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Gesellschaft: SINGLE MALT

Den Chef haben sie in der Szene „Whiskykanzler“ getauft. Werner Hertwig hat schließlich Pionierarbeit geleistet.

Den Chef haben sie in der Szene „Whiskykanzler“ getauft. Werner Hertwig hat schließlich Pionierarbeit geleistet. Als er seinen Laden 1986 mit einer Auswahl hochwertiger Whiskys eröffnete, waren die hierzulande noch Nischenprodukt.

Wenn Hertwig der Malzregierung vorsteht, dann ist Jens Praßer so etwas wie sein Vizekanzler. Seit kurzem unterstützt Praßer, Jahrgang 1966, den Freund im täglichen Geschäft und wird wohl bald dessen Nachfolge antreten. Vor Jahren kam der Industriekaufmann mal als Kunde in den Laden in der Eisenacher Straße in Schöneberg. Auf der Suche nach einem Geschenk für seinen Vater verkostete er einen 30 Jahre alten Whisky – und spätestens da war es um Praßer geschehen: „Da habe ich meinen Weg zum Single-Malt-Whisky gefunden“, sagt er. Zu Whisky also, der Charakter hat, der anders als die handelsüblichen Blends nicht verschnitten und geglättet ist, sondern aus einer einzigen Brennerei stammt und ausschließlich aus gemälzter Gerste hergestellt wird. Von der „Spirituose mit der größten Bandbreite an Aromen“ schwärmt Praßer. Ein Spektrum, das von Frucht- über Holz- bis zu starken Rauchnoten reicht.

„Wein & Whisky“ – der Name ist geblieben, auch wenn der Verkauf von Wein anders als in der Anfangszeit kaum mehr eine Rolle spielt – ist ein Laden, in dem man Whisky lieben lernen kann. Das Angebot in den Regalen der vier Altbauräume ist kaum zu überschauen. Etwa 1500 Sorten gibt es hier: vor allem schottische, aber auch irische, japanische, amerikanische, französische, ja sogar schwedische Whiskys (beziehungsweise „Whiskeys“, wie die Spirituose in den USA und Irland heißt), seltene alte Schätze ebenso wie die großen Marken, Whiskys, die Destillerien speziell für die Schöneberger abgefüllt haben, Flaschen, für die man 30 Euro zahlen muss neben solchen für 300 Euro, Whiskys, auf die Jens Praßer schwört, und solche, die halt kaufen soll, wer das unbedingt möchte.

Im Eingangsbereich stehen auf einem alten Fass einige Sorten (Glenkinchie, Cragganmore ...), die man unkompliziert für ein paar Euro probieren kann – aus stilechten Nosing-Gläsern, in der Hand angewärmt. On the rocks würden sich die Aromen der Spirituose gar nicht richtig entfalten, sagt Praßer. Herz des Ladens ist der Bereich, in dem sich früher ein Pub befand: Das Licht ist gedimmt, eine schottische Fahne verdeckt das einzige Fenster, links und rechts stehen schwere Holzregale und in der Ecke Ledersessel. Hier finden auch Verkostungen statt, fürs Einsteigertasting (ab fünf Personen) zahlt man 30 Euro. Jens Praßer berät seine Kunden gern, das merkt man. Er hat schon an die 850 Whiskys probiert, als Kenner will er sich trotzdem nicht bezeichnen. Whisky ist eben ein endloses Thema, „eine Wissenschaft – aber eine, die großen Spaß macht“.Björn Rosen

Wein & Whisky, Eisenacher Straße 64, Mo 13-18, Di-Fr 11-18, Sa 10-14 Uhr.

Björn Rosen

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