLUGHAFEN TEGEL

An Berlins innerstädtischem Airport, der ja nur über die BVG zu erreichen ist, lief der Verkehr gestern weitgehend normal. Es gab weder Flugverzögerungen durch verspätete Passagiere noch ankommende Reisende, die nicht in die Stadt gelangten, sagte Alexandra Bakir von Air Berlin. Per Lautsprecher wurden die Fluggäste über die Abfahrtzeiten der Shuttle-Busse zum S-Bahnhof Jungfernheide informiert, den die BVG mit Fremdunternehmen gewährleistet hatte. Nur wenig Berliner waren offenbar mit dem eigenen Auto zum Flughafen gekommen. In den Parkhäusern gab es um 10.30 Uhr noch 1355 freie Plätze. Wer das Taxi bevorzugte, hatte keine Wartezeit. Der Nachrückeplatz war gut gefüllt, Wagen auf Wagen fuhr in den Flugsteigring. Der neue Zentralflughafen BBI erhält einen direkten S-Bahn- und Fernbahnanschluss.

TOURISTEN IMPROVISIEREN Die Berlin-Besucher Herbert und Christel Gröning studieren am frühen Nachmittag den Netzplan auf dem S-Bahnhof Alexanderplatz. „Wir fahren jetzt bis Westkreuz und laufen dann“, sagt das Paar. Sie wollen ins Olympiastation, „und da werden wir auch gut hinkommen. Zum Glück sind die Züge noch nicht überfüllt, die Menschen entspannt.“ Noemi Gianolso und Mara Bondo, 24, aus Turin stehen am U-Bahnhof Mehringdamm vor verschlossener Tür. Sie haben Glück, eine Berlinerin nimmt sie im Auto mit zum Brandenburger Tor. „Wir haben jetzt ganz schöne Strecken abgelaufen“, sagen Eva und Lui Becher. Die beiden Rosenheimer bevorzugen sonst den 100er Bus. Dass die BVG streikt, „regt uns nicht auf“, sagen sie. So sehe man mehr und anderes als sonst.

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