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Nahverkehr: S-Bahn muss um Berliner Auftrag bangen

Auch zum Fahrplanwechsel gibt es noch keinen Normalbetrieb. Der Senat setzt die Deutsche Bahn unter Druck. Er will die Ausschreibung des S-Bahn-Vertrages bei weiteren Verstößen "ernsthaft" prüfen.

Die S-Bahn, die auch im Dezember noch keinen Normalbetrieb anbieten kann, muss damit rechnen, dass sie nach dem Jahr 2017 den Auftrag zum Betreiben des Netzes an einen Konkurrenten verliert. Falls das Unternehmen so weitermache wie bisher, werde man nach Ablauf des Vertrags die Frage einer Ausschreibung „ernsthaft prüfen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Den Vertrag vorzeitig zu kündigen, sei weiterhin nicht geplant.

Der Senat will bis 2011/12 entscheiden, ob die Leistungen der S-Bahn nach 2017 ausgeschrieben werden oder ob das Tochterunternehmen der Bahn weiter in Berlin fahren darf. Auch dies wäre rechtlich möglich. Die Entscheidung muss bald fallen, weil das Betreiben des Netzes einen enormen Vorlauf für jedes Unternehmen erfordert, das den Auftrag erhält.

Junge-Reyer kündigte auch an, das Land werde prüfen, ob die S-Bahn „rekommunalisiert“ werden könne, wie es bereits Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos für SPD) ins Gespräch gebracht hat. Im Westteil der Stadt war die S-Bahn bereits von 1984 bis 1994 unter der Regie der BVG gefahren, ohne dass diese oder der Senat Eigentümer waren.

Sicher kann sich die S-Bahn sein, dass ihr der Senat den im bestehenden Verkehrsvertrag vereinbarten Zuschuss weiter kürzen wird. Bisher hat das Land von zugesagten 232 Millionen Euro bereits 31 Millionen Euro einbehalten, die nun im Bereich der BVG ausgegeben werden, etwa für den Einbau von weiteren Aufzügen in U-Bahnhöfen oder auch für Kameras in Fahrzeugen.

Zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember will die S-Bahn zwar wieder weitgehend planmäßig auf allen Linien fahren – aber zum Teil weiter mit kürzeren Zügen als üblich. Auch dies beeinträchtige die Qualität erheblich, sagte Junge-Reyer. Deshalb will der Senat, wie berichtet, auch in solchen Fällen den Zuschuss kürzen und es dabei auch auf eine mögliche Klage ankommen lassen. „Die S-Bahn ist offenbar weiterhin nicht in der Lage, ausreichend Fahrzeuge für vertragskonforme Angebote bereitzustellen“, sagte Junge-Reyer. Nach dem Bruch eines Rades und wegen mangelhaft ausgeführter Wartungen bei den Bremsanlagen musste ein Großteil der Züge außerplanmäßig in die Werkstatt. Diese fehlen nach wie vor im Betrieb.

Bis zum Fahrplanwechsel will die S-Bahn etwa 480 Viertelzüge einsetzen können, die jeweils aus zwei Wagen bestehen; für den Normalbetrieb sind in Spitzenzeiten 552 erforderlich. Insgesamt besteht die Flotte aus 632 Viertelzügen.

Warum am vergangenen Sonntag ein Zug im Betriebswerk Grünau entgleiste, ist weiter unklar. Ursache seien wahrscheinlich herabhängende oder heruntergefallene Teile, heißt es bisher. Das Eisenbahn-Bundesamt prüft aber auch die Betriebsabläufe. Der defekte Zug war, wie berichtet, nach dem Entdecken eines Schadens ohne Fahrgäste, aber auch ohne weitere Kontrolle, ins weit entfernte Betriebswerk geschickt worden, wo er dann entgleiste. Auf der Fahrt gab es mehrere Fehlermeldungen an Weichen, die wahrscheinlich vom defekten Zug ausgelöst worden waren.

Innerhalb der Entschädigungsregelungen nach den zahlreichen Zugausfällen gelten an diesem Wochenende zum ersten Mal Einzelfahrscheine als Tageskarten für das gesamte jeweilige Tarifgebiet: also auch bei der BVG. Die Kosten muss die S-Bahn übernehmen. Diese Regelung gilt an allen Adventswochenenden. Für Entschädigungen gibt die S-Bahn nach eigenen Angaben rund 55 Millionen Euro aus. Klaus Kurpjuweit/Lars von Törne

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