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Heiße, regenarme Sommer wie im vergangenen Jahr machen Landwirten zu schaffen.

© D. Maehrmann/picture alliance

Gentechnik: Getreide – fit für den Klimawandel?

Mit einem genetischen Kniff bringen Biologen der Freien Universität Berlin Gerstenpflanzen dazu, Trockenheit besser zu tolerieren.

Ausgedörrte Wiesen, verkümmerte Maiskolben und Getreide, das am Halm vertrocknet. Der Sommer 2018 hatte es in sich: Große Hitze und die langanhaltende Trockenheit führten vielerorts zu dramatischen Ernteeinbußen. Nicht nur die betroffenen Landwirte fragen sich, wie es weitergehen soll, wenn im Zuge des Klimawandels extreme Sommer häufiger werden. Ergiebige Niederschläge lassen sich nun mal nicht herbeizaubern – aber vielleicht Pflanzen an trockenere Böden anpassen?

Thomas Schmülling treibt diese Frage schon länger um. Dem Biologen, der an der Freien Universität Berlin die Arbeitsgruppe „Molekulare Entwicklungsbiologie der Pflanzen“ leitet, ist es kürzlich zusammen mit seinem langjährigen Mitarbeiter Eswarayya Ramireddy gelungen, Gerste weniger anfällig für Trockenstress zu machen. „Wir haben das Hormon Cytokinin, das üblicherweise das Wurzelwachstum unterdrückt, ausschließlich in der Wurzel der Gerstenpflanze reduziert“, erklärt Thomas Schmülling. Das Wurzelgeflecht wachse dadurch besser, weil weniger von dem Hormon zur Verfügung stehe. Um das zu erreichen, hat das Forscherteam die Aktivität des Gens verstärkt, das die Bildung des Enzyms Cytokinin-Oxidase bewirkt. Genau dieses Enzym baut nämlich das wachstumshemmende Phytohormon in den Wurzeln ab.

Die veränderte Gerste enthält deutlich mehr Zink

Im Gewächshaus säten sie anschließend die genetisch veränderte sowie die herkömmliche Gerste aus und vermaßen nach zwei bis vier Wochen jeweils Länge und Verzweigungsgrad der Wurzeln. Das Resultat: Die transgenen Pflanzen hatten deutlich mehr und stärker verzweigte Wurzeln ausgebildet. „Das Besondere dabei: Wir konnten keinen negativen Effekt auf das Sprosswachstum feststellen“, sagt Thomas Schmülling. Das vermehrte Wurzelwachstum gehe somit nicht zu Lasten der oberirdischen Pflanzenteile.

Die Pflanze „merkt“ also bei Trockenheit den Stress erst später, weil sie sich mit dem größeren Wurzelwerk zunächst auch noch bei weniger im Boden verbliebenem Wasser ausreichend versorgen kann? „Genau. Und da die Reaktion auf Wassermangel normalerweise ein Wachstumsstopp ist, könnte es sein, dass der Spross auch unter Stress weiterwächst und verschärfte Bedingungen toleriert.“

Dem Biologen Thomas Schmülling und seinem Kollegen Eswarayya Ramireddy ist es gelungen, eine Gerstenpflanze gezielt zu verändern.
Dem Biologen Thomas Schmülling und seinem Kollegen Eswarayya Ramireddy ist es gelungen, eine Gerstenpflanze gezielt zu verändern.

© Eswarayya Ramireddy

Trockenstress komme in sehr vielen verschiedenen Szenarien vor, erklärt Schmülling. Pflanzen können – je nach Wetterlage – sehr früh oder erst in späten Wachstumsphasen in Stress geraten. Das Wasser könne in der Tiefe des Bodens oder an der Oberfläche fehlen. „Von daher lässt sich unsere Beobachtung aus dem Gewächshaus nicht auf alle Szenarien übertragen. Aber die Ergebnisse machen uns Hoffnung.“ Auch aus einem ganz anderen Grund: Als die Forscherinnen und Forscher die Samenkörner der neuen Gerste untersuchten, machten sie eine überraschende Entdeckung: Sie enthielten 40 bis 50 Prozent mehr Zink als herkömmliches Getreide. „Zinkmangel gehört zusammen mit Jod- und Eisenmangel zu den größten Ernährungsproblemen weltweit“, erläutert der Biologe. „Rund zwei Milliarden Menschen leiden unter Zinkmangel, vor allem in den Entwicklungsländern.“ Die Folge ist ein geschwächtes Immunsystem. Wachstums- und Wundheilungsstörungen sowie eine verringerte Fruchtbarkeit gehen damit einher. Zinkmangel steht auch im Verdacht, für frühen Kindstod verantwortlich zu sein.

Die von mehreren Hilfsorganisationen unterstützte internationale Initiative HarvestPlus will deshalb unter anderem den Zinkgehalt in Nutzpflanzen durch gezielte Züchtung erhöhen. „Die Werte unserer Pflanzen liegen bereits über den von der Initiative angestrebten Zielwerten, das könnte ein Beitrag für eine nachhaltige Lösung bei Zink-Mangelernährung sein“, sagt Schmülling mit Blick in die Zukunft.

Modellpflanze für Weizen

Warum die transgene Gerste Zink verstärkt anreichert, ist noch nicht genau untersucht. „Wir vermuten, dass sich die Pflanze wegen des vermehrten Wurzelwachstums ein größeres Bodenvolumen erschließen kann. Zudem reguliert Cytokinin die Bildung von Transferzellen in der Wurzel. Das sind durchlässige Zellen in der Wurzel, die notwendig sind, um Spurenelemente aus dem Boden aufzunehmen. Weniger Cytokinin führt zur Bildung von mehr Transferzellen.“

Gerste dient auch als Modellpflanze für Weizen – die wichtigste Nahrungsmittelpflanze weltweit. Sie eignet sich aber aus genetischen Gründen nicht so gut für Experimente. Angefangen hatte Schmüllings Team mit einer anderen Modellpflanze – der Ackerschmalwand Arabidopsis. Hier verliefen die Cytokinin-Versuche ebenso erfolgreich wie anschließend bei Tabak und Raps. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im belgischen Gent arbeiten die Berliner Biologen derzeit an Mais. Erste Ergebnisse werden in wenigen Monaten erwartet.

Dichteres Wurzelgeflecht. Die beiden veränderten Pflanzen rechts können mehr Wasser aus dem Boden aufnehmen.
Dichteres Wurzelgeflecht. Die beiden veränderten Pflanzen rechts können mehr Wasser aus dem Boden aufnehmen.

© Eswarayya Ramireddy

Transgene Pflanzen, also grüne Gentechnik, wird in der Gesellschaft zum Teil kritisch gesehen. Während dort mit molekularbiologischen Methoden, wie in Thomas Schmüllings Arbeitsgruppe, einzelne Gene gezielt verändert werden, erzeugt man bei der klassischen Züchtung Mutationen durch chemische oder physikalische Einflüsse. Also durch Substanzen oder Strahlung, die das Erbgut verändern. „Eine Vielzahl von Genen werden dabei unkontrolliert manipuliert, anschließend werden durch Kreuzung der mutierten Pflanzen Neukombinationen erzeugt und die vielversprechendsten ausgewählt“, erläutert der Biologe.

Züchtung oder Gentechnik – nach Schmüllings Ansicht hat beides seine Berechtigung. „Gezielte Pflanzenzüchtung mit modernen molekularbiologischen Methoden kann künftig sogar relevant für die ökologische Landwirtschaft sein, denn sie kann wie in der konventionellen Landwirtschaft für die Herstellung geeigneter Sorten genutzt werden.“

Pflanzen beherrschen verschiedene Tricks, um sich – in gewissem Rahmen – selbst gegen Trockenstress zu schützen. So können sie etwa die Spaltöffnungen an ihren Blättern schließen oder eine dickere Wachsschicht bilden, um den Wasserverlust zu reduzieren. Doch das werde bei sehr vielen Arten nicht ausreichen, um „fit“ genug für den Klimawandel zu sein, fürchtet Thomas Schmülling: „Stärkeres Wurzelwachstum sehen wir nicht als die eine Lösung des Problems – aber es ist eine Option, die es wert ist, dass wir sie weiter verfolgen.“

Catarina Pietschmann

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