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Würstchen mit Kartoffelsalat: Der Weihnachtsklassiker.

© Kzenon - Fotolia

Dominic Raackes kulinarisches ABC: Aber bitte mit Knoblauch

Bärlauch lässt er sich aus Bayern mitbringen, ein Leben ohne Käse kann er sich nicht vorstellen: Schauspieler Dominic Raacke über seine Liebe zum Essen.

ARTISCHOCKEN

... sind gefährliche Schönheiten. Sie sehen aus, als wären sie vom Schwanzende einer urzeitlichen Panzerechse abgefallen. Am besten nähert man sich ihnen mit einer Schere. Die Blätter, die man über die Zähne streift, das ist ein bisschen, wie beim Muschelessen, der Resteberg ist größer, als das ganze Essen. Zum Schluss die Krönung: das weiche haarige Herz. Die Artischocken werden im Wasser gedämpft mit Zitronenscheiben, Lorbeer, Piment und einer Knoblauchzehe. Für den warmen Dip Butter langsam schmelzen lassen und eine gepresste Zitrone einrühren. So macht meine Freundin das, die aus Kanada kommt und echter Foodie ist. Ich liebe Bitterstoffe. Die sind ja auch irgendwie gesund. Meine erste Artischocke muss ich als Kind gegessen haben. Meine Eltern waren schon früh viel unterwegs, ganz oft in Paris, da haben sie Austern und Schnecken gegessen.  Wir lebten eine Zeit lang in Saarbrücken, mein Vater hat dort an der Kunstschule unterrichtet.

BÄRLAUCH

Mitte März sprießt er unter welken Blättern als eines der ersten Kräuter des Jahres. Mit Pinienkernen und Zitrone zu Pesto verarbeitet (normal im Mörser, bei Riesenmengen in der Küchenmaschine) ist er ein Kraftprotz, der den Bär in dir aus dem Winterschlaf erweckt. In meinen Münchener Jahren habe ich ihn säckeweise aus den Isarauen geschleppt, beim Joggen in die Jacke gestopft. In Berlin ist er mir leider noch nicht untergekommen. Also lasse ich ihn mir von meinen Bayern mitbringen. Fünf Stunden Zugfahrt hält er aus. Ich habe pro Saison locker ein Dutzend Pesto-Gläser eingemacht, auch ein perfektes Mitbringsel. Man muss nur drauf achten, dass man oben eine Ölschicht hat, sonst fängt es an zu gären. Einmal habe ich das vergessen, da ist mir ein Glas im Kühlschrank explodiert.

CANTALOUPE-MELONE

Mit Serrano Schinken. Ein toller Duft, schöne Farben – dieses Orange und der rot-weiße Schinken - perfekt im Sommer. Dazu mache ich meine eigenen Breadsticks: Altes Weißbrot, hat man immer, in Streifen schneiden, bevor es zu hart wird (sonst bröselt es dir weg). Dann im Brotschrank einfach austrocknen lassen, hält ewig. Kurz angetoastet schmecken die Dinger wie Grissini, nur besser.

Ich klopfe die Melone immer ab, um zu hören, ob sie reif ist. Der Mensch fasst ja gerne an, das ist ein wichtiger Teil beim Einkaufen, anfassen, riechen, abwägen. Zum Einkaufen nehme ich mir Zeit, da fängt das Zubereiten mental schon an. Ich komme gerne mit Sachen nach Hause, die mich im Laden angelacht haben, während meine Freundin nur Zutaten kauft für das, was sie sich für den Abend vorgenommen hat. Ich sondiere beim Einkauf die Regale, wie ein Raubtier scanne ich die Beute, das ist besser als jeder Einkaufszettel – ach, Zucker brauchen wir, Anchovis! Senf, haben wir noch Senf? Ich nehme mal welchen mit, der wird so schnell nicht schlecht.

DIENER TATTERSALL

Als ich das erste Mal an der Komödie am Kurfürstendamm gespielt habe, im Frühjahr 2018, haben wir uns nach der Vorstellung ganz oft im Diener in der Grolmannstraße getroffen. Da kann man schön versacken, mit frisch gezapftem Schultheiss, mit Blume obenauf – das große bauchige Glas stelle ich vor die Kerze auf dem Tisch, dann sieht es aus wie in der Werbung. Manchmal mache ich ein Foto davon. Und wir haben die Speisekarte hoch- und runtergegessen, vom Wurstsalat bis zu den Eiern in Senfsoße mit Kartoffelbrei. Das Diener ist einfach stilecht, an der Wand hängen Schauspielerportraits der letzten sechs Jahrzehnte, die Kollegen die einst am Kurfürstendamm, am Renaissancetheater, der Schaubühne oder am Schillertheater gespielt haben. Unser Stück hieß „Die Niere“ und natürlich hieß unser Stammtisch, Nierentisch. Fast jeden Abend saß unser kleines Ensemble hier, jeder hatte Freunde oder Kollegen im Publikum. Es gibt nichts Schöneres, als sich nach einem Theaterabend noch mal zusammenzusetzen und über alles zu reden. Das habe ich am Theater so lieben gelernt: die gemeinsame Zeit, das Gesellige. Beim Film fehlt das ein bisschen, die Mittagspause ist kurz, das Essen so lala und am Ende kratzt jeder die Reste in den Bottich, da fehlt mir der Genuss.

ESSIG

Ich liebe Essig, der regt an, ist gut für die Verdauung. Ich merke richtig, wie ich den brauche. Es gibt einen ganz leichten Rotweinessig, den ich überall suche. Ich habe ihn mal in Lothringen gekauft, ganz billig, in einer Plastikflasche, leicht süßlich mild – ideal für Handkäs mit Musik.

FENCHEL

Ein ganz feines Gewächs. Hauchdünn aufgeschnitten, mit einer leichten Vinaigrette beträufelt, zwei, drei Blätter Basilikum – Basilikum ist selten fehl am Platze, neben Petersilie ist es mein Lieblingskraut. Dazu eine Scheibe Kommissbrot, gut gebuttert. Wenn ich mal richtig gesund frühstücken möchte.

GRIESSBREI

war mein Kinderleibgericht. Süß, warm, breiig, wahrscheinlich eine Sehnsucht nach dem Babysein. Schnell vom Herd geschoben, bevor die Milch überkochte. Butterflocke drauf, mit Zucker und Zimt, bei uns hieß das immer: mit Zimmer und zuckt. Heute würde ich einen Schuss Ahornsirup darüber gießen, anstelle des Zuckers. Aber Grießbrei kann ich gar nicht mehr essen, es sei denn, ich fühle mich richtig krank und will wieder Baby sein.

Dominic Raacke, 61. Der Schauspieler und Autor tritt bis zum 29. Dezember mit "Skylight" in der Komödie am Kurfürstendamm (Schillertheater) auf.
Dominic Raacke, 61. Der Schauspieler tritt bis zum 29. 12. mit "Skylight" in der Komödie am Kurfürstendamm (Schillertheater) auf.

© Markus Tedeskino

HANDKÄS’ MIT MUSIK

Ich bin Hesse, da kann man das nur mögen, das liegt uns im Blut. Harzer, frische kleingehackte Zwiebeln, Kümmel, milder Weinessig, Traubenkernöl. Dazu ein daumendickes Butterbrot. Äppelwoi optional, ansonsten ein Bierchen dazu. Nach rohen Zwiebeln verlangt es mich immer nach einem Stückchen Schokolade. Ich weiß nicht warum, das ist irgendwie Chemie.

Ich bin keiner, der sagt, Zwiebeln und Knoblauch, oh Gott! Im Gegenteil, ich kann nicht ohne. Mit einer Frau die keinen Knoblauch mag, könnte ich mir nicht das Leben teilen. Gut, bei einer Kussszene - da versuche ich die Partnerin vorher einzustimmen: Ich esse gerne Knoblauch! Ich werde mir die Zähne putzen, aber ich kann nicht versprechen drei Tage vorher auf meine Lieblingsknolle zu verzichten. Übrigens, in solchen Fällen hilft Fenchelsamen und Kardamom, besser als jedes Kaugummi.

ICH

... bin kein Rezeptkocher. Dafür bin ich zu ungeduldig. Ich schieße gerne aus der Hüfte. Das macht mich aus, das macht mich aber auch verwundbar: Es geht schon mal schief. Wir haben viele Kochbücher zu Hause, das legendäre Bayerische Kochbuch steht bei uns sogar zweimal im Regal – ein Klassiker aus den 50er Jahren. Das ist ein richtiges Lehrbuch: Fleischlehre, Soßenlehre, ein gutes Nachschlagewerk eben. Trotzdem: Ich liebe das einfache Gericht, mag’s nicht kompliziert. Man kann aus einer Dose Sardinen und einer Packung Nudeln ein prima Essen machen, perfekt übrigens, wenn man von einer langen Reise zurückkommt und nichts im Kühlschrank ist.

Kochen hat ja vor allem mit Timing zu tun, und das muss man einfach ausprobieren. Versuch und Irrtum ist für mich die beste Art, kochen zu lernen. Wenn man ein kompliziertes Rezept hat, wird das zur Wissenschaft, zur Naturwissenschaft. Und der Stress, alles gleichzeitig fertig zu bekommen... Das versuche ich zu vermeiden. Bei mir geht es natürlich auch um Timing: Pasta al dente kochen, zum Beispiel. Das kann ich. Da geht’s um eine Minute hin oder her. Wenn die Nudeln zu weich sind, brauchst du sie nicht mehr zu essen. Dann lieber noch mal von vorne anfangen.

JOGHURT

... aus Griechenland. Fett und sämig, frische türkische Feigen und ein Löffel Berliner Honig. Das stärkt die Abwehrkräfte, nach dem Motto: zieh dir die Berliner Luft in homöopathischen Mengen rein, dann hältst du besser durch in dieser Riesenstadt. Die Bienen ziehen ja die Gifte ein – das ist dann wie ’ne kleine Impfung. Mein Opa war passionierter Imker, mein Vater sein Lehrling. Opas Bienenhäuschen im Wald war eine ganz wichtige Anlaufstation. Im Krieg hat er dort Sachen versteckt, perfekt, weil sich keiner so recht ran getraut hat, ein summendes Bienenvolk kann schon Respekt einflößen. Honig wurde in der Familie immer sehr ernst genommen, als edles Geschenk der Natur, ein wertvolles Elixier. Wenn wir Kinder uns irgendwie schlecht gefühlt haben, gab es „Hon Schi Wet Schi“, Honigwasser. Ein Teelöffel Honig in ein Glas lauwarmes Wasser gerührt. Das hat immer geholfen.

KÄSE

Ein Leben ohne Käse wäre für mich unvorstellbar. Esse ich fast jeden Morgen. Ich bin ein Dezemberkind, meine Geburtstage konnte man prinzipiell nicht draußen feiern. Daher lud ich fünf, sechs Freunde in mein schräges Kinderzimmer unterm Dach. Meine Mutter bereitete ein Käsefondue zu: Pro Person 150 Gramm Käse, halb Emmentaler, halb Greyerzer, ein Glas leichter Weißwein, ganz wenig Maismehl, Pfeffer, Muskat und Knoblauchzehe zum Topfausreiben, einem Shot Kirschwasser (hilft der Konsistenz und gibt den Kick). Meine Mutter brachte, mit dicken Topflappen bewaffnet, den Emaille-Kessel ins Kinderzimmer und stellte ihn auf den Spiritusbrenner. Den Geruch werde ich nie vergessen: Käse und Spiritus. Dicke Blasen stießen auf, es war wie eine Versammlung am Lagerfeuer und natürlich eine Riesengaudi, die Weißbrotwürfel unbeschadet aus dem heißen Käsebrei zu ziehen. Wessen Spieß nackt auftauchte, bekam eine kleine „Strafaufgabe“ – einbeinig um den Tisch hüpfen zum Beispiel. Käsefondue mache ich bis heute zu meinem Geburtstag.

Ziemlich abgefahren waren auch meiner Mutter Götterspeisespiele. Sie hatte tags vorher jegliche Glasgefäße, die sie finden konnte, mit grüner Götterspeise befüllt, unten ein 50-Pfennigstück reingelegt. Auf die Plätze, fertig, los. Gewonnen hatte, wer als erster die Münze ausspucken konnte.

LINSEN

Ich liebe Hülsenfrüchte, bei uns zu Hause auch Fartfood genannt, man kennt ja die Nebenwirkungen. Linsen als Eintopf, als Salat, als Dal. Vor ein paar Jahren waren wir in Indien. In Jaisalmer belegten wir einen Kochkurs. Der fand in der Küche von Frau Joshi statt, acht Touristen standen im Wohnzimmer, in der Ecke auf dem Boden lag ihr Vater und schlief. Dal selber zu machen, ist mir allerdings zu kompliziert.

MEHL

... ist eine dolle Sache. Was würden wir ohne machen? Man sagt, es klebt, verklebt, ist ungesund. Trotzdem, ich esse gerne Teig. Gestern hatte ich frei, war alleine. Da dachte ich: Machst dir ne Pizza. Normalerweise nehme ich frische Hefe, aber in der Not habe ich immer ein paar Beutel trockene von Dr. Oetker in der Backschublade. Pizzamehl dazu (das ganz feine, das böse!), etwas warmes Wasser, Prise Salz. Hefeteig machen ist wirklich ein irrer Prozess! Ich nehme dazu keine Waage. Gut kneten, unbedingt von Hand. Den Teigling bringe ich immer runter in den Heizungskeller, da sind fast 30 Grad, schön mit einem sauberen Tuch abdecken. Nach einer Stunde ziehe ich ihn aus der Plastikschüssel, gebe noch eine Handvoll Hartweizengries dazu, noch mal gut durchwalken, Öl, Dosentomaten, abgetropfter Mozzarella und bei Bedarf Gemüsereste aus dem Kühlschrank, ein paar Anchovis aus dem Glas drauflegen und dann bei 300 Grad ins Rohr. Je heißer desto besser! Eine Minute, fertig. Dazu ein Gläschen fruchtigen Chianti.

NOILLY PRAT

Der gehört in jede Küche. Er ist perfekt, weil er so eine herbe Süße hat und alkoholisch ist. Der peppt. Das ideale Löschmittel, für Bratensatz zum Beispiel. 

Noilly Prat ist auch das Geheimnis der Lauchsuppe meiner Freundin, die macht die beste der Welt. Zum Schluss kommen ein paar Wiener rein. Das weiß auch unser Hund. Der wedelt schon mit dem Schwanz, wenn wir mit den Einkaufstüten durch die Tür kommen.

OMAS KARTOFFELSALAT

Meine Oma hatte eine kleine Dreizimmerwohnung am Freiheitsplatz in Hanau, zweite Etage, 50er Jahre Bau. Auf dem Heimweg von der Schule bin ich immer an ihrem Haus vorbeigelaufen. Sie hat oft am offenen Fenster gelehnt, mit einem Kissen unterm Ellenbogen und auf den Platz geschaut. Von da oben war die Welt ein Wimmelbild. Es war mir peinlich, wenn sie mich in der Menge entdeckte und ihr unüberhörbares „Dooooooooomenic!“ rief. Manchmal versteckte ich mich dann hinter dem Wasserhäuschen – so nennt man in meiner Heimat den Kiosk. Aber meistens ging ich dann doch hoch zu ihr. Sie war die Herzlichkeit in Person, eine Oma wie aus dem Bilderbuch. Klein und zupackend, mit einem großen Busen und zwei Brillen, die sie ständig wechselte. Sie hatte große braune Augen, wie mein Vater. Sie machte das beste Mittagessen der Welt: Würstchen mit Kartoffelsalat. Die Würstchen waren aus dem Supermarkt, der Kartoffelsalat selbstgemacht. Ich liebte es, ihr zuzusehen, wie sie mit ihren kräftigen knochigen Händen, die Kartoffeln durchmengte. So gehört sich das, nicht hygienisch und fein mit dem Löffel, nein, ganz handfest, sinnlich. Kartoffeln kochen, Deckel halb drauf, Zwiebeln, Salz, simples Sonnenblumenöl, Schuss Essig und dann, das Entscheidende, die Handmassage in der Plastikschüssel. Die Würstchen sieden lassen, ein Schlotzer Supermarktsenf, fertig. Meine Oma ist die Beste!

PASTAKOCHEN

... habe ich in New York gelernt, 1979. Plötzlich war ich Ausländer in einem anderen Land. Man sucht dann irgendwie Gleichgesinnte, vor allem, wenn es ums Essen geht. Das müssen keine Deutschen sein, aber wenigstens Europäer. In meinem Fall waren es Italiener. Monica und Neri, ein wunderbares Paar. Er Maler, aus Neapel, sie eine Vollblutrömerin, Schauspielstudentin wie ich. Als lonesome Deutscher fand ich meine Zuflucht bei den Italienern. Man konnte kommen, wann man wollte, es gab immer was zu essen. Ein winziges Apartment in der MacDougal Street im Village. Man betrat die Wohnung und war sofort mittendrin, rechts hinter einem Vorhang das Bett, links die Küche mit Blick in einen dunklen Luftschacht – typisch New York. Neri war der Koch – der coolste Typ, den ich je getroffen habe, stoisch mit einer Riesennase und einem spöttischen Blick auf die Welt, ein richtiger Mann. Monica entertainte die Gäste. Mehr als vier hatten hier keinen Platz. Im Prinzip gab es immer dasselbe. Es ging los mit einem Glas Rotwein, ein Joint machte die Runde, dann ein grüner Salat in einer Plastikschüssel – Plastikschüsseln verfolgen mich schon mein ganzes Leben – perfekt abgeschmeckt, Essig, Öl, Salz, Pfeffer, kein Firlefanz. Dann die Pasta, DeCecco, mal Penne, mal Rotelle, mal Linguine. In  einer ausgebeulten Alupfanne briet Neri ein paar Knoblauchzehen, in einem einfachen, aber zweifelsfrei italienischen Olivenöl an, dazu irgendwas. Das konnten Anchovis sein, oder Zucchini, Rotkohl oder Erbsen mit ein paar Speckwürfeln. Das Geheimnis seiner Pasta war die Crema. Er schöpfte mit einer Kelle den Schaum der kochenden Pasta ab und gab sie löffelweise in die was-auch-immer brutzelnde Soße, die sich durch die Nudelstärke perfekt verband. Dabei lachte er viel, wohlig bekifft und super-geistreich. Ich war angekommen, in Little Italy, in den Filmen, die ich so geliebt habe, die nur ein paar Straßen weiter, gedreht wurden: The Godfather, Mean Streets, Taxidriver, Raging Bull. In dem Neri auch einen kurzen Auftritt hatte. Und noch was habe ich von Neri gelernt: immer gleich aufräumen. Noch während des Kochens hat er abgespült, die Küche war jedes Mal piccobello..

QUITTEN

... sind sexy. Mit ihren drallen Rundungen und diesem zarten weißen Pflaum, zum Streicheln schön. Wir hatten einen Quittenbaum. Ich bin mal mit einem Fernsehteam zu unserem alten Haus – und da stand der Baum, mit Früchten dran, 30 Jahre später, nach dem wir ausgezogen waren! Das hat mich schon gerührt. Meine Mutter hat daraus immer Gelee gekocht, das war ziemlich aufwendig, ging tagelang, mit Entsafter, Gelierzucker, sie füllte den Gelee in Hipp-Döschen ab, die waren noch aus den Babyjahren meiner Schwester übrig. Quittengelee aufs Frühstücksbrötchen oder ins Joghurt: Perfekt.

RAGOUT FIN

... ist ja ein Weihnachtsklassiker. Das gab es bei meiner anderen Oma immer zu Heiligabend. Sie war die „feinere“ Oma, eine höhere Tochter mit guter Erziehung. Dazu passten die kleinen feinen Blätterteighäubchen, in die sie das Kalbfleisch mit Champignons an Mehlschwitze füllte. Ich mochte das sehr, es war irgendwie aristokratisch und englisch und sehr exklusiv, was sicher auch damit zu tun hatte, dass es die Pastetchen nur zu Weihnachten gab. Obendrauf der kleine Teigdeckel, ein Zitronenschnitz auf dem Teller und, ganz wichtig: Worcestershire Sauce von Lea & Perrins, das Maggi der feinen Leute. Very British. Ich habe als 10-jähriger mal einen Sommer bei einer Familie in der Nähe von London verbracht, die hatten acht Kinder und mich als neuntes noch dazu. Sonntags gab es Shepard’s Pie. Hackfleich, Erbsen, das Ganze mit Kartoffelbrei bedeckt im Ofen gebacken, fantastisch.

SPAGHETTI

Gibt es etwas Universelleres? Pizza vielleicht, aber das ist es dann auch. Ich glaube, es gibt kein Land auf der Welt, wo man keine Spaghetti oder Pizza  kriegt. Honduras, Nepal, Antarktika, England. In London spielt das Stück, in dem ich zurzeit auf der Bühne des Schillertheaters stehe, „Skylight“ von David Hare. Ein Mann versucht seine Ex-Geliebte zurückzuerobern, in einer kalten Dezembernacht. Fast vier Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen. Plötzlich steht er vor ihrer Wohnungstür. Die junge Frau ist gerade dabei, sich Spaghetti mit Tomatensauce zu kochen, als er ziemlich ungestüm in die abbruchreife Wohnung tritt. Er bringt ihr eine Flasche Whiskey mit, den er sich aber eigentlich selber mitgebracht hat, quasi als Schmerzmittel gegen die Liebesqualen, in die sie ihn gestürzt hat. Endlich ein Theaterstück, das man auch riechen kann. Ich habe Henriette (Richter-Röhl), die meine Ex-Geliebte spielt gesagt: Mach mal mehr Knoblauch rein, das duftet dann noch besser.

TURKEY

... oder auch Truthahn. Ist eine Tradition bei meiner Freundin. Sie ist Kanadierin und zwischen dem kanadischen und dem US-Thanksgiving, also irgendwann zwischen Mitte Oktober und Ende November, macht sie ein großes Turkey-Essen, jedes Jahr. Dann ist die Bude voll, der Esstisch wird ausgezogen und bis zu 20 Leute an die Tafel gequetscht. Der Vogel wiegt locker zehn Kilo, ist irgendwie immer zwei Stunden früher fertig als geplant, schmeckt aber jedes Mal hervorragend – zart und knusprig. Wahrscheinlich, weil er immer länger als geplant ziehen muss.

Alexandras „signature-dish“ ist ihr Pumpkin Pie. Dafür braucht man Libby’s Pumpkin-Pie-Filling aus der Dose. Gab’s früher im KaDeWe, ist inzwischen leider aus dem Sortiment verschwunden. Jetzt muss sie es online bestellen. Sie macht damit vier kleine Kuchen, die mit einem kanadischen Mapleleaf gekrönt werden. Das ist jedes Mal ein Höhepunkt! Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, aber auch Familie und Freundschaften. Im Grunde gibt es nichts Wichtigeres. Das ist wie damals bei Monica und Neri: Lauter Italiener, die unentwegt geredet haben, gelacht, erzählt, geflucht. Ich habe nichts verstanden und trotzdem alles kapiert. Bei meiner Oma, als ich ein kleines Kind war, haben sie mir das Sofa an die Wand geschoben. Sie haben dann gegessen und getrunken und viel geraucht. Das war für mich das Schönste auf der Welt: die Stimmen meiner Sippe zu hören, das Klappern von Geschirr und Gläsern. Wohlig bin ich dann in den Schlaf gekippt.

UNAGI

Noch so eine Entdeckung aus meinen New Yorker Jahren. Ende der 70er Jahre gab es bei uns noch kein Sushi, vielleicht in Düsseldorf. Asiatisch war das Hühnchen süß-sauer beim Chinesen, mit Annanasscheiben in einer rötlich dicken Zuckerpampe, ein bisschen lecker, aber auch ziemlich künstlich unecht im Geschmack. Es war bei einem Japaner im East Village, als ich 1980 das erste Sushi meines Lebens aß. Das war ja rein optisch eine Sensation, sah gar nicht aus wie Essen, mehr wie ein exotisches Brettspiel. Unter den lustig-bunten Spielsteinen war auch ein glänzend braun lackiertes Stückchen Etwas, in dunkler Folie eingewickelt. Eine Unagi-Handroll, Fein geräucherter Aal mit einer süßlichen Lasur in Nori, einem Algenblatt gerollt, dazwischen Sushireis. Der Aal hat noch ein bisschen Temperatur, der Reis ist kühl, man sagt dem Unagi nach, dass er einem Kraft verleiht.

VATER

Mein Vater war viel unterwegs mit seinem weißen BMW V-8 – der schnellsten Limousine der Welt, wie er gerne zitierte, damals, in den frühen 60ern. Er kam nach Hause mit einem Hut voller Pilze, die er vom Auto aus gesammelt hatte. Er fuhr einfach in Waldwege, kurbelte das Fenster runter und hielt die Nase in den Wind, er konnte sie riechen. Zuhause putzte er die Pilze dann sorgfältig mit einem Küchenkneipchen, so hieß bei uns das kleine Küchenmesser, pfiff dabei vor sich hin. Wir nannten es Piffeln – ein tönendes Ein- und Ausatmen – das machte er immer, wenn er hochkonzentriert war. Dann hob er die schwere Eisenpfanne auf den Herd und schwenkte seine Pilzbeute an einem dicken Stück Butter, mit Knoblauch, Salz und Pfeffer. Zuletzt frisch gehackte Petersilie, fertig. Wir saßen dann gemeinsam an unserem langen schmalen Schiefertisch. Beim Essen erzählte er gern die Story vom kleinen Fritzchen, der sich schlecht benommen hatte und ohne Essen ins Bett geschickt wurde. Am Abend gab es Pilzpfanne, Fritzchen war der einzige Überlebende der Familie – unter den Champignons war auch ein Knollenblätterpilz.

WER KOCHT, DER PUTZT

Diese großartigen Kochmaestros, die sich aufführen wie ein zugekokster Chef de Cuisine und am Ende die Küche als Schlachtfeld hinterlassen, um sich dann im Wohnzimmer auf die Couch zu schmeißen und den Abwasch den Mitessern zu überlassen, sind mir ein Gräuel. Kochen ist ein ganzheitlicher Prozess: Einkaufen, vorbereiten, saubermachen. Und generell gilt dabei: nicht drängeln.

X-TREM WICHTIG

... finde ich, dass man sich zum Essen Zeit nimmt. Warten, bis alle sitzen und sich einen gesunden Appetit gewünscht haben, das macht schon Sinn. Man muss ja nicht gleich beten, aber so ein kleines Ritual, einen Moment innehalten, dem Essen eine Bedeutung geben, das finde ich gut. Auch im Alltag, wenn man zu zweit ist. Oder wenn ich allein bin, ich mach mir es schön. Total gerne sitze ich beim Essen im Garten, zum Frühstück, abends im Sommer – es gibt nichts Schöneres. Manchmal mache ich dann ein Feuerchen dazu, ich bin Pyromane.

In unserem Leben früher war es ja immer ein bisschen spartanisch. In einem Designerhaushalt zu leben bedeutet ja nicht schick eingerichtet zu sein und durchgestylt. Es ist eher das Gegenteil: die Wohnung ist eine Werkstatt. Wir hatten immer Prototypen, einen wilden Mix aus Bestecken, die dann oft gar nicht in Serie gegangen sind. Ich liebe Löffel. Im Grunde braucht man nichts anderes. Kurze Nudeln esse ich gern damit, weil ich so auch immer Sauce mitnehme. Der Löffel ist das ideale Besteck. Man kann damit sogar schneiden. Das berühmteste Design meines Vaters ist das Mono-Besteck, das genauso alt ist wie ich. Momentan benutze ich das Silberbesteck meiner Großeltern, aus den 40ern, auch sehr schön. Früher aßen wir immer an einem Schiefertisch. Sehr praktisch, wir haben uns die Brote direkt auf dem Tisch geschmiert, ohne Teller. Ich mochte diese kühle ungerade Oberfläche. Auch ein Holztisch kann toll sein, aus Ahorn, der klassische Kneipentisch. Ich mag es, wenn ich beim Essen eine robuste Unterlage habe.

YAKFLEISCH

Habe ich noch nie gegessen und werde es wahrscheinlich auch nie tun.

ZWIEBELKUCHEN

Ein Familienklassiker im Herbst. Speck in der Pfanne auslassen, dicke Gemüsezwiebeln anbraten, Prise Zucker, mit einem Schuss Essig ablöschen. Pizzateig aus 00-Mehl und frischer Hefe ansetzen. 3 Eier, Schmand, Pfeffer, Salz, Muskat, verrühren und über den ausgerollten Teig mit den angebrutzelten Zwiebeln geben, Kümmel darüber streuen. Am besten auf einen Pizzastein im superheißen Ofen wuppen (das Wuppen ist die eigentliche Kunst!). In wenigen Minuten hat man einen knusprigen Kuchen mit leicht karamellisierten Zwiebeln, knusprigem Speck und dem gestockten Eierschmand. Am besten noch am Herd auf einem Holzbrett aufschneiden und genau da auch essen. Nicht hinsetzen! Zwiebelkuchen wie auch Pizza muss im Stehen gegessen werden, die müssen sofort in den Mund. Dazu gab es bei uns den „Rauscher“, das war ein frisch gepresster Apfelsaft vom Holzfass, der nach ein paar Wochen umkippte, süßlich, britzelig wurde, in Kellertemperatur – da sollte das Fass auch lagern. Es ist eine perfekte Kombination aus süßlich-herb und knusprig-weich. Protokoll: Susanne Kippenberger

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