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Neue Campusbibliothek: 30 Kilometer Bücher sind umgezogen

Rund eine Million Bände wurden neu systematisiert und gekennzeichnet – die Vorbereitungen für das Großprojekt haben mehrere Jahre gedauert.

Es ist eine logistische Mammutaufgabe gewesen: Mehr als 30 Kilometer Bücher sind in den vergangenen Monaten zusammengezogen – aus 24 separaten Fachbibliotheken unter das Dach einer großen gemeinsamen Bibliothek. Die neue Campusbibliothek ist das Herzstück des Neubaus für die Kleinen Fächer an der Dahlemer Fabeckstraße, den die Freie Universität pünktlich zum Sommersemester in Betrieb genommen hat. Gut eine Million Bände mussten dafür neu systematisiert und gekennzeichnet werden, jeder Band erhielt zudem eine elektronische Buchsicherung – damit alle Nutzer ihre Wunschbücher schnell finden und bequem ausleihen können.

Martin Lee, Leiter der neuen Campusbibliothek, ist die Erleichterung anzumerken. „Wir sind sehr froh darüber, dass der Umzug nun ohne große Komplikationen geschafft ist. Dass alles so reibungslos über die Bühne ging, ist vor allem der gründlichen Vorbereitung und dem großen Einsatz der vielen Kolleginnen und Kollegen zu verdanken.“

Schließlich ist es der größte Bibliotheksumzug gewesen, den die Universität jemals gestemmt hat. „Selbst bei der Philologischen Bibliothek waren es ‚nur' etwa 800 000 Bücher und Zeitschriften aus 15 Bibliotheken“, sagt Jirí Kende, leitender Direktor der Universitätsbibliothek. „In der neuen Campusbibliothek mussten teilweise inhaltlich sehr unterschiedliche Fächer integriert werden, was die Sache nicht einfacher gemacht hat.“ Dazu zählen etwa Iranistik, Turkologie, Judaistik, Islamwissenschaft, Prähistorische Archäologie und Altorientalistik. Bei manchen Fächern mussten gleich mehrere Bibliotheken zusammengeführt werden. Insgesamt sind die Bibliotheken von 14 Instituten und Seminaren des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften, die zuvor in verschiedenen Dahlemer Villen und Gebäuden untergebracht waren, in der neuen Bibliothek zusammengeführt worden.

Hinzu kommen die Bibliotheken von fünf mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Baulich ist die Campusbibliothek außerdem mit der komplett sanierten Bereichsbibliothek für Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik und Psychologie in der Silberlaube verschmolzen. Die „EWI-Bibliothek“, wie sie bisher hieß, ist nun in der neuen Bibliothek aufgegangen.

Sie bietet Studierenden und Wissenschaftlern fast 1000 Plätze zum Lernen und Arbeiten, einschließlich etlicher Gruppenarbeitsräume. „Die Campusbibliothek soll nicht nur Bücher, sondern auch Menschen zusammenbringen“, sagt Lee. Und das 13 Stunden am Tag. Während die kleinen Institutsbibliotheken in den Villen teilweise nur wenige Stunden am Tag offen hatten, wird die Campusbibliothek in der Woche von 9 bis 22 Uhr geöffnet sein, am Wochenende von 10 bis 20 Uhr. „Außerdem kommen jetzt Fachbücher zusammen, die bislang zum Teil kilometerweit voneinander entfernt aufbewahrt wurden. Besonders bei den Fächern des Altertums, der Religionen oder der Regionalwissenschaften gibt es da große Synergie-Effekte“, ist Lee überzeugt. Ein Novum sei, dass die Titel des gesamten Bestandes auch in ihrer Originalsprache erfasst sind: „Zukünftig wird man also beispielsweise auf Koreanisch, Arabisch oder Chinesisch nach Literatur suchen können. Das bieten bislang nur wenige Bibliotheken an.“

Lange suchen soll niemand nach seinem Wunschband. Dafür seien alle Bücher nach der sogenannten Regensburger Verbundklassifikation neu systematisiert worden, erklärt Andrea Tatai, die stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek: „Anders als bislang stehen in der neuen Bibliothek thematisch zueinander passende Bücher und die Bücher eines Autors gemeinsam in einem Regal.“ Den gesamten Bestand neu zu ordnen, sei ein Kraftakt gewesen, sagt die Bibliothekarin, die die Umsystematisierung von 2010 bis 2013 leitete.

Dabei klingt das Ziel zunächst simpel: „Jedes Buch braucht ein einmaliges Etikett, das heißt, keine Signatur darf doppelt vergeben werden. Die Herausforderung lag auch darin, dass in den einzelnen Bibliotheken die Bücher sehr unterschiedlich systematisiert waren“, sagt Tatai. Einige Bücher waren noch in gar keinem Katalog verzeichnet gewesen, andere Institute hatten ihren Bestand nach Römischen Zahlen sortiert.

Fachkoordinatoren systematisierten mit ihren Teams von studentischen Hilfskräften bis zu 2300 Bücher im Monat. Für einige Fächer musste in der Dahlemer Arnimallee extra ein Gebäude angemietet werden. „Vor allem für die technische Bearbeitung und das Aufkleben der Etiketten haben wir den Platz dringend gebraucht. Dafür waren viele der Villen einfach zu klein“, berichtet Andrea Tatai.

Damit die Studierenden möglichst schnell und unkompliziert ausleihen können, wurde jeder Buchband mit einem „Radio Frequency Identification Chip“ – kurz RFID-Chip – versehen, der eine Selbstausleihe per Funkerkennung ermöglicht. Etliche Bücher, die in einem schlechten Zustand waren, mussten zudem restauriert, nicht gebundene Zeitschriftenhefte gebunden werden.

Ohne Elektronik lief auch bei der Umzugsplanung nichts. Fast auf den Zentimeter genau wurde geplant, welcher Band an welcher Stelle stehen soll. „Mit einem Computerprogramm haben wir berechnet, wie viele Bücher in welches Regal passen“, erklärt Andreas Gräff, der den Umzug zusammen mit seiner Kollegin Kirsten Hilliger koordiniert hat. Weil in den bibliothekarischen Angaben aber nicht die Breite eines Buches vermerkt ist, sei mit Durchschnittswerten gearbeitet worden.

Mit Erfolg. Es passt alles und es gibt sogar noch Luft für Neuanschaffungen. Und damit die schöne neue Ordnung auch so erhalten bleibt, hat Andrea Tatai einen besonderen Wunsch an alle Bibliotheksbenutzer: „Wer nicht mehr weiß, aus welchem Regal er ein Buch entnommen hat: Legen Sie es bitte an den Sammelstellen ab, statt es an verkehrter Stelle wieder in ein Regal einzuräumen.“ Ein wenig auf die Etikette zu achten, hat schließlich noch niemandem geschadet.

Annika Middeldorf

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