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Espiners Berlin-Kolummne: Mark Espiner über den Verkehr in Berlin

Mark Espiner will die Ampelmännchen ignorieren, findet es gefährlich, die Verkehrsregeln zu befolgen und findet Berlin zu sehr auf die Autofahrer abgestimmt.

Als ich zum ersten Mal nach Berlin kam, schrieb ich über den kleinen grünen Mann, der fast zum Symbol Ihrer Stadt wurde. Ich dachte, dass die Ampelmännchen ein subtiler Hinweis auf die vergangene Ost-West Grenze sind – dass man sagen konnte, auf welcher Seite der nun unsichtbaren Mauer man war, durch die Anwesenheit der Männchen mit Hut an einer Kreuzung. 

Ich bin nun ziemlich viel durch die Stadt gelaufen und stelle fest, dass ich mich da sehr getäuscht habe. Sie sind überall, in Ost und West. Ich begann sie fast zu ignorieren und mein ungeduldiges Londoner-Fußgängerverhalten verleitete mich dazu, über die Straßen zu hüpfen, als gäbe es keinen Verkehr, auch wenn ich ein rotes Männchen sah. Was mich dann doch in heißes Wasser gebracht hat. Vor ein paar Wochen bekam ich außerhalb des Kino International eine feurige Standpauke von einer Frau mittleren Alters. Ich zuckte mit den Schultern, gab vor, dass ich sie nicht verstehen konnte und dachte mir heimlich, dass es eine ziemlich gute Sache sei, diese Regel zu brechen. Berlin – es scheint so relaxed und dann trifft man plötzlich auf einen riesigen Knäuel Verspanntheit.  

Wäre mein Deutsch besser gewesen, hätte ich darauf aufmerksam gemacht, dass es doch ebenso gefährlich ist, die Straße zu überqueren, auch wenn man alle Regeln befolgt. Letzten Monat bekam ich fast einen Herzinfarkt, als ein riesiger Lastwagen um die Ecke schwang, während ich gerade die Straße überquerte, ganz offensichtlich unter dem Schutz des grünen Männchens. Ich fluchte in schlechtem Deutsch, machte ein V-Zeichen und bekam eine ganze Sturzflut an Beschimpfungen zurück. War ich im Unrecht? Das Männchen stand auf Grün. Grün. 

Ein Fußgänger, der ebenfalls die Straße überquerte, erklärte mir, dass rechtsabbiegende Autos durch den grünen Ampelmann fahren dürfen. Was? Sind Sie verrückt? 

Und um die Dinge noch schlimmer zu machen, während man die Straße überquert und gerade in der Mitte ist, springt das grüne Männchen plötzlich auf rot. Dort bleibt man dann für eine Ewigkeit gestrandet, während LKWs an einem vorbeibrausen. 

Berlins Ampeln sind definitiv auf Autos abgestimmt. 

Glauben Sie mir, ich bin nicht verbittert oder wütend darüber, dass Rolls-Royce, Bentley und der Mini den Deutschen gehören. Sie produzieren gute Autos. Sogar unsere. Aber ich denke, dass die Autoliebe das Schlimmste in Ihnen hervorbringt. Hinter dem Steuer, so scheint es, werden die sensibelsten Menschen zu rücksichtslosen, egoistischen, Schnelligkeits-besessenen Fahrradfahrer- und Fußgängerhassern. Und wenn sie das doch nicht sind, dann sollten die Autofahrer zumindest nicht die unfaire Hilfe der Berliner Ampelschaltungen auf ihrer Seite haben. 

Es scheint sich hier nur ums Auto zu drehen. Die Straßen zerschneiden alles. Denken Sie doch nur, wie schön Tiergarten sein könnte, wäre es nicht ein riesiger Rundverkehr. Hitler’s einzige gute Idee war, den Verkehr unterirdisch verlaufen zu lassen. In London haben wohl die Congestion Charge, ein Mangel an Parkmöglichkeiten und andere Anti-Automassnahmen manch Autofahrer verärgert, aber der geringere Verkehr hat die Innenstadt generell zu einem schöneren Platz gemacht. Ich würde dasselbe auch Berlin verordnen.  

Nachdem ich kurz den Tod gestreift hatte, beschloß ich, auf mein Fahrrad umzusatteln. Ich schaffte es, nicht mit dem Rad in den Trambahnlinien stecken zu bleiben und zu einem zerquetschten Ende zu kommen, aber innerhalb von nur wenigen Stunden hatte ich einen Platten. Der Grund? Zerbrochenes Glas. Überall. 

Ich brachte also mein Rad zum Fahrradladen, um einen neuen Reifen zu bekommen und wurde darüber aufgeklärt, dass mein Fahrrad nicht den neuen Sicherheitsvorschriften entspräche. Ich bräuchte mindestens zwei gelbe Speichenrückstrahler für Vorder- und Hinterrad, eine fest installierte Beleuchtung verbunden mit einem Dynamo, eine helltönende Klingel, Reflektoren vorne und hinten, einen Z-Rückstrahler und Pedale mit gelben Reflektoren. Das brachte mich wirklich zum Lachen. Wenn ich also durch einen Schwenk zur Vermeidung von zerbrochenem Glas mit einem Schwerlader-LKW, der gerade rechts abbiegt, zusammenstoße, dann hat wenigstens mein Rad ein paar bunte Reflektoren gehabt. Oder ist diese hohe Anzahl an Reflektoren ein Anzeichen dafür, dass Berlins Autofahrer tatsächlich rücksichtslos sind und einen sonst überhaupt nicht sehen würden.  

Ich bin in London viel Fahrrad gefahren und ich dachte, es wäre in Berlin sicherer als dort. Aber im letzten Jahr hatte Berlin elf getötete Radfahrer und London dreizehn. Wenn man bedenkt, wieviel größer London doch ist und wie wenige Fahrradwege es hat, ist das ein ziemlich überraschender Vergleich. 

Es kann nur eins sein, schließe ich daraus. Diese bescheuerte Rechtsabbieger-Regelung bei einem grünen Männchen ist was die Fahrradfahrer tötet, während sie ihre Räder über die Straße rollen. 

Nun aber im Ernst, diese Rechtsabbiegen-bei-Grün-Regel ist verrückt und gefährlich. Wenn der grüne Mann in London auf grün steht, hat man absolutes Gehrecht. Er hat zwar keinen Hut, aber beschützt einen wirklich. Wieso machen Sie nicht dasselbe?

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