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Kinderschutz: Nachlässige Eltern bekommen Besuch vom Amt

Die Koalition einigt sich auf ein Kinderschutzgesetz. Es regelt verbindliche Einladungen zu Vorsorgechecks.

Von Sabine Beikler

Wer sein Kind nicht zu den Früherkennungsuntersuchungen ab der U4 im dritten Monat bis zum zehnten Lebensjahr schickt, kann vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Besuch bekommen. Nach monatelangen Debatten hat sich die Koalition jetzt darauf verständigt, wie die verbindlichen Vorsorge-Einladungen organisiert werden. Nach Tagesspiegel-Informationen soll eine zentrale Stelle in der Charité für das Einladungs- und Rückmeldeverfahren verantwortlich sein. SPD- und Linksfraktion haben jetzt das überarbeitete Kinderschutzgesetz verabschiedet. Das Gesetz wird in den Ausschüssen beraten und soll am 10. Dezember auf der letzten Plenarsitzung in diesem Jahr verabschiedet werden.

Schon im Dezember vergangenen Jahres hatte der Senat das lange angekündigte Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht. Doch vor allem die Diskussionen über Datenschutz hatten die Parlamentarier und die Senatsgesundheitsverwaltung beschäftigt.

Es ging dabei um die individuelle Identifizierungsnummer eines Kindes. Mit Einführung einer nummerierten Screening-ID wird jedes Neugeborene in der Charité registriert. Diese Nummer wird auf Etiketten für das Vorsorgeheft gedruckt. Wenn sich später Eltern mit ihren Kindern beim Arzt vorstellen, sendet er die Daten an eine zentrale Stelle in der Charité. Dort werden diese Daten mit den Meldedaten zusammengeführt und abgeglichen. Sollten Eltern mit ihren Kindern nicht zu den Untersuchungen erscheinen, werden sie angeschrieben. Erfolgt dann wieder keine Rückmeldung, schaltet die zentrale Stelle in der Charité den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst ein, der für den Wohnort zuständig ist. Nach einer schriftlichen Ankündigung werden die Eltern dann Besuch von Mitarbeitern erhalten. „Bei dem Besuch sollen Inhalt und Zweck der Früherkennungsuntersuchungen erläutert werden“, sagt Wolfgang Albers, Gesundheitspolitiker der Linken und Chirurg.

Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen sind nur ein Baustein in dem Gesetzespaket, das im Januar in Kraft treten soll. Das „Netzwerk Kinderschutz“ als Bestandteil soll vor allem Misshandlungen und Vernachlässigung verhindern. Dazu gehören die Besuche bei Familien nach der Geburt des ersten Kindes. Doch berlinweit können wie berichtet die Gesundheitsämter nur etwa jede zweite Familie aufsuchen, da das Personal fehlt.

SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde fordert deshalb die Aufstockung der Stellen. Zurzeit gibt es 135 Stellen im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst. „Es müssen aber mindestens 20 Stellen mehr sein“, sagt Winde. Auch Albers sieht das so. „Kinder- und Jugendschutz macht keinen Sinn auf dem Papier. Der zweite Schritt muss eine vernünftige personelle Ausstattung sein.“

Statt eine zentrale Stelle für das Einladungswesen aufzubauen, hätte Grünen-Familienpolitikerin Elfi Jantzen den personellen Ausbau bei den frühen Hilfen erwartet. „Wir müssen das Angebotsnetz rund um die Geburt verbessern und mehr Personal einstellen. Alles andere hat nur Placebo-Effekt“, sagt Jantzen. Nach wie vor fehle die Zielstruktur für ein Muster-Gesundheitsamt, um den Personalbedarf zu bestimmen. Daran aber arbeitet die Senatsgesundheitsverwaltung schon seit zwei Jahren. Sabine Beikler

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