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Von Tisch zu Tisch: 44

Erbsensuppe mit Erbsensorbet

Das Restaurant 44 im Swissôtel bietet einen genialen Blick auf ein Herzstück des alten West-Berlin: die Kranzler-Kreuzung. Dieser Ausblick war in Verbindung mit der avantgardistischen Küche von Tim Raue ein gutes Ziel, auswärtigen Besuchern zu beweisen, dass Berlin auch diesseits von Mitte lebt.

Nach dem Weggang des phantasievollen Sternekochs hat nun Danijel Kresovic die Herrschaft am Herd übernommen. Dem ersten Besuch nach dem Wechsel haben wir mit Spannung entgegengesehen. Die Aussicht ist wie immer schön, der Service ist aufmerksam, und der Sommelier punktete auf Anhieb. Erst hatte er einige recht verlockende Vorschläge gemacht. Als wir uns für einen Wein des sächsischen Winzers Klaus Zimmerling entschieden, einen 2006er Müller-Thurgau, der mit 37 Euro zu den billigsten Gewächsen auf der Karte zählte, nahm er das ganz cool und wies uns beim Öffnen der Flasche auf das hübsche Bild auf dem Etikett hin. Wir waren überrascht, wie gut der Wein dann war, mal abgesehen davon, dass der Sommelier in vorbildlicher Weise das Gebot „Du sollst den Gast beraten, aber nicht missionieren“ erfüllt hat.

Ach ja, das Essen. Es gibt ein Degustationsmenü in vier (62 Euro), fünf (75 Euro) oder sechs (84 Euro) Gängen. Drei Gänge sind nicht vorgesehen, weil man danach noch nicht satt sei, hieß es.

Die Suppe von jungen Erbsen kommt auf einem länglich schmalen weißen Teller, links davon ein Kaisergranat-Lolli, eine aufgespießte dicke Garnele, rechts davon ein allerdings recht banales und dann auch noch zu süßes Erbsensorbet mit Minze drauf sowie ein passabler Erbsschaum mit Wasabi. Mindestens an die Stelle des Sorbets hätte irgendetwas gehört, was das Gericht ironisch durchbricht, meinetwegen Eisbeinsalat mit Ingwer. Der Felsen-Octopus kam in dünnen Scheiben in einer kleinen Schale, darauf ein Rucola-Foccacia-Salat und eine fruchtige Salsa aus Orangen und Oliven. So gedrängt angerichtet, wirkte es etwas kuddelmuddelig, schmeckte aber ganz gut.

Auf der ganz ordentlichen „Popcorn-Bacon-Emulsion“, einer hellbraunen Sauce mit Kinoabend-Geschmack, lagerten vor der mit Morcheln unspektakulär gefüllten Bressewachtel immerhin zwei echte Popkörner. Dazu gab es Petersilienwurzelsalat und ein klebrig süßes Petersilienpüree.

Der Hang zu „süß und klebrig“ dokumentierte sich weiter im dunkelbraunen Brunnenkressefond, auf dem, getrennt nur durch einen Klacks laffen weißen Kartoffelpürees, ein kleines, aber dafür sehr schön zartes Stück confierter Wildlachs unter einer Limonen-Pfefferkruste ruhte.

Der kanadische weiße Heilbutt war nicht ganz so zart und saftig, war aber hübsch angerichtet auf einem unter dicker weißer flüssiger Butter entfalteten Bett von grünen Spargelstangenstreifen. Rechts unten und links oben lagen zwei knusprige, nicht sehr geschmacksintensive Kalbskopf-Stäbchen, die wie Knabbergebäck runtergingen und mich albernerweise an Fischstäbchen erinnerten.

Die dunkelrosigen, in Rotwein pochierten Scheiben vom Charolais Rinderfilet waren zart und perfekt auf den Punkt gegart, dazu gab es Wildkräutersalat und ein in seiner Konsistenz etwas zu widerspenstiges Ochsenschwanztortellone.

Mit dem Thema Schokolade steht der neue Koch offenbar noch auf dem Kriegsfuß. Hätte man mir die „Klare Schokoladenconsommé“ als entalkoholisierte Ostereierfüllung verkauft, hätte ich das eher leichter geglaubt. Die Gianduja-Tarte mit faden Schokowürmchen obenauf erinnerte mich von der Konsistenz her an „Kalten Hund“, nur leider ohne die Kekse. Beim Schokoladen-Limonenblättersorbet assoziierte ich Drogerie-Geruch. Das ist alles noch sehr ausbaufähig. Besser war die auch sehr süße Crème Brûlée vom Australischen Akaziensamen mit Orangensalat und einem ziemlich sauren Rooibossorbet, schon weil sie unter der Regie der Kellnerin so hübsch brannte, wie die Kochstelle auf einem alten Gasherd.

Dem heiteren Spiel mit Bewährtem und Neuem ist vorerst das angestrengte Durcheinanderwerfen von Zutaten gewichen. Das ist schade, kann aber alles besser werden. Nur hat dieser Abend knapp 200 Euro gekostet, da wird man wohl mal leise aufjaulen dürfen.

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