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Michael Hoffmann vor seinem inzwischen geschlossenen Restaurant "Margaux"

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit Michael Hoffmann: Zurück zu den Wurzeln

Sternekoch Michael Hoffmann schließt das »Margaux«. Im Interview spricht er über seine Beweggründe, den Guide Michelin, die Arbeit im Garten und die Zukunft seiner Gemüseküche

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Herr, Hoffmann, der Kampf um die Michelin-Sterne – interessiert Sie das ganze Thema  überhaupt noch?

Nein, denn wir haben unseren Stern ja bereits abgegeben und werden wegen der geplanten Restaurantschließung ja nicht mehr bewertet.

Ärgert es Sie, dass das Margaux nie einen zweiten Stern bekommen hat?

Beim Guide Michelin habe ich eine gewisse Ignoranz verspürt. Wenn die Tester da waren, wir kennen sie ja, zeigte sich: Die Gemüseküche essen sie nicht. Und das ist ja das Thema, für das meine Küche steh. Klar, sie haben klassisch Fisch und Fleisch versucht, auch das muss ja gut sein. Aber sie haben sich nicht auf das Neue eingelassen.

Glauben Sie, dass es für Innovationen beim Guide Michelin keine Punkte gibt?

In Deutschland nicht. In anderen Ländern ja. Selbstverständlich ist öffentliches Lob auch ein wichtiges Ziel für einen Koch. Auszeichnungen wie die Sterne sind unsere Art von Doktortiteln. Irgendwann kommt aber der Punkt, wo man deswegen nicht die Freude am Beruf verlieren möchte. Die alleinige Ausrichtung der Sterneküche auf die Restaurantführer ist für mich nicht mehr zeitgemäß. Es kann ja auch nicht sein, dass es ein Sport ist, wie so viele Jahre zuvor, dass man nach der Zeugnisvergabe im November im Januar dann wieder in die Hände spuckt und zu seiner Mannschaft sagt: So Leute, dieses Jahr greifen wir noch einmal richtig an. Das bin ich nicht, das sind auch nicht die Werte, für die ich als Koch stehe.

Der Michelin-Stern ist also eher ein Fluch als ein Segen?

Nein, ich bin froh, dass wir 13 Jahre diesen Stern hatten, der uns ja auch sehr viel gebracht hat. Jetzt will ich wieder zu dem zurück, wo ich herkomme. Was wir machen, ist eine sehr moderne Küche, die uns nach vorne bringt. Ich will meine Ideen nicht zurückstecken müssen, um nur mit solchen Produkten zu arbeiten, die der Guide Michelin gerne sieht.

Also wollen Sie zurück zu den Wurzeln des Kochens?

Ja und nein. Ich werde in Zukunft sicher nicht nur noch Eintöpfe kochen, sondern weiter auf gehobenem Niveau arbeiten. Aber diese »Pinzettenküche«, die wir auch gemacht haben,  – hier noch ein Gel, da noch ein Strich, da noch ein Pulver – das macht zwar auch Spaß, aber wo soll das hinführen? Wenn ich Fotos in einem Gourmetmagazin sehe, wie dem dänischen Starkoch René Redzepi die Ameisen über dem Finger krabbeln, die gleich im Essen landen sollen, frage ich mich, was ist das denn für ein Quatsch?

Und deshalb schließen Sie das Margaux nun im Februar?

Wenn man 30 Jahre in der Kochjacke steckt, dann kommt der Punkt, an dem man sagt: Jetzt muss einfach eine ganze Menge mehr Lebensqualität für mich herausspringen.

Was werden Sie denn nach der Schließung tun?

Ich habe so viele Interessen, die immer liegen bleiben. Mein großes Hobby ist die Fotografie. Da habe ich voriges Jahr gerade mal eine Serie geschafft, mit der ich gerade eine Ausstellung plane. Dann liegen da auch noch 5.000 Fotos von meinem Garten, die man sichten müsste.

Was war zuerst da: Ihr Garten im Havelland oder das Umdenken in Richtung Gemüseküche?

Der Garten war der Beweggrund für die intensivere Gemüseküche im Margaux. Ich habe den Gemüsegarten ja übernommen. Dort gab es schon vor fünf, sechs Jahren völlig unbekannte Gemüsesorten. Zum Beispiel die Crapaudine, eine längliche Rote Bete, die ich vorher nie gesehen hatte, oder Weiße und Gelbe Bete, auch eine gestreifte. Dann gab es verschiedene Tomatensorten, die ganz unterschiedlich schmeckten. Ausschlaggebend war dann doch, als ich mit meinen Händen selber in der Erde herumgewühlt habe. Das hat mich als Mensch sozusagen geerdet, denn ich musste selbst was dafür tun, dass ich die Produkte, die ich wollte, in meiner Küche habe.

Sie graben den Garten eigenhändig um?

Im ersten Jahr habe ich noch alles selbst gemacht, das war mir sehr wichtig, auch wenn der Zeitaufwand ein Horror war. Doch ich wollte wissen, wovon ich rede. Du säst das Gemüse aus, freust dich, wenn die Saat sprießt, irgendwann später erntest du und verarbeitest das selbst in der Küche. Nicht nur ich, auch die anderen Köche in unserem Team sind ganz andere Menschen geworden.

War das der Start für die Hinwendung zur Gemüseküche?

Ja, man kommt aus dem Garten zurück und denkt sich: Jetzt stehst du hier und machst Foie Gras, nicht gerade politisch korrekte Entenstopfleber, und gerade hast du dich noch mit biologischem Gemüseanbau beschäftigt. Das passt nicht zusammen. Also haben wir die Foie Gras, die ja immer gut gelaufen ist, von der Speisekarte geschmissen. Danach verschwand der Thunfisch von der Karte, dann überfischte Tiere wie Steinbutt oder Seezunge. Und nie hat einer der Gäste danach gefragt.

Wann haben Sie sich entschieden, mit dem Margaux aufzuhören?

Die Entscheidung ist gewachsen, meine Frau und ich haben dann zusammen entschieden, einen Cut zu machen. Das hätte auch schon vor zwei Jahren passieren können. Ich kann in diesen Räumen auch nicht mehr machen, als ich tue, das ist wie ein Korsett. Der Wunsch nach mehr Freiheit war dann aber größer.

Auch nach dem Ende des "Margaux" bleibt die Gemüseküche das Steckenpferd von Michael Hoffmann
Auch nach dem Ende des "Margaux" bleibt die Gemüseküche das Steckenpferd von Michael Hoffmann

© aFoto: Kai-Uwe Heinrich

Hat sich die Situation für klassische Sterne-Restaurants grundsätzlich verändert?

Es ist anders als früher. Manche Gourmets, die nach Berlin kommen, gehen vielleicht nachmittags noch zu Tim Raue und dann abends hierher. Wir haben ja oft dieselben Gäste, weil wir beide als Einzige ganz klar geschnittene, neue Konzepte haben. Doch vor allem der jüngere Berlingast kommt in die Stadt, weil er die kulinarische Undergroundszene erleben will. Es gibt hier jede Menge tolle Konzepte: Private Kochclubs und Salons, temporäre Pop-Up-Restaurants, oder den Street Food Market in der Markthalle Neun – alle haben eine hohe Qualität. Man muss also nicht mehr unbedingt ins Sterne-Restaurant gehen, um ein tolles kulinarisches Erlebnis zu haben.

Sind die klassischen Gourmets, die auf Foie Gras und Steinbuttfilet stehen, ein Auslaufmodell?

Das ist schwer zu sagen, aber ich glaube: Ja. Denn die jüngere Generation, die gerne gut essen geht, denkt über unsere Welt anders nach. Die meisten suchen nach etwas Anderem, etwas mit Nachhaltigkeit, nach etwas Gesundem, nach Vitalität, nach etwas Neuem. Und auch nach anderen urbanen, ursprünglichen Orten.

Lieben Sie die bürgerliche Küche mehr, als Sie zugeben?

Die bürgerliche Küche ist meine Basis, und darauf taste ich mich jetzt auch an die Gemüseküche heran, weil es darüber nichts Gedrucktes gibt. Klar gibt es viele Gemüse- und vegetarische Kochbücher, darunter ästhetisch schön gemachte, auch mit guten Geschichten, aber überall ist die gratinierte Aubergine drin. Über Fleisch wissen wir alles: Jedes Ohrläppchen, das einer Kuh an einem Hang in Nebraska abgeschnitten wird, bekommt eine Spezialbezeichnung. Aber über Gemüse gibt es, wenigstens für meine Bedürfnisse, nichts. Deswegen schreibe ich jetzt ein Buch darüber.

Sie hatten einmal von einer Akademie gesprochen, in der Köche unterrichtet werden sollen…

Alle wollen momentan wissen, was ich machen werde, aber es ist noch zu früh dafür. Eines verrate ich Ihnen: An dem neuen Ort wird es ein Grundgeschäft geben, in das ich eine Werkstatt einbaue, wo ich sicher hin und wieder auch Kochkurse geben werde.

Haben Sie schon einen Geschäftspartner in Aussicht?

Ja, meine Frau. Geschäftliche Angebote gab es übrigens jede Menge: ein Schloss in der Pfalz mit Gourmetrestaurant, gastronomischer Leiter und so weiter. Geschenkt, das will ich nicht.

Also doch wieder alles auf eigenes Risiko?

Ja. Ich bin gerne selbstständig. Dazu braucht man gute Leute, die habe ich hier – und da werden bestimmt auch ein paar davon mitkommen.

Gibt es noch ein Abschiedsspektakel im Margaux?

Ach, wissen Sie, wir haben auch kein Zehnjähriges gefeiert. Ich sehe das pragmatisch: Wir haben aufgemacht, wir haben gekocht – und jetzt machen wir wieder zu.

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