zum Hauptinhalt
Professor Peter-André Alt ist Literaturwissenschaftler und seit 2010 Präsident der Freien Universität.

© Thilo Rückeis

Deutsch-israelisches Rektorentreffen: „Das war in den 1950er Jahren unvorstellbar“

Es ging um aktuelle Herausforderungen, Pläne für die Zusammenarbeit und die gemeinsame Geschichte. Zum ersten Mal trafen sich Präsidenten und Rektoren aus Israel und Deutschland an der Freien Universität.

Eingeladen hatten die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und ihr israelisches Pendant, VERA. Das Treffen am 25. November war von der Freien Universität und der Hebrew University of Jerusalem, einer ihrer strategischen Partneruniversitäten, vorbereitet worden. Der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Peter-André Alt, zieht Bilanz.

Herr Professor Alt, ein solches Zusammentreffen hat es zuvor so noch nie gegeben. Über welche Themen wurde gesprochen?
Wir haben zunächst über Grundfragen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit diskutiert: Was kann Wissenschaft in schwierigen Zeiten für die Verständigung zwischen Ländern und Menschen leisten? Was ist das Verbindende an akademischen Kooperationen? Denn dafür ist die Geschichte ein gutes Beispiel: Die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft war ein Motor für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel vor 50 Jahren. Es ist schön zu sehen, wie vertrauensvoll und freundschaftlich das Zusammenwirken heute ist. Das Bewusstsein für die gemeinsame Geschichte wird die Zusammenarbeit beider Länder immer prägen, und doch wurde auf dem Treffen vor allem über die Gegenwart und die Zukunft gesprochen. Unser Hauptthema war daher auch die Zusammenarbeit in der Nachwuchsförderung.

Warum ist es so wichtig, junge Wissenschaftler gemeinsam zu fördern?
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sollten einen Teil ihrer Qualifikationszeit im Ausland verbringen. Diese Phasen können viel besser genutzt werden, wenn eine enge Kooperation zwischen der Heimathochschule und der Gasthochschule besteht. Das zeigen die gemeinsamen Programme, die wir mit unserer strategischen Partneruniversität, der Hebrew University of Jerusalem, organisiert haben, beispielsweise das gesellschaftswissenschaftliche Graduiertenkolleg „Human Rights under Pressure“ („Menschenrechte unter Druck“).

Welche Unterschiede gibt es zwischen deutschen und israelischen Hochschulen?
Deutschland hat mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein starkes Fördersystem, um das uns unsere Kollegen in Israel beneiden. Israel hat auch keinen akademischen Mittelbau, wie wir ihn kennen, Nachwuchsförderung ist deshalb schwieriger, weil es hierfür keine Stellen gibt. In Israel gibt es aber eine sehr lebhafte Start-up- und Innovationsszene, aus der auch Mittel in die Forschung zurückfließen. Von den israelischen Hochschulen können wir lernen, wie fruchtbar das Zusammenwirken von Grundlagenforschung und Firmengründungen ist.

Welche Pläne gibt es, die Zusammenarbeit weiter auszubauen?
Alle Teilnehmer haben sich in einem Grundsatzpapier darauf verständigt, die gemeinsame Betreuung von Doktoranden zu erweitern, mehr gemeinsame Doktorandenprogramme einzurichten und die Mobilität von Nachwuchswissenschaftlern zu erhöhen. Die Förderung soll auch nach der Doktorarbeit nicht enden. Wir wollen deutsch-israelische Karrierewege ebnen, indem Positionen für Postdoktoranden geschaffen und Nachwuchsforschergruppen eingerichtet werden.

Was ist an der Freien Universität geplant?
Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass neben dem Graduiertenkolleg zum Thema „Menschenrechte“ weitere gemeinsame Doktorandenprogramme, etwa in den Naturwissenschaften, entstehen. Auch das Stipendienprogramm für Postdoktoranden soll ausgebaut werden. Wer bereits als Studentin oder Student beziehungsweise am Anfang einer Karriere an einer Hochschule außerhalb der Alma Mater lernt oder forscht, nimmt Wissen auf, baut auch Beziehungen und Kontakte auf. So entsteht – das ist die Lehre aus den vergangenen 50 Jahren – ein bleibendes Netzwerk, das nicht nur zur Exzellenz in der Wissenschaft beiträgt, sondern darüber hinaus auch zur Verständigung zwischen Deutschland und Israel.

Die Fragen stellte Nina Diezemann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false