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Das Restaurant "Cinco" im Hotel Stue mitten im Tiergarten bietet ein reichhaltiges Brunch.

© Mike Wolff

Brunch in Berlin: Je später der Sonntag…

Der Brunch gehört zu den beliebtesten Wochenendfreuden der Hauptstädter. Junge Neuberliner bereichern das Angebot mit Traditionen ihrer Heimat. Das üppig gedeckte Buffet steht dabei längst nicht mehr im Mittelpunkt.

Von Kai Röger

Sonntag im Hotel Stue am Tiergarten. Eine Band spielt dezente Barmusik, Gäste stehen an Buffets, die einem die Auswahl schwer machen: Austern oder Langusten? Sushi oder erst mal ein paar traditionelle iberische Spezialitäten? Vielleicht das modische Ceviche probieren, oder doch lieber Klassiker wie Eggs Benedict und Huevos Rancheros. Nicht jeder weiß sich gleich zu entscheiden. Ob es schon Zeit für Süßspeisen ist? Wie wäre es mit den frisch gebackenen Madelaines... oder Crepes? Schwarzwälder Kirschtorte gäbe es auch. Und danach Zuckerwatte? Wo gab es eigentlich den Cava?

Dort, wo sonst das „Casual“ und das Gourmetrestaurant „Cinco by Paco Perez“ den Gästen moderne spanische Küche servieren, öffnen sich sonntags die Türen für einen ausgefeilten Brunch – wie an vielen Orten in Berlin: Im „Skykitchen“ im Hotel Andel’s zum Beispiel ist das Buffet sehr deftig mit liebevoll gemachten Berliner Klassikern à la Mutter Koppe – ihr Sohn verteidigt hier sonst seinen Michelin-Stern, für Mutter Edeltraud räumt er aber das Feld. Ein anders Restaurant, das sich regelmäßig am Sonntagvormittag eine Auszeit vom Gourmet­alltag nimmt, ist das „Duke“ im Hotel Ellington. Der Brunch ist von cool-jazzigen Rhythmen unterlegt, die Büffetauswahl weltläufig, sie bietet einige Livecooking-Stationen und Crémant bis zum Abwinken.

Warme und kalte Häppchen, dazu Crémant bis zum Abwinken

Die Brunchevents im Gourmet-Ambiente funktionieren nach der Logistik eines opulenten Frühstückbuffets, wie sie in Hotels üblich sind: reich an warmen und kalten Häppchen zur Selbstbedienung, zum Brunch aber exklusiver, exotischer, attraktiver präsentiert als im Tagesgeschäft. Ein Fine-Dining-Erlebnis, bei dem die Sonne noch scheint und man selbst bestimmt, was und wie viel auf dem Teller landet.

Es gibt aber auch eine neue Generation von Brunchveranstaltern, die sich der neuen Zielgruppe der wachsenden internationalen Foodie-Szene zuwenden. Sie führen die Linie nicht weiter, mit der vor allem italienische Restaurants in den neunziger Jahren mit ihren Edelstahl-Rechauds die Vorstellung von einem großzügigen Brunchbuffet prägten. Getragen wird die neue Brunchwelle von jungen „Expats“, die ab den 2010ern ihren sonntäglichen Lifestyle nach Berlin importierten. Selbstbedienung ist praktisch abgeschafft, es gibt Tellerkreationen zum Teilen, ausgefeilt und à la minute zubereitet. Ihr Brunch ist kein lukrativer Lückenfüller, sondern kulinarisches Aushängeschild und ein volles Haus der Beleg, Teil der Szene zu sein. Die Gäste suchen nicht Luxus im Überfluss, sie wollen gemeinsam internationale Foodtrends erleben, dabei coole Musik hören und den Sonntag mit Freunden verbringen.

Trendiges Superfood, viel Handgemachtes, dazu Kaffee von einer befreundeten Rösterei

Die Inszenierung des Spektakels zieht dabei alle Register des Craft-Hypes: viel Holz, viel Handgemachtes, Selbstgebackenes von einem Heroen der Szene (meistens Sironi aus der Markthalle Neun), dazu ausgewählte Produkte handwerklich arbeitender Wurster und Affineure. Und natürlich Kaffee, ausgezeichneter Kaffee, am besten selbst importiert oder zumindest von einer befreundeten Rösterei. Das Mediterrane gehört zwar immer noch zum Mindeststandard, die neuen Stars sind aber Eggs Benedict, French Toast und Huevos Rangeros, die nicht mehr in Edelstahlsärgen warmgehalten, sondern à point zubereitet werden. Dazu – weniger namhaft aber ebenso weit verbreitet – etwas mit Brot und Avocado sowie trendiges Superfood gerne in Schüsseln und in Kombination mit allerlei „Grains“ und „Toppings“ serviert. Das fast immer überfüllte „Roamers“ in Neukölln ist eine dieser neuen Brunchadressen, „Allans Breakfast Club“ in Prenzlauer Berg eine weitere. Das „Silo“ gibt allem noch einen deftig-australischen Dreh, im „Benedict“ in Charlottenburg kommen ostmediterrane Einflüsse wie Shakshouka und Humus hinzu.

Die Erfindung des Brunch als Gestaltelement des Müßiggangs

Verändert hat sich mit den neuen Trends und Akteuren auch die Art zu brunchen. Die wörtliche Übersetzung beschreibt nämlich nur die halbe Wahrheit: Die Synthese zwischen Breakfast und Lunch beschränkt sich nicht mehr darauf, sich am Wochenende vormittags zu treffen, um bis weit in den Nachmittag allerlei Kaltwarmes durcheinander zu frühstücken. Beliebte Brunch-Begleiter wie Bloody Mary, Champagner und Co. erinnern an die Ursprünge des Brunchs im 19. Jahrhundert, als die kurzweilige Gestaltung des Müßiggangs die Hauptaufgabe der besseren Gesellschaft war. Die Dinner oder Soirées zogen sich oft bis in die Morgenstunden hin. Zu vorgerückter Tageszeit traf man sich zu einem Katerschmaus, der sich, mit Drinks befeuert, bis in den Abend ausdehnen konnte. Ganz in dieser Tradition bietet Allan’s Breakfast Club zum Brunch nicht nur eine der besten Bloody Marys in Berlin, das Frühstücksszenario verwandelt sich gegen Abend in eine Weinbar, in der es wiederum spät werden darf.

Cinco im Hotel Stue, Drakestraße 1, Tiergarten, Tel. 3117220, Brunch sonntags von 13 bis 16 Uhr

Gute Brunch-Adressen in Berlin

Allans Breakfast Club
Allan Bourbon ist halb Franzose, halb Australier und das ABC entsprechend halb Weinbar, halb Brunch-Café. Hier serviert er die Klassiker mit einer Extraportion Liebe fürs Detail: Auf den Avocado-Toast kommt reichlich rosa Pfeffer, die Shakshuka gibt es mit pochiertem Ei und Feta, und die Eggs Benedict krönt eine traumhafte ­Sauce Hollandaise. Pflicht ist die Bloody Mary mit chili-infusioniertem Wodka, extra viel Worchester-Sauce und ohne Staudensellerie. „Probably the best in town“, findet Allan Bourbon. Auf jeden Fall eine der stärksten und schärfsten. Kein Wunder, er war lange Barkeeper, unter anderem im Grill Royal.

Rykestraße 13, Prenzlauer Berg, facebook.com

Das Benedict in Wilmersdorf, Ableger einer israelischen Kette, ist täglich 24 Stunden geöffnet.
Das Benedict in Wilmersdorf, Ableger einer israelischen Kette, ist täglich 24 Stunden geöffnet.

© promo

Benedict

Die Begrüßung lautet den ganzen Tag über: Good morning! Denn das Benedict, der Berliner Ableger einer israelischen Kette, hat 24 Stunden geöffnet. Serviert werden Speisen aus der ganzen Welt, von English Breakfast über texanisches Steak and Eggs, Shakshuka, vietnamesisches Omelette bis zum einfachen Müsli reicht die Auswahl. Die Brioches für die Eggs Benedict, wie alle anderen Backwaren auch, stammen aus der eigenen Bäckerei. Achtung, vor allem zu beliebten Frühstückszeiten ziemlich voll. Warten bis zu einer Stunde nicht ausgeschlossen.

Uhlandstraße 49, Wilmersdorf, benedict-breakfast.de

Duke
Dass ein Hotel namens Ellington mit einem Restaurant namens Duke sonntags einen Jazzbrunch mit Livemusik veranstaltet, ist ja quasi Ehrensache. Ganz nebenbei wird auch der Beweis erbracht, dass es möglich ist, ein sehr gutes Buffet anzubieten, zu dem man eine große Auswahl Eierspeisen ordern kann. Inklusive Crémant kostet der beschwingte Sonntag 42 Euro (an Feiertagen 51 Euro) pro Person. Unbedingt reservieren.

Nürnberger Straße 50-55, Schöneberg, ellington-hotel.com

Le Bon

Der French Toast ist in Chai-Tee eingelegt, die Grapefruit mit braunem Zucker karamellisiert, das Bananabread kurz angetoastet – im „Le Bon“, dem hübschen und ausgesprochen Instagram kompatiblen Eckcafé am Zickenplatz in Kreuzberg, macht man es immer ein bisschen anders als die anderen. Und immer gut. Auch zum Mittagessen und Abendessen einen Besuch wert.

Boppstraße 1, Kreuzberg, lebon-berlin.com

Palästinensisch-israelische Spezialitäten gibt es beim Brunch im "Kanaan" in Prenzlauer Berg.
Palästinensisch-israelische Spezialitäten gibt es beim Brunch im "Kanaan" in Prenzlauer Berg.

© Kanaan/promo

Kanaan

Jedes zweite Wochenende gibt es beim israelisch-palästinensischen Restaurant- und Weltbessermachprojekt ab 10 Uhr Brunch (nächster Termin: 17./18. März). In einfachem, aber stilsicheren Ambiente bringen die Betreiber Oz Ben David und Jalil Debit mit ihrer Küche Kulturen zusammen, die unvereinbar scheinen: Shakshouka aus Israel, Humus und Baba Ganoush aus Palästina, jemenitische Backwaren und verganen French Toast.

Kopenhagener Str. 17, Prenzlauer Berg, kanaan-berlin.de

Roamers

Das nördliche Neukölln ist eine Brunch-Hochburg und das Roamers die erste Adresse vor Ort. Es ist auch die, bei der man am längsten auf einen Tisch warten muss. Der Laden im südkalifornischen Farmhouse-Look ist nämlich ebenso schön wie klein. Serviert werden Klassiker wie ­Huevos Rancheros, hausgemachtes Granola, ­Avocado- oder French-Toast. Wer die Millennials und ihre Stilneigungen studieren will, bekommt hier gratis zum Filterkaffee (oder Dosenbier) viel Anschauungsmaterial.

Pannierstraße 64, Neukölln, roamers.cc

Silo

An sonnigen Tagen, wenn die Terrasse geöffnet ist, pochiert Koch Tom Clarke hier auch mal 400 Eier. Das „Silo“, gegründet von den beiden australischen Cousins Morgan Love und James Maguire, ist eine Bastion des guten Brunchs und ein Vorreiter des derzeitigen Hypes. Seit 2014 denkt man sich immer neue, warme, herzhafte Frühstücksgerichte aus. Ehrensache, dass man nur mit regionalen Lieferanten arbeitet. Brot kommt von Sironi, Wurst vom Sausage Man, Milch und Gemüse vom Ökodorf Brodowin und aus der Markthalle Neun. Mittlerweile hat man eine Filiale in Mitte, das „Commonground“, und eine eigene Kaffeerösterei namens Fjord.

Gabriel-Max-Straße 4, Friedrichshain, silo-coffee.com

Brunch über den Dächern von Lichtenberg: das "Skykitchen" im Hotel Andel's.
Brunch über den Dächern von Lichtenberg: das "Skykitchen" im Hotel Andel's.

© promo

Skykitchen

Am Sonntag ist im „Skykitchen“ dann auch mal gut mit Fine Dining. Da räumt Sternekoch Alexander Koppe seine Küche und überlässt sie seiner Mutter Edeltraud, die dort fabelhafte Berliner Hausmannskost zaubert und serviert – so lange der Nachschlag reicht. Vorneweg gibt’s Schlachteplatte, Fisch von der Mecklenburger Seenplatte und Käse aus dem Allgäu. Auch die Hauptgerichte sind so geradlinig wie deftig: Königsberger Klopse mit Quetschkartoffeln, Zander mit Schmorgurke und grobem Senf, Leipziger Allerlei mit Graupen. Spätestens beim Vanille-Milchreis und den hausgemachten Quarkbällchen mit Vanillesauce zum Nachtisch fragt man sich schon, warum es eigentlich kein deutsches Wort für Soulfood gibt?

Landsberger Allee 106, Lichtenberg, skykitchen.berlin

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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