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Für die Berliner ist das Chaos bei der S-Bahn schon Alltag, wie diese Bildergalerie belegt.

© ddp

Heute Entscheidung: Berliner S-Bahn bittet Lokführer: Verschont uns vom Streik

Die S-Bahn Berlin fordert die Gewerkschaft Deutscher Lokführer eindringlich auf, sie vom geplanten bundesweiten Streik zu verschonen. Am heutigen Mittwoch fällt die Entscheidung.

Durch die vielen technischen Probleme und Fahrplaneinschränkungen habe sich bei ihren Kunden ein „spürbar gewachsenes Aggressionspotenzial“ gegenüber S-Bahnmitarbeitern entwickelt. Bei einem Streik könne dies eine „weitere Eskalationsstufe“ erreichen, heißt es in einem Brief der S-Bahnleitung an die GDL.

Die Gewerkschaft reagierte nicht gänzlich ablehnend. Deren Bundesvorsitzender Claus Weselsky sagte dem Tagesspiegel: „Wir werden bei der S-Bahn sicherlich deren besondere Situation berücksichtigen.“ Über ihre geplanten Arbeitsniederlegungen will die Gewerkschaft anlässlich einer Protestveranstaltung in Berlin näher informieren. Danach soll es auf jeden Fall erste Warnstreiks und eine Urabstimmung geben. Die GDL kämpft für einen branchenweit gültigen Tarifvertrag für alle Lokführer.

Von „überstrapazierten Kunden“ und der Furcht vor einem weiteren Imageverlust ist ebenfalls die Rede in dem Appell an die GDL. Das Verständnis der Fahrgäste für die Probleme des Unternehmens und die Fahrplaneinschränkungen sei erschöpft, heißt es in dem Schreiben der Geschäftsführung der S-Bahn an Weselsky.

Für die S-Bahn wäre ein Ausstand zum jetzigen Zeitpunkt besonders schmerzhaft, weil die vielen Ärgernisse seit dem 24. Januar, also seit Beginn des winterlichen Notfahrplanes, weniger geworden sind. „Die Situation hat sich merklich beruhigt, wir verkehren zwar weiter eingeschränkt, aber zumindest wieder verlässlich“, sagte gestern ein S-Bahnsprecher.

Wie berichtet, gilt der Winterfahrplan noch bis zum 28. Februar. In dieser Zeit fahren alle Züge nicht mehr die üblichen 80 Stundenkilometer, sondern nur mit Tempo 60. Damit reagiert die S-Bahn auf kältebedingte technische Probleme, die sich während der Frostperiode ergaben. In der Folge verkehren die meisten Linien nun zwar in längeren Takten, auf der Stadtbahn beispielsweise nur alle zehn statt fünf Minuten, aber dafür herrscht laut S-Bahn „wieder Pünktlichkeit“. Nach neuesten Messungen hätten die S-Bahnzüge in Berlin und Brandenburg in den vergangenen Tagen zu 97,5 Prozent ihren Fahrplan eingehalten, hieß es gestern. Als weitere Verbesserung komme hinzu, dass die meisten Züge während des Notfahrplanes mit mehr Waggons verkehren, um Gedränge zu verhindern.

Zusätzlich kündigte das Unternehmen auch „Nachbesserungen“ im nächtlichen Verkehr an Wochenenden an. Zwischen Westkreuz und Potsdam sollen die Linien S7/S5 ab 26./27. Februar, dem letzten Wochenende des Winterfahrplanes, im 20- Minuten-Takt fahren. Zur Zeit verkehren sie 40-minütig. Ab 28. Februar gilt wieder der reguläre S-Bahnfahrplan – allerdings mit weiteren Einschränkungen von bis zu 20 Prozent des üblichen Angebotes.

Zuversichtlich gab sich gestern der Leiter der S-Bahn-Kundenbetreuung, Matthias Arndt, weil die Beschwerdeflut seit Start des Winterfahrplanes „deutlich geringer geworden ist“. Daher unterstützte er gestern den Appell des Unternehmens an die Lokführergewerkschaft, die S-Bahn vom Ausstand zu verschonen. Darin heißt es auch, die Fahrgäste „würden einen Streik als weiteren Beweis für die Unzuverlässigkeit der S-Bahn bewerten und nicht als Mittel einer Tarifauseinandersetzung“. Das in der Vergangenheit schon spürbare Aggressionspotenzial gegenüber den Kolleginnen könne „eine weitere Eskalationsstufe erreichen“.

Zuletzt hatte die GDL im Herbst 2007 mit einem Streik die S-Bahn lahmgelegt, gezielt auch im Berufsverkehr. Damals zeigte sich, dass vom Stillstand der Züge besonders die Viertel am Rande Berlins und die brandenburgischen Orte entlang der S-Bahn betroffen waren. In den innerstädtischen Bezirken ergaben sich hingegen dank des engmaschigen Nahverkehrsnetzes weitaus geringere Verzögerungen. Viele Menschen stiegen auf U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse um.

Selbst wenn die S-Bahn vom Ausstand verschont bleibt, werden bei einem Streik aber voraussichtlich viele Regionalzüge zum Stillstand gebracht. Das träfe auf diesen Strecken besonders all jene, die beruflich zwischen der Hauptstadt und brandenburgischen Städten pendeln – beispielsweise mit dem Regionalexpress 1 zwischen Brandenburg (Havel) und Berlin oder mit dem RE2 Richtung Cottbus.

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