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Badevergnügen: So stellte sich der Maler Sir Lawrence Alma-Tadema 1909 – inspiriert von Fotografien der Ausgrabungen des Areals in der durch den Vulkanausbruch verschütteten Stadt Pompeji – die Stabianer Thermen vor.

© akg-images

Archäologie: Antike Badefreuden

Monika Trümper, Professorin für Klassische Archäologie, erforscht die Geschichte des antiken Bades – und der damaligen Körperkultur.

Wenn du nicht in den Thermen des Etruscus gebadet hast, so stirbst du ungewaschen“, schwärmte der römische Dichter Martial Ende des ersten Jahrhundert n. Chr. vom Bad eines Freundes. Das Wasser sei dort so klar, dass man glauben könne, die Marmorbecken seien leer.

Die Archäologin Monika Trümper vermutet zwar, dass dort – wie in den meisten Bädern – eher eine trübe Brühe gestanden haben muss, die über Wasserleitungen nach Rom transportiert wurde. Dennoch zeuge dieses frühe Werbegedicht von der Bedeutung der Badekultur in der Antike, einem der Forschungsschwerpunkte der Professorin für Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin.

Geselligkeit und aufwendige Körperpflege in einer öffentlichen Therme oder einer „Badesuite“ in einem Privathaus hätten für Römer und Römerinnen zu einem guten Leben gehört, sagt sie. Zu der Zeit, zu der Martial seine Texte verfasste, waren die Thermen bereits perfektioniert worden zu einer Art „Erlebnisbädern“, die immer raffiniertere „Wellness-Programme“ ermöglichten.

Sie waren zudem ein sozialer Ort, den man in Begleitung der Freunde aufsuchte, und an dem sich Angehörige unterschiedlicher sozialer Schichten – wahrscheinlich gelegentlich auch Männer und Frauen – trafen. Selbst der Kaiser ging von Zeit zu Zeit ins öffentliche Bad.

Die ersten öffentlichen Bäder gab es in Athen

Ihren Ursprung hat die Badekultur jedoch im antiken Griechenland. Bereits in Homers Odyssee findet sich eine Passage, die die wohltuende Wirkung des Wassers auf Odysseus schildert, der „lange keine Pflege genossen“ hatte: „Ein herzerfreuender Anblick war ihm das warme Bad.“

Archäologische Belege von öffentlichen Bädern finden sich allerdings erst von der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts an in Athen. Wie etwa am Zeus-Heiligtum in Olympia entstanden balaneion genannte öffentliche Bäder, die über einen Raum mit nebeneinander stehenden Sitzbadewannen verfügten.

„Hier überwogen noch die individuellen Badeformen“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Badenden hätten sich mit warmem Wasser übergossen, sie „duschten“ sich in gewisser Weise eher, als dass sie badeten, und schöpften das auf dem Wannenboden aufgefangene Wasser zur erneuten Verwendung.

Eine erste Neuerung war der Einbau einer Fußbodenheizung, eines sogenannten Hypokausten-Systems, das dafür sorgte, dass nicht nur das warme Wasser, sondern der ganze Raum zum Wohlbefinden beitrug. Die Bäder wurden auch immer üppiger ausgestaltet: mit Gewölben, Säulen und Stuck – und das, obwohl die Räume bis in die römische Kaiserzeit hinein allein schon aus wärmetechnischen Gründen eher fensterlos und dunkel gewesen sein müssten, wie Monika Trümper sagt.

Grabungen auf Sizilien liefern neue Einsichten

Es seien Orte entstanden, die zum gemeinsamen Verweilen einluden. Dafür habe auch ein warmes Tauchbecken gesorgt, das von unten geheizt wurde und über gewölbte Rückenlehnen verfügte, sagt die Wissenschaftlerin. Außerdem seien Schwitzbäder hinzugekommen: „Hier konnte man Zeit miteinander verbringen.“

So etwa in der antiken Stadt Morgantina auf Sizilien – wo Monika Trümper mit ihrem Team auch in diesem Sommer gegraben hat. Die Grabungen im sogenannten Süd-Bad, das von etwa 250 bis 211 v. Chr. genutzt wurde, zeigten, dass dieses über ein für seine Zeit „hochmodernes Badeprogramm“ verfügte.

Es habe individuelle reinigende und kollektive entspannende Badeformen miteinander verbunden. Dafür sprächen 14 Räume, ein möglicherweise schon komplexes Wasserverteilersystem sowie ein außergewöhnlicher Fund: ein vollständig erhaltener großer Badeofen. Wie das System funktioniert hat und vor allem woher das Wasser für die großen Tauchbecken kam, wissen die Archäologen allerdings noch nicht.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts für den Exzellenzcluster Topoi – einem altertumswissenschaftlichen Forschungsverbund von Freier Universität und Humboldt-Universität – hat Monika Trümper in zwei römischen Bädern in Pompeji in den vergangenen Jahren Grabungen durchgeführt. Hier werde deutlich, wie Heiztechnik und Wasserversorgung in den folgenden Jahrhunderten perfektioniert worden seien, sagt die Archäologin.

Pompeji hatte öffentliche Bäder für 10 000 Einwohner

Noch heute ist der Glanz der römischen Bäder zu erahnen.
Noch heute ist der Glanz der römischen Bäder zu erahnen.

© Jürgen Reichmann

Die Republikanischen Thermen entstanden im zweiten Jahrhundert v. Chr., noch bevor Pompeji römische Kolonie wurde, und wurden Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. aufgeben und mit einem Privathaus überbaut. Ein stillgelegtes Bad ist für Archäologen ein besonderer Fund: „Die Thermen entsprachen offenbar nicht mehr dem neuesten Stand“, sagt Monika Trümper, „der Betrieb lohnte sich für den vermutlich privaten Besitzer nicht mehr, da andere Bäder über mehr Attraktionen verfügten.“

Pompeji hatte um Christi Geburt zwei bis drei große öffentliche Bäder für vermutlich 10 000 Einwohner, dazu kamen kleinere Bäder sowie Badeanlagen in Sportstätten und Privathäusern. Ein weiteres Bad war bei der Zerstörung der Stadt 79 n. Chr. noch im Bau.

Bei den Stabianer Thermen – benannt nach der Via Stabiana, an der sie sich befanden – machen es die erhaltenen Räume mit Tonnengewölben, Bemalungen und der Stuckatur den Besuchern noch heute möglich, sich einen Besuch in einem römischen Bad vor dem verheerenden Vulkanausbruch des Vesuvs vorzustellen.

In den Thermen, die bereits Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. errichtet worden waren, wurden nicht nur Fußböden, sondern in den unterschiedlich heißen Räumen – dem tepidarium und dem caldarium, dem zentralen Raum jedes Bades mit einem warmen Tauchbecken – auch die Wände bis unter die Gewölbedecke beheizt.

Im frühen ersten Jahrhundert n. Chr. ermöglichte der Anschluss an die städtische Wasserleitung den Bau ganz neuer Badevorrichtungen wie zunächst eines frigidarium, eines Raumes mit Kaltwasserbecken, und dann einer natatio, eines Kaltwasserschwimmbeckens am Rande der Palästra, des Sportplatzes. Dass diese Leitungen auch noch nach dem Erdbeben des Jahres 62 n. Chr., das dem Vulkanausbruch voranging, funktioniert haben müssen, als die Thermen noch einmal modernisiert und erweitert wurden, konnten Grabungen im Frühjahr 2016 bestätigen.

Frauen und Männer badeten getrennt - nackt

Durch neue Grabungen wird die Geschichte der Stabianer Thermen erforscht.
Durch neue Grabungen wird die Geschichte der Stabianer Thermen erforscht.

© Christoph Rummel

Sowohl in den Republikanischen Thermen als auch den Stabianer Thermen gab es getrennte Trakte für Männer und Frauen. Die Bereiche für Frauen waren kleiner, weniger gut ausgestattet und schlechter zugänglich. In den griechischen Bädern seien die aufwendig gestalteten Räume mit entspannenden Luxusbadeformen vielleicht sogar Männern vorbehalten gewesen, vermutet Monika Trümper.

Möglicherweise hätten die Geschlechter auch zu unterschiedlichen Zeiten gebadet. In der Antike sei grundsätzlich nackt gebadet worden, obwohl es leichte Formen der Badekleidung gegeben haben könnte. Das Verhältnis zur Nacktheit sei allerdings bei den Römern nicht mehr ganz so entspannt gewesen wie bei den Griechen.

Auch wenn sich Menschen nur in hölzernen Badeschuhen und eventuell mit einem Tuch um die Hüften begegnet seien, gleich seien sie deshalb nicht unbedingt gewesen, sagt die Archäologin: „Wie gesund und wohlgenährt ein Körper war, sagte ebenso etwas über den Stand eines Menschen aus wie seine Frisur.“ Auch Schmuck sei wohl im Bad getragen worden: Zumindest habe man in Abwasserleitungen häufiger Schmuckstücke gefunden.

Es ging reinlich zu

Wie sauber und hygienisch aber waren Bäder in einer Zeit, in der es keine Seife gab? „Heutige Hygienestandards darf man da sicher nicht anlegen“, meint die Wissenschaftlerin. Dennoch geht sie davon aus, dass es vergleichsweise reinlich zuging, da sich die Badegäste vermutlich waschen mussten, bevor sie ins Wasserbecken stiegen oder ins Schwitzbad gingen: „Schon in griechischen Bädern wurden viele kleine Becken gefunden, die man für eine Vorreinigung nutzen konnte, bevor man in eine kollektive Badewanne stieg.“

Auch Öl spielte eine wichtige Rolle im Reinigungsritual: Es wurde sowohl vorher benutzt, um Schmutz zu entfernen, als auch nach dem Bad. Allerdings müssen die Bäder „Hotspots für die Übertragung von Infektionskrankheiten“ gewesen sein, vermutet Monika Trümper, gerade, weil sie von Ärzten oftmals als Therapie verordnet worden seien.

Dennoch: „Sich beinahe jeden Tag Zeit für diese Form der Körperpflege zu nehmen, zeigt, welche Bedeutung das Thema in der Antike hatte.“

Nina Diezemann

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