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Misshandlungsvorwürfe: Im Sommer 2013 wurden die Behörden auf Missstände im Kinder- und Jugenheim „Haus Babenberg“ der Haasenburg GmbH im brandenburgischen Jessern aufmerksam.

© Patrick Pleul/picture alliance/dpa

Sozialpädagogik: Kein TÜV für Pädagogik

Behörden sollen Kinder- und Jugendheime besser kontrollieren können, müssen aber auch ein Vertrauensverhältnis aufbauen.

Sprechverbot, Einsperren und Fixieren – jahrelang berichteten Medien über Vorwürfe von Gewalt und Demütigungen gegenüber Kindern und Jugendlichen in den Heimen der Haasenburg GmbH. Doch erst 2013 wurden die drei Einrichtungen in Brandenburg nach einer Prüfung geschlossen. In den Fokus der Debatte geriet dabei auch die Behörde, die für die Kontrolle der Heime zuständig gewesen war: die Einrichtungsaufsicht, die in den meisten Bundesländern Teil des Landesjugendamtes ist.

„Über die Rolle der Einrichtungsaufsicht wurde lange gar nicht diskutiert“, sagt Julian Zwingmann, Mitarbeiter im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Freien Universität Berlin. Rund 30 Jahre lang habe es dazu kein einziges Forschungsprojekt gegeben. Im Falle der Haasenburg habe die Einrichtungsaufsicht erst nach den vernichtenden Ergebnissen einer Untersuchungskommission im Auftrag der damaligen brandenburgischen Jugendministerin die Schließung der Heime veranlasst. Obwohl sich Politiker des Landtags zuvor mehrfach für diesen Schritt ausgesprochen hatten. In der öffentlichen Diskussion wurde der Heimaufsicht deshalb Versagen vorgeworfen, was dazu beitrug, dass ein bundesweiter Reformprozess ins Rollen kam.

Die Behörden sind oft überfordert, weil Leitlinien fehlen

„Mit der Entscheidung, ob in einem Heim das Wohl von Kindern gefährdet ist oder nicht, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden oftmals überfordert, weil es an Leitlinien fehlt“, sagt Julian Zwingmann. Pädagogische Interaktionen ließen sich nicht einfach formal mit einer Checkliste abgleichen, wie es das Gesundheitsamt bei einer Hygieneüberwachung oder der TÜV bei der Prüfung einer Maschine vornähmen. Kinderschutz sei ein wertegeleiteter Begriff. Bisher gebe es aber keinen eindeutigen Konsens, welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssten, um das Kindeswohl in Einrichtungen zu garantieren. Auch der Begriff „Kindeswohlgefährdung“ sei in diesem Zusammenhang nicht ausreichend definiert. „Man kann es aber nicht allein den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlassen, hier die normativen Grenzen zu ziehen“, sagt der Wissenschaftler. Hierfür bedürfe es klarer fachpolitischer Rahmenbedingungen.

Der Bundestag hat 2017 ein Gesetz verabschiedet, das die Einrichtungsaufsicht als Kontrollinstanz stärkt und ein schnelleres Eingreifen des Amtes ermöglicht. So soll die Aufsicht einer pädagogischen Einrichtung leichter die Betriebserlaubnis entziehen und unangemeldet vor Ort prüfen können. Wegen großer Kritik vor allem an anderen Teilen des Gesetzes wurde die Reform jedoch im Bundesrat auf Eis gelegt und wird nun neu diskutiert.

Kritisiert wurde unter anderem, dass allein die Kontrollbefugnis der Einrichtungsaufsicht ausgeweitet wurde, nicht aber Wert darauf gelegt wurde, Verfahrensrichtlinien zu konkretisieren, um damit das Vertrauensverhältnis zwischen Einrichtung und Aufsicht zu stärken.

Mehr Personal und mehr Zeit für den fachlichen Austausch

„Es muss nicht nur mehr Kontrolle geben, es braucht Kooperation zwischen Einrichtungen und Behörden“, sagt Julian Zwingmann. Dann würden auch Vorfälle wie sexualisierte Gewalt eher gemeldet. Idealerweise sollten Behörde und Heimträger eine Verantwortungsgemeinschaft zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bilden. Dafür seien aber auch mehr Personal und damit Zeit für fachlichen Austausch und Kooperation nötig. „Einen guten Träger erkennt man daran, dass er Vorfälle meldet und daran interessiert ist, die Bedingungen in seiner Einrichtung zu verbessern“, sagt Julian Zwingmann. Damit dies möglich sei, müssten sich Heime auf ein transparentes, faires Verfahren seitens der Behörden verlassen können.

Amely Schneider

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