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Fräulein Fiona, Fritschestr. 48, Charlottenburg, Tel. 956 022 72, geöffnet täglich außer sonntags ab 18 Uhr.

© Kai-Uwe Heinrich

Restaurantkritik: Fräulein Fiona in Charlottenburg

Unser Kritikerin hat das Rotbarbenfilet mit Schweinebauch geschmeckt. Und sie ist optimistisch, dass sich das Restaurant mit seinen modernen deutschen Kreationen im harten Berliner Alltagsgeschäft behaupten kann.

Fräulein Fiona trägt Jeans, Pulli und Bluse zur hellblonden Haartolle. Mit schweren Schritten bespielt sie den geschmackvoll gestalteten Restaurantraum. Kristallleuchter unter der Decke, dunkle Tische mit hellen Leinenläufern, bequeme Stühle, lange Vorhänge, rosa Gerbera, flackernde Windlichter in kleinen weißen Butterbrottütchen: Es ist gemütlich hier und dabei auch ein bisschen elegant. Genau die richtige Atmosphäre, wenn man etwas schicker, aber auf jeden Fall zwanglos und so, wie man gerade angezogen ist, ausgehen möchte.

Obwohl Fräulein Fiona, so nennen wir sie jetzt einfach mal, den Service allein bestreitet, sind die Wartezeiten nicht unnötig lang. Kurz nach dem Aperitif bringt sie schon einen warmen Gruß aus der Küche: zartes Kalbsbäckchen auf getrüffelter Apfelmaultasche. Dem durchdringenden Geschmack zufolge war es wohl eher eine mit Trüffelöl begossene Maultasche, aber die Füllung schmeckte schön fruchtig. Dazu gab es kräftiges Bauernbrot, Bärlauchbutter und Rote-Bete-Mousse. Die Karte ist klein, es lohnt in jedem Fall, die einzelnen Gerichte zu einem Drei-Gänge-Menü für 39,90 Euro zusammenzustellen. (Vier Gänge: 47,70 Euro.)

Das gebratene Rotbarbenfilet ist gut angebraten und kräftig gewürzt, was in der Gesellschaft von gegrilltem Schweinebauch auch durchaus Sinn ergibt. Dazu gab es Tomaten und säuerlich marinierte Spargelstangen. Interessant war die Kombination von dicken, rosa gebratenen Kalbsrückenscheiben auf einer schönen Kapern-Sardellen-Mayonnaise mit Feldsalat und dem Frühstücksklassiker „Oeuf Florentine“. Das Ei war sehr flüssig mit Béarnaise und Spinat in einer Schüssel angerichtet und schmeckt mit einer ordentlichen Prise aus dem Salzstreuer auch abends gut. Das Kalb daneben wirkte wie eine verdeftigte und verdeutschte Variante von Vitello Tonnato.

Maibock ist als Delikatesse nicht unumstritten, weil das Wild nach dem Winter oft noch ausgemergelt ist, aber die fleischigen Stücke vom Rücken waren perfekt gegart und nicht zu mager. Dazu gab es Brokkoli, Brokkoliflan mit Rübchen drauf und Spätzle in einer tiefdunklen, schön reduzierten kräftigen Wildsauce. Karree vom Thure-Lamm wiederum schmeckte saftig und war tadellos gebraten. Die tiefdunklen Saucen sind wohl eine Spezialität des Kochs. Dazu passten gebratene Polenta und Spargelratatouille mit Möhren ganz gut.

Auch die Desserts waren gelungen. Zur sanft säuerlichen Buttermilchmousse harmonierte Erdbeer-Rhabarber-Kompott im kleinen Glas. Die gebrannte Vanillecreme hatte eine zuckrig süße Kruste und einen dezenten Vanillegeschmack, der sich am Ende ganz harmonisch mit dem langsam schmelzenden tiefroten Himbeersorbet vermählte.

Die professionell sortierte Weinkarte enthält auch eine Auswahl von offenen Weinen. „Unser Riesling“ aus Rheinhessen hat etwas Sonntägliches im Geschmack (0,5 l für 13,80 Euro), und „Unser Merlot“ aus dem französischen Domerval passte bestens zu den kräftigen Hauptgerichten (0,5 l für 15,50 Euro).

Warum mache ich mir trotzdem Sorgen um dieses Lokal? Weil es in eine Kategorie fällt, die oft scheitert, man könnte sie gehobene Mittelklasse nennen. Das ärgert mich immer wieder, wenn ich sehe, wie irgendwelche Schuppen, in denen die Gäste mit Convenience-Futter abgespeist werden, dank großer Busladungen locker überleben. Es ist schwer, jeden Tag dankbare Kunden zu finden, die es zu schätzen wissen, wenn frisch und modern gekocht wird, und die dafür auch entsprechend bezahlen wollen. Auf dieser Ebene konkurriert die feinere deutsche Küche auch mit vielen ethnischen Restaurants, die oft mit einem sehr günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis punkten können. Einzeln hätten unsere Hauptgerichte 24,70 bzw. 25,80 Euro gekostet, die Vorspeisen 14,80 und 14,20 Euro. Bei aller Qualität ist das nicht gerade wenig. Da uns Fans des Hauses aber schon wiederholt aufmerksam gemacht haben auf dieses nette Restaurant, bin ich trotzdem optimistisch, dass sich Fräulein Fiona mit ihren modernen deutschen Kreationen im harten Berliner Alltagsgeschäft behaupten kann.

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