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Nix Low-Carb. Mächtig sind die Portionen im Weinlokal Klemke.

© Norbert Thomma

Berliner Imbisse im Test: Gulaschsuppe und Grießpudding

Bei Klemke lebt sie noch, die bürgerliche Küche.

Was ist so merkwürdig an diesem Ort, so anheimelnd? Nach einer Weile dämmert es einem: Es ist die Abwesenheit des neuen Berlin. Kein Smoothie. Kein Cupcake. Kein tätowierter Koch mit Vollbart und australischem Akzent. Kein Dinkelwrap. Es ist auch nicht die Negation des Hipsterwesens, was im Charlottenburger „Klemke“ gepflegt wird, denn das würde ja eine bewusste Abgrenzung bedeuten; nein, hier lebt in aller Selbstverständlichkeit das Immer-schon-Dagewesene.

Die Tageskarte, Kreide auf Schiefertafel, liest sich wie das Who’s who der bürgerlichen Küche: Gulaschsuppe. Kräuterquark mit Kartoffeln. Boulette, Rotkohl, Püree. Pfifferlinge mit Sahnesoße, Semmelkloß. Schnitzel Wiener Art. Grießpudding mit Kompott. Das Dessert 2 Euro, das andere zwischen 4,50 und 7,50, das sind gehobene Kantinenpreise. Doch das „Klemke“ ist ein Weinladen mit Mittagessen an Stehtischen. Eine Institution.

Wer in der Gegend arbeitet, isst hier. Wenn die Stunde schlägt, High Noon, sagen die Eingeweihten in den Büros nur ein Wort: „Fettecke?“ Da ist nicht das Beuys’sche Kunstwerk gemeint. Ab zwölf Uhr strömen sie herbei, stehen auch mal Schlange, doch die Abfertigung erfolgt zügig. Es sind mächtige Portionen, die dann auf die Teller kommen, fern sind Low-Carb oder Glyx-Diät.

Internationale Weinfolklore

Tiefes Charlottenburg. Bürgerhäuser mit Fachwerkgiebeln. An der Inneneinrichtung des Klemke hat garantiert kein Designer gearbeitet. Links vom Tresen Regale für Weine und Spirituosen, gute deutsche Winzeradressen, Bordeaux vom großen Jahrgang 2009, daneben Preiswertes für die Gartenparty. Rechts vom Tresen ein Raum mit Tischen, an der Wand internationale Weinfolklore.

Die Chefin (und Köchin) hat Roastbeef und Schweinebraten empfohlen. Wurstsalat als Vorspeise: Lange Streifen einer Schinkenwurst, Zwiebelringe, zarte Marinade – das geht ja gut los! Das Sauerkraut ist herrlich geschmort, wie es Zungen aus Süddeutschland lieben. Das Rindfleisch ist Carpaccio-dünn geschnitten, die Remoulade kräutrig gewürzt, die Bratkartoffeln knacken zwischen den Zähnen. Deftige Hausmannskost. Deftig? Die Köchin verbietet sich dieses Wort, sie koche „bodenständig“.

Insider sagen, danach falle man ins „Klemke-Koma“. Wurstegal. Es ist eine kulinarisch willkommene Ohnmacht. Uns genügte ein Espresso zum Überleben.

Ostpreußen nebenan

Adresse  Mommsenstr. 9, (Ecke Schlüterstr.), Charlottenburg, Tel.: 881 19 09
Geöffnet Essen (Mo–Fr) 11–16.30 Uhr

Interessanter Nachbar „Marjellchen“ mit ostpreußischer Küche, direkt nebenan

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