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Neue Technik für Rennräder: Mehr Komfort für die Puristen

Bei Rennrädern und Mountainbikes sollen Neuentwicklungen die Touren bequemer machen. Selbst hartgesottene Rennrad-Fans genehmigen sich mehr Komfort für die ganz langen Touren.

Sportliches Radfahren ist ja so etwas wie die letzte Bastion männlicher Unvernunft. Im Sattel darf Mann noch Macho sein, treten bis die Herzklappe wummert, und mit einem grimmig entschlossenen "Lieber tot als Zweiter" die Berge hochkeuchen. Egal ob auf der Straße oder im Gelände. In dieser Szenerie gelten Ausdrücke wie Bequemlichkeit oder Komfort eigentlich als Schimpfworte. Sportliches Radeln soll nicht bequem sein – so denken zumindest die Puristen.

Doch langsam entdeckt die Szene für sich eine Art Altersmilde, das Wort Komfort wird im Zusammenhang mit Rennrädern immer öfter verwendet. Der Grund dafür ist simpel: Die Zahl der Radler, die an Wochenenden lange und auch sehr lange Strecken fahren, wird immer größer. Marathons über 200 Kilometer gibt es beinahe jedes Wochenende, bei "Rad am Ring" fuhren im August rund 10 000 Enthusiasten allein oder in einer Mannschaft 24 Stunden über die Nordschleife der Rennstrecke und zum Abschluss dieser Saison können sich die Quälsüchtigen erstmals Ende Oktober an der "Tortour Mallorca" versuchen. Da geht es dann nonstop auf einer Strecke von 520 Kilometer rund um die Insel.

Komfort für Rennräder? Neue Technik macht es möglich

Wer sich das antut, ist froh um jedes Detail, das die Sattelarbeit erträglicher macht. Und so kommen in jüngster Zeit immer mehr Rennräder auf den Markt, die den Namen Komfort in sich führen. Der Unterschied liegt hierbei in einer anderen Rahmengeometrie, die sich an einer etwas aufrechteren statt einer aerodynamisch optimalen Sitzposition orientiert. Dazu kommt: Komforträder dämpfen. Technisch schafft man das dadurch, dass Ober- und Sattelrohr des Rahmens nicht starr verbunden sind, sondern teilweise entkoppelt werden, wodurch das Sattelrohr als eine Art Feder wirkt. Dafür gibt es unterschiedliche Techniken. Meist stellen Kugellager und Bolzen die Verbindung zwischen den Rahmenteilen her. Selbst Profis nutzen diese noch sehr neue Technik ab und zu. Unter 3000 Euro sind solche Rennräder aber noch kaum im Markt.

Günstiger bekommt man mehr Komfort durch breitere Reifen. 18 Millimeter, die Breite der Puristen, fährt man heute kaum noch. 21 bis 23 Millimeter sind der Standard, wer es aber gerne ein wenig bequemer hat, kann auch bis knapp 28 Millimeter breite Reifen aufziehen. Begünstigt wird der Trend zur Breite auch durch die Zunahme der Scheibenbremsen, die anders als die Felgenbremsen ja nicht um einen Reifen herumgreifen müssen. Hier ist allerdings Vorsicht angesagt. Scheibenbremsen lassen sich zwar besser dosieren und mit weniger Kraft bedienen, bei langen Bergabfahrten wird aber auch heute noch oft über Überhitzung und plötzliches Bremsversagen geklagt. Und wer, wie in vielen Foren berichtet, bei der Abfahrt von einem Pass schon einmal beide Bremsgriffe bis an den Lenker durchgezogen hat, ohne dass das Rad nennenswert verzögert, der pfeift in der Sekunde auf den Komfort.

Verkapseltes Getriebe fürs Gelände

Sicherer und vor allem bequemer kann es künftig auch im Gelände zur Sache gehen. Die beiden engagierten Hobby-Mountainbiker Christoph Lermen und Michael Schmitz ärgerten sich immer wieder, dass konventionelle Kettenschaltungen im Gelände nicht gerade ideal sind. Dreck, Laub oder kleine Ästchen in den Ritzeln und Werfern, gelegentlich riss auch mal ein ganzes Schaltwerk am Hinterrad im rauen Gelände einfach ab. Das muss doch anders gehen, dachten sich 2006 die beiden jungen Werkstudenten bei Porsche in Stuttgart und entwickelten analog zum Pkw-Bau ein vollverkapseltes Stirnradgetriebe, das im Schwerpunkt des Velos beim Tretlager angebracht wird und sich so nicht negativ auf das Fahrverhalten auswirkt. Die Idee der beiden Ingenieure wurde zwei Jahre später der Öffentlichkeit präsentiert, 2012 begannen die ersten Radhersteller das Getriebe zu verbauen, heute beliefert die von den beiden mithilfe eines Investors gegründete Firma Pinion bereits mehr als 50 Fahrradmarken.

Die Bequemlichkeit für den Fahrer liegt auch im wartungsarmen Betrieb. Das Getriebe läuft im Ölbad, ein Wechsel alle 10 000 Kilometer reicht. Mehr als die Hälfte der Hersteller bieten das Getriebe mit Zahnriemen statt mit Kette an, was auch die Waden der Fahrer sauber hält. Allerdings ist das Getriebe ein knappes Kilo schwerer als eine herkömmliche Kettenschaltung, weshalb die Hersteller von Rennrädern bisher noch wenig Interesse an dem Konzept zeigen. Wo um wenige Gramm am Renn-Velo gekämpft wird, passt das nicht.

Mit Pinion-Getriebe über den Himalaya

Beim Mountainbike, aber auch im Trekking- oder Reiseradbereich schätzt man aber neben der Unkompliziertheit vor allem den Schaltkomfort. Die Übersetzungsbandbreite beträgt 636 Prozent, das ist mehr als im Moment jede Naben- oder Kettenschaltung kann. Übersetzt: Der leichteste der 18 Gänge ist leichter als alles derzeit auf dem Markt, die dickste Mühle so dick, dass man bis Tempo 54 noch einen Tretwiderstand am Pedal spürt.

Ob dem Konzept die Zukunft gehört und die Hinterrad-Nabenschaltung ablösen kann, wird sich wohl auch über den Preis regeln. Räder mit Pinion-Schaltung sind im oberen Preissegment zu Hause, der Komfort hat seinen Preis. Den Härtetest hat das noch junge Getriebe aber bestanden. Ein Extremradler fuhr ein Bike mit Pinion bei einem Treck durch das Himalaya und kam defektfrei nach Hause. Bei allem Stress so einer Reise doch ein hoher Komfort.

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