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Flughafen Tempelhof: Der Irrflug des Adlers

Der Countdown läuft: In 18 Tagen schließt der Flughafen Tempelhof. Der Vogelkopf vom Eagle Square aber bleibt.

Ein glatter Durchschuss, hinten am Hals rein, seitlich raus – oder umgekehrt. Beweisen lässt es sich zwar kaum, dass der Adlerkopf vor dem Flughafen Tempelhof seine zwei Löcher während des Kampfes um Berlin erhielt, aber woher sonst sollten sie kommen? Zwar wurden sie wieder verschlossen, blieben aber gut erkennbar.

Der stolz blickende Vogelkopf hat auch sonst viel mitgemacht, diente Rotarmisten – noch komplett mit Adlerkörper – als Kulisse für Siegesfotos, reiste körperlos von Berlin über den Atlantik und wieder zurück, lag zwischendurch jahrzehntelang in einem Museumskeller herum, kam erst durch die private Neugier eines jungen US-Offiziers auf seinen Ehrenplatz am Rande des Flughafen-Vorplatzes.

Geschaffen hatte den 4,50 Meter hohen Metallvogel 1940 der Bildhauer Wilhelm Lemke, nach einem Entwurf des Flughafen-Architekten Ernst Sagebiel. Die Figur hatte oben auf dem Dach der Haupthalle nur eine „architektonisch-dekorative Funktion“, war nicht als Hoheitszeichen gedacht – so beschrieb es zumindest Sagebiel 1962 in einem Brief. Das scheint schon wegen der weiteren sechs Steinrelief-Adler am Platz der Luftbrücke, vier am Flughafengebäude, zwei am Columbiahaus, wenig glaubhaft. Immerhin thronte der Adler nicht auf einem Hakenkreuz, sondern auf einer Weltkugel. Die Amerikaner störten sich ohnehin nicht an dem Vogel, nannten den Platz „Eagle Square“.

Das blieb auch nach 1962 so, dem Jahr, als der Adler verschwand. Oben aufs Dach sollte eine – heute ebenfalls längst wieder abgebaute – Radaranlage, das bedeutete das Ende des Adlers. Ursprünglich sollte er per Hubschrauber komplett heruntergehoben werden, erwies sich aber als zu marode und mit über neun Tonnen ohnehin zu schwer, daher wurde er oben auf dem Dach zerlegt und entsorgt – bis auf den Kopf. Den verpackte man, schickte ihn dem Museum der US-Militärakademie West Point, New York. Neben George Washingtons Pistolen, der letzten Nachricht von Colonel George A. Custer aus der Schlacht am Little Bighorn River oder der Sicherungskappe der Atombombe von Nagasaki bewahrt dieses Haus auch zahlreiche Siegestrophäen etwa aus „Nazi Germany“ auf, wie es auf der Website des Museums heißt. Für den Adlerkopf hatte man keine Verwendung, versteckte ihn im Depot.

Dass er da nicht noch immer rostet, verdankt die Stadt David Luders, einst Leutnant bei der U.S. Air Force in Tempelhof. Der wunderte sich, dass es zum „Eagle Square“ gar keinen eagle gab, forschte nach und stieß auf das traurige Schicksal des vergessenen Kopfes. Unter den Amerikanern in der Stadt machte das die Runde, bald entstand die Idee der Rückführung des Rest-Adlers, für die sich sogar der ehemalige Stadtkommandant James G. Boatner begeisterte. Ende 1984 kehrte der Adlerkopf zurück, am 6. August 1985 wurde er wieder enthüllt – feierlich und mit allen militärischen Ehren.

Countdown für Tempelhof – unsere tägliche Serie. Morgen lesen Sie, was aus den Flugsicherungsanlagen wird.

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