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#avocadotoast

© Foto via Instagram: www.instagram.com/somean.j/

Foodfotografie und Social Media: #foodlover: Was Instagram mit unseren Essgewohnheiten macht

Die Avocado schmiegt sich an Sauerteig – jetzt schnell ein Foto machen und hochladen. Kuratorin Anna Dannemann über den Strom der Laien-Foodstillleben.

Frau Dannemann, Sie haben die erste Ausstellung überhaupt zum Thema Essensfotografie im Internet und den sozialen Netzwerken zusammengestellt. Instagram lässt sich ja nicht an die Wand nageln. Wie soll das denn gehen?

Wir haben aus Fotos und Youtube-Videos einen Film gefertigt, der an unserer Medienwand läuft. Da war bereits eine Ausstellung über Katzenbilder in sozialen Netzwerken zu sehen, auch so ein Phänomen.

Und was fasziniert Sie an diesem Trend?

Inwieweit die Fotos, die Menschen von ihrem Essen posten, ihre Identität widerspiegeln – oder sie eigentlich keine Identität mehr haben, weil sie nur wiedergeben, was sie schon tausendmal gesehen haben. „Foodporn“, „Food“, „Foodlovers“ gehören ja zu den beliebtesten Hashtags überhaupt. Essen ist etwas, wovon wir tagtäglich umgeben sind, das genauso demokratisch zugänglich ist wie die Fotografie – dass beides auf diese Weise verschmilzt, macht es für uns so interessant.

Seit wann geschieht das?

Gleich als die sozialen Netzwerke geschaffen wurden. Das ist dann explodiert mit Instagram, also seit 2010.

Inzwischen lernen Leute erst mit Tutorials kochen – also mit kleinen Videos, die Laien ins Netz laden.

Youtube ist eine wichtige Kochschule. In unserer Gesellschaft lernen viele das Kochen nicht mehr quasi automatisch, zu Hause, sie müssen sich das erst aneignen. Im Netz gibt’s dann die ganzen Anleitungen, die Schritt für Schritt erklären, wie man etwas zubereitet. Und wenn jemand etwas zum ersten Mal gebacken oder gekocht hat, teilt er sein Erfolgserlebnis gern. Vielleicht ist das auch etwas, was zusammenhält. Und die Videos, die Leute von ihrem Geschnetzelten machen – das hat schon was von performativer Kunst.

Anna Dannemann, 32, Kuratorin der Ausstellung "Food for being looked at".
Anna Dannemann, 32, Kuratorin der Ausstellung "Food for being looked at".

© privat

Angesichts der Millionen von Bildern, die im Umlauf sind, wie haben Sie ausgesucht?

Anders als bei unseren normalen Ausstellungen war es uns wichtig, nicht nur gute Fotografie zu zeigen, sondern die ganze Breite des Spektrums. Wir haben verschiedene Trends aufgegriffen, beispielsweise Rainbowfood ...

… bei dem Brot, Waffeln oder Eiswürfel quietschbunt eingefärbt werden …

… das ist ganz artifiziell. Da geht es gar nicht mehr darum, wie etwas schmeckt, sondern nur noch, wie es aussieht. Oder, was man ebenfalls oft sieht: das Grün der Avocado auf dem Sauerteigbrot. Bei all diesen Bildern spielt die Identität des Fotografen keine Rolle mehr. Man will sich einschreiben in eine Gemeinschaft, in die Flut der Bilder, aber auch in die Geschichte des Stilllebens. Die Tradition aus der Malerei ist ja immer noch erkennbar, in der Komposition, der Farbgebung. Mit den neuen Medien wird sie fortgeführt und erweitert.

Da kann man überhaupt nichts Originäres mehr machen.

Einigen Künstlern gelingt das. Aber in den Netzwerken geht es vor allem um immer neue Trends, die kopiert werden.

Zum Beispiel?

Das Aufschneiden von Braten. Man findet Tausende von Youtube-Videos, in denen Leute ein Riesenstück Fleisch auf den Grill legen und später aufschneiden. Die haben Millionen von Klicks! Oder jetzt eine neue Sache aus Asien, wo Frauen sich selbst dabei filmen, wie sie ihr Gesicht mit Schwung in Brot oder Kuchen drücken. Keine Ahnung, warum. Es hat etwas Sinnliches, gleichzeitig Aggressives, und ist einfach merkwürdig. Das wird inzwischen oft kopiert. Beliebt ist auch das Finden und Formen von Gesichtern – im Milchschaum, im Toast, in der aufgeschnittenen Paprika.

"Das Aufschneiden kann man als eine Art des Entblößens betrachten"

#meatcandy
#meatcandy

© Foto via Instagram: www.instagram.com/alllfiredupbbq/

In Deutschland bitten einige Wirte ihre Gäste, das Essen nicht zu fotografieren. Im Berliner „Nobelhart und Schmutzig“ zum Beispiel.

Das habe ich in London nicht erlebt. Für die Restaurants ist das ja auch Werbung. Viele nutzen selber solche Bilder, laden sie auf Instagram und anderen Netzwerken hoch. Oder initiieren Wettbewerbe: Wer kann die beste Ramensuppe fotografieren? Der Vergleich ist meiner Ansicht nach ohnehin ein wichtiger Grund, warum das Ganze noch immer so unfassbar beliebt ist, und nicht nur bei den Jungen, bei unterschiedlichsten Generationen: dass man sich mit anderen misst und guckt, was machen die, was kann ich kreieren.

Inwieweit hat diese Dominanz des Visuellen auch die Arbeit der Köche beeinflusst?

Der Präsentation wird viel mehr Zeit eingeräumt, schon in der Ausbildung. Im Moment ist es im Fine Dining sehr verbreitet, das Essen nur noch auf der einen Seite des Tellers zu platzieren; so etwas aufzunehmen, ist total wichtig geworden. In Tel Aviv gibt es übrigens schon ein Restaurant, das „Catit“, wo die Teller eine Handyhalterung haben, sodass man noch einfacher fotografieren kann. Auch die Beleuchtung im Lokal wurde darauf ausgerichtet.

Häufig zeigen die Bilder einen einzelnen Teller oder eine Schüssel, eine Bowl – ein Gericht, das ja nur wegen der Fotos erfunden worden zu sein scheint. Geht das Soziale des Essens verloren?

Wenn man mit anderen ins Restaurant geht, und dann holt jeder erst mal sein Handy raus, um zu fotografieren – das nimmt dem Geselligen etwas. Die einzelnen Teller sind Stillleben, die das eigene Leben darstellen sollen, man zeigt, dass man etwas Besonderes oder sehr Gesundes isst. Auf jeden Fall wird Essen fotografiert, um es zu zelebrieren und mit anderen zumindest visuell zu teilen. Dies ist ein Ausdruck von Wertschätzung.

Die Bilder werden gern als „Foodporn“ bezeichnet. Was ist denn pornografisch daran?

Es kann mit der Materialität zu tun haben, dass man etwas Glibberiges zeigt. Oder man mit der Kamera ganz nah rangeht, sodass die Stillleben sexualisiert wirken. Und das Aufschneiden einer Speise kann man als eine Art des Entblößens betrachten. Oft ist damit aber einfach ein „guilty pleasure“ gemeint: Ich gönne mir etwas, obwohl ich genau weiß, es ist nicht gesund. Schokolade oder ein Gericht mit extrem viel Käse.

Dienen die Fotos in ähnlicher Weise der Selbstdarstellung wie die Mode?

Hier wie dort folgt man Trends. Doch auf den Fotos zeigt man sich seltener als reale Person. Auch in unserer Installation sind keine Gesichter zu sehen, nur das Essen. Die Bilder sind höchst symbolisch: Was bin ich? Ich bin, was ich esse. Oder was ich fotografiere von dem, was ich esse. Ich glaube, dass die Realität dessen, was die Leute tatsächlich verspeisen, anders aussieht als ihr Instagram-Account. Man verbreitet ein Idealbild, mit dem man sich identifizieren möchte.

Auf den meisten Fotos sieht man hübsch arrangierte einzelne Teller. Die Wirklichkeit wird eher von der Massenproduktion der Lebensmittelindustrie beherrscht.

Ein Kapitel unserer Schau beschäftigt sich mit der maschinellen Produktion von Essen; viele Gifs zeigen, wie zum Beispiel Marshmallows oder Gummibärchen hergestellt werden. Außerdem spiegelt die schiere Masse der Fotos, der unaufhörliche Bildfluss und die Geschwindigkeit der Installation die Überproduktion wider.

"In Asien gibt es eine Tradition der Verniedlichung von Essen"

#rainbowcake
#rainbowcake

© Foto via Instagram: www.instagram.com/vscupcakeshop/

Gibt es eine Verbindung zur Ästhetik der Kochbücher?

Man beeinflusst sich gegenseitig. Mittlerweile reagieren die Verlage auf die Foodfotografie der Amateure im Netz und nutzen diesen Aspekt des Authentischen – oder Pseudoauthentischen – in ihren eigenen Bildern.

Spielt Humor eine Rolle bei der Foodfotografie?

Viele haben offensichtlich kreativen Spaß an der Sache, daran, sich künstlerisch auszudrücken. Manche nehmen das – und damit sich selbst – auf die Schippe, dass man so viel teilt und von sich preisgibt. Aber insgesamt ist es sehr, sehr ernst gemeint.

Viele fotografieren besonders scheußliches Essen. In Deutschland hat ein Rentner namens Jürgen Furore gemacht mit seinen Aufnahmen von dem, was ihm im Altersheim vorgesetzt wurde. Wird in Ihrer Ausstellung auch die Gegenbewegung zur Ästhetisierung thematisiert?

Ja. Besonders beliebt ist zum Beispiel der Vergleich zwischen dem Bild auf einer Verpackung und dem, was tatsächlich darin steckt. Oder ekelhaftes Essen – das ist auch wieder so ein Wettbewerb: Was ist besonders widerlich anzuschauen?

Sie kommen aus der Nähe von Wuppertal, haben in Berlin studiert. Können Sie Unterschiede zwischen Briten und Deutschen feststellen?

Die Trends sind sehr international. Wenn ich hier in London-Soho Touristen in Lokalen beobachte, verhalten die sich alle eigentlich ziemlich gleich. Wenn, dann gibt es Unterschiede zwischen westlicher und asiatischer Kultur.

Und wie sehen die aus?

In asiatischen Ländern wird die Komposition oft vor einfarbigem Hintergrund präsentiert. Außerdem gibt es dort eine Tradition der Verniedlichung von Essen. Insgesamt nähern sich die Kulturen aber einander an, man kopiert sich gegenseitig.

Fotografieren Sie selber Essen?

Früher habe ich das gern gemacht, aber seit dem Ausstellungsprojekt habe ich damit aufgehört. Weil jede Aufnahme nur noch ein Klischee war. Egal, was man fotografiert, ob das japanische Ramensuppe ist oder Sushi oder ein Sandwich – da war nur noch das Gefühl von: schon gehabt, schon gegeben. Es hatte keine Bedeutung mehr für mich.

The Photographers’ Gallery, London, noch bis 8. Oktober, thephotographersgallery.org.uk , #foodforbeinglookedat

Anna Dannemann, 32, hat an der Humboldt-Universität Kunstgeschichte studiert. Die Kuratorin der Ausstellung „Food for being looked at“ in der Photographers’ Gallery lebt in London.

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