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Jungbluth, Lepsiusstr. 63, Steglitz, Tel. 797 896 05, Dienstag bis Sonntag ab 12 Uhr geöffnet.

© Kai-Uwe Heinrich

Restaurantkritik: Jungbluth

Kaninchen mit Schwarzwurzeln.

Die Berliner Gastronomie erlebt eine kleine Gründerwelle, und zwar eine, wie es sie schon lange nicht mehr gab: keine Hotels und Luxusläden, sondern ehemalige Kneipen, die mit erkennbar wenig Geld in den Trend gedreht werden und dann Restaurant heißen dürfen. Farbe an die Wand, ein bisschen neue Technik in die Küche, fertig. Dabei bleiben vorerst meist sogar die Klos, wie sie waren.

Im kulinarisch matten Steglitz ist in diesem Jahr das „Jungbluth“ nach diesem Prinzip gegründet worden. Zwei Köche mit guter Ausbildung, die sich selbst verwirklichen wollen, locken nun mit kreativer Küche im besagten bescheidenen Rahmen. Das ist an sich okay, ich würde aber doch raten, noch ein wenig Geld in die Beleuchtung zu stecken, denn wir waren nicht die Einzigen, die an diesem Abend versuchten, die Teller mit der Handy-Leuchte aufzuhellen, um überhaupt zu erkennen, was da liegt.

Was da lag, war in Ordnung, trieb mich aber zu einer hier schon öfter gestellten Frage: Warum gehen junge Köche, die an sich alles können, so mutlos und bieder an die Arbeit heran? Es mag sein, dass sie damit wirtschaftlich sogar richtig liegen, denn das Restaurant war gut gebucht, und in Steglitz sucht vermutlich auch niemand nach kulinarischen Experimenten – aber das kann doch nicht alles sein.

Also: Die Selleriecreme mit Chorizo und Koriander aß sich angenehm, wenn ich auch wegen des prägnanten Kokosaromas nie auf Sellerie gekommen wäre (6,20 Euro). Am besten gefiel uns das gefüllte Kaninchen mit Rotkohl, Schwarzwurzeln und Cashewkernen schon wegen der so selten eingesetzten Schwarzwurzeln – kein Hauptgang, sondern eine überwiegend kalte Vorspeise. Hier wurden verschiedene Konsistenzen auf dem Teller geschickt gegeneinandergesetzt, gut abgeschmeckt (9,80). Sauberes Handwerk auch beim gut abgepassten Meeräschenfilet mit weißen Bohnen und Kohlrabi; der versprochene Wasabi war nur zu ahnen (18,80).

Enttäuscht war ich von der „US Short Rib“, was normalerweise ein deftig im konzentrierten Barbecue-Fond geschmortes Stück Fleisch bedeutet. Dies hier hätte „geschmorte Ochsenbrust in lahmer Soße“ heißen müssen, sehr brav angerichtet und mit Roten Beten, Grünkohl und Kartoffeln angerichtet wie einst bei Muttern (21,50). Über dem Niveau dieser Gänge lag ein ausgezeichnetes Dessert: „Geeiste Passionsfrucht, Süßkartoffel, Ingwer-Tee-Espuma“, ein dreischichtiges, sehr munteres Türmchen (7,80). Vermutlich wäre auch der halbflüssige Schokoauflauf (9,20) gut gewesen, aber er wurde lange nach Bestellung als ausverkauft gemeldet. So bekamen wir das dazu gehörende Waldbeerensorbet gratis, und das war auch ganz vorzüglich. Ein gutes Dutzend anständiger Weine ist verfügbar, der Service wackelt bei vollem Haus. Also: recht sympathisch, aber es steckt mehr drin, als bisher gezeigt wird.

Der Hype des Jahres findet vermutlich in Wedding am Leopoldplatz statt: „Da Baffi“, ein kurios simpler Italiener, der es geschafft hat, sich als hippes Zugpferd in einer aufsteigenden Gegend zu positionieren. Enge Wackelstühlchen vom Sperrmüll, hübsche Blumendeko, straffer Service, und: zwei Sitzungen allabendlich, die Leute strömen, und zwar solche, die in dieser Gegend sonst nicht zu sehen sind, und das bei recht hohen Preisen. Dafür bleibt das Gebotene blass. Jakobsmuscheln am Spieß mit Salat, Mandeln und Granatapfelkernen, drei Stück, schön glasig, aber bestenfalls B-Qualität, Polenta mit durchdringendem Taleggio gratiniert und Radicchio, okay, dann ein offenbar kompletter Oktopus mit Tomatensoße, Oliven und Weißbrot, zart, technisch okay – aber wer soll das aufessen, wenn ein Bissen wie der nächste schmeckt?

Brave gefüllte Wachteln mit Topinambur und Spinat. Und das Beste: Tagliatelle mit Trüffeln, sehr aromatisch trotz keiner Spur von Trüffelöl. Es ist dies vermutlich eines jener Restaurants, in denen der Funke manchmal überspringt und manchmal nicht. Der Service könnte da mit etwas mehr italienischem Charme sicher noch was reißen. (Nazarethkirchstr. 41, Wedding, Tel. 0175-692 65 45, Di-Sa ab 18.30)

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