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Nach Gerichtsentscheid: Trauer und Jubel - A 100 spaltet weiter die Stadt

Das Urteil zum Weiterbau der A 100 wird unterschiedlich aufgenommen: Während die Wirtschaft die Leipziger Entscheidung begrüßt, kündigen Gegner Proteste an.

Anwohnerin Roswitha Hollnack standen die Tränen in den Augen. Fast 30 Jahre hat sie in der Treptower Beermannstraße gelebt. Jetzt müssen sie, ihr Mann und der Hund ausziehen. Das Haus Nummer 22 wird für den Autobahnbau abgerissen, ebenso wie das Haus Nummer 20. Auch der Garten soll weg. „Wir wollten hier alt werden“, sagt Hollnack.

Doch die Hoffnung ist mit dem Urteil am Mittwochmorgen deutlich geschwunden. Da hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klagen gegen das Projekt abgewiesen. Leicht hatte man es sich nicht getan, wie der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier nach einer einstündigen Verspätung betonte. Bis zuletzt habe man darum gerungen, sagte er. Doch am Ende war das Votum der Richter eindeutig: Die A 100 darf weiter gebaut werden. Die Planer müssen aber beim Lärmschutz nachbessern.

In Berlin wurde das Urteil aus Leipzig je nach Interessenlage begrüßt oder bedauert. „Der Weg ist nun endlich frei für die Verlängerung der Stadtautobahn“, sagte Christian Wiesenhütter, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin. „Der Ausbau des Stadtrings bedeutet für die Bevölkerung und die Wirtschaft eine große Entlastung. Durch die Bündelung des Verkehrs werden nicht nur Wohngebiete vom Güterverkehr befreit, sondern auch Industrie- und Gewerbegebiete erschlossen.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt hatte, bedauerte hingegen die Entscheidung des Gerichts. BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser sagte: „Enttäuschend ist, dass das Gericht zwar die deutlichen Mängel der Planung erkannt hat, dann aber nicht konsequent war und den Baubeschluss aufgehoben hat.“

Der ehemalige Grünen-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Volker Ratzmann sagte: „Auch nach dem Urteil bleibt der Weiterbau der A 100 eine unsinnige Entscheidung. Bleibt abzuwarten, ob das Bundesverkehrsministerium tatsächlich die Mittel dafür zur Verfügung stellen will, was dem öffentlich verkündeten Paradigmenwechsel vom Neubau hin zur Sanierung völlig widersprechen würde.“ Ratzmann, der inzwischen als Koordinator für Bundesangelegenheiten in der Landesvertretung Baden-Württembergs arbeitet, führte für die Grünen nach der letzten Abgeordnetenhauswahl die Koalitionsgespräche mit der SPD, die offiziell an der A 100 scheiterten. Er bleibt skeptisch: „Wenn ich mir so den Umgang Berlins mit anderen Großprojekten anschaue, dann ist längst nicht sicher, dass die A 100 gebaut wird.“ Berlins ADAC-Sprecher Jörg Becker hat da keine Bedenken: „Dieser Autobahnabschnitt ist ganz wichtig für die Anbindung der nordöstlichen Stadtteile an den künftigen Großflughafen.“

Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne) sagte, der Weiterbau der A 100 bleibe ein „verkehrspolitisches Unsinnsprojekt“, auch wenn das Gericht die formalrechtliche Korrektheit bestätigt habe. „Uns geht es ja um inhaltliche Fragen“, sagte Schulz: „Wir werden prüfen, was wir politisch tun können.“

Verwundert sei er über die Aussage des Gerichts, die Berliner Bezirke seien nach der Verfassung des Landes nicht für die Planung zuständig, wie es Gemeinden in anderen Bundesländern sind, und deshalb nicht zur Klage befugt. „Da waren andere Gerichte in der Vergangenheit anderer Ansicht, jedenfalls wenn es sich um Bebauungspläne handelte“, sagte Schulz. Die Kosten, die das Gericht jetzt dem Bezirk auferlegt hat, würden sich schätzungsweise unter 10 000 Euro bewegen. Schulz hofft, dass nächstes Jahr eine rot-grüne Bundesregierung gewählt wird, die kein Geld für den Ausbau der A 100 bewilligt.

Einige der Anwohner, sie sich am Mittwoch spontan in der Treptower Beermannstraße versammelten, hatten sich Masken von Peter Ramsauer (CSU) und Klaus Wowereit (SPD) über die Gesichter gezogen und symbolisch das Geld mit vollen Händen vom Balkon geworfen. So wie es der Bundesverkehrsminister und der Regierende Bürgermeister von Berlin ihrer Ansicht nach tun, wenn sie die Stadtautobahn A 100 jetzt weiterbauen. Das Aktionsbündnis gegen den Ausbau hat für diesen Donnerstag um 13 Uhr zu einer weiteren Protestaktion in der Beermannstraße aufgerufen. Dann soll wieder das Geld mit vollen Händen rausgeworfen werden.

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