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Von TISCH zu TISCH: Bieberbau

Wildtaube mit Morcheln und Selleriecrème.

Meine Hochachtung gilt jenen Köchen, die anspruchsvolle Konzepte durchziehen ohne Wiener Schnitzel und Nudelteller – und ohne ein Hotel im Hintergrund. Stephan Garkisch vom Bieberbau ist so ein Koch, und sein Restaurant, wenn man so will, eine Bank der zweiten Liga: Das Essen und Trinken können sich Normalverdiener leisten, und sie gehen trotzdem mit dem Gefühl, auf der Höhe der Zeit gegessen zu haben.

Das ist gar nicht so einfach. Denn wie sieht moderne Küche überhaupt aus? Einige Köche versuchen immer noch, die Tricks und Marotten der spanischen Dekonstruktionsküche am Leben zu erhalten, andere legen von Jahr zu Jahr mehr Elemente auf den Streberteller, und wieder andere versuchen, der radikalen Simplizität der Skandinavier nachzueifern. Ach, und Gemüse ist natürlich auch ein riesiges Thema.

Garkisch laviert sich geschickt durch dieses Durcheinander: Er zieht eigene Kräuter und Gemüse, hat damit also einen Produktvorsprung, überfordert seine Gäste aber nicht mit avantgardistischen An- und Zusätzen, sondern holt sie da ab, wo er sie – wohl zu Recht – vermutet.

Deshalb haben die einzelnen Gänge der beiden Fünf-Gang-Menüs meist einen konventionellen Kern, aber immer auch einen Dreh, der sie originell und frisch erscheinen lässt: Spargel, Artischocken, Schinken, Bärlauch und ein Hauch von Grana Padano, das ist noch innerhalb der Konvention, doch ein paar Würfel von frischen Anchovis geben dem Gericht das gewisse Mehr an Geschmack. Einfacher geht das noch mit Kräutern wie dem Kümmelgrün, das dem bodenständigen Salat von roten und gelben Beten mit Fenchel mit Safranmiesmuscheln einen kräftigen Schubs gibt.

In der sämigen Topinamburcrème mit Wildkräutersalat und Entenbrust überraschen kräftig säuerliche Berberitzen; fast schon ein wenig brav wirkt es dagegen, wenn das gebratene Zanderfilet in einem süß-sauren Paprikagurkensud mit Perlzwiebeln schwimmt und nur Gartenkresse ein wenig aus der vorhersehbaren Reihe tanzt.

Ganz formidabel gelingt die Wildtaube mit geschmeidiger Selleriecreme und Morcheln mit marinierter Birne, Walnüssen und einem Hauch von Raps, die keinem bekannten Geschmacksmuster mehr folgt, sondern eine gewissermaßen originäre Schöpfung ist. Die recht feste Bavette – also ein Flank-Steak aus dem unteren Rippenbereich – vom US-Rind ruhte dagegen mit Pastinaken und Lauchzwiebeln noch fest auf deutschem Boden, mit confiertem Knoblauch und Rotweinzwiebeln ein wenig kontrastarm abgestimmt.

Die Desserts bleiben in diesem Rahmen vorsichtig dosierter Grenzüberschreitungen, wenn hübsch grüner Sauerklee das Apfelsorbet mit Pistaziencreme und Feigen aufwertet. Aber auch das Rhabarbersüppchen mit „geeister Lobetaler Milch“ und einem Gebäckstreifen schmeckte gut.

Es dürfte also klar geworden sein, dass hier jemand seinen ganz persönlichen Stil ausarbeitet, einen Stil, der nicht platt auf regional oder hypersaisonal hinausläuft, sondern genug Platz für Spaß und Genuss lässt. Man könnte sich eine Schärfung des Profils aber durchaus noch vorstellen, hin zu dem einen oder anderen komplett vegetarischen Gang, hin zu anderen Teilen der Pflanzen als den allgemein üblichen – doch das kommt sicher nach und nach.

Das alles gibt es, wie schon angedeutet, zu vernünftigen Preisen. Ein Menü kostet scharf kalkulierte 42,50 (drei Gänge) bis 62,50 Euro für fünf Gänge, das andere je einen Euro mehr, die üblichen Kleinigkeiten drum herum natürlich eingeschlossen. Mit teuren Weinen lässt sich das Ganze weit in die Höhe treiben, doch das muss nicht sein, denn die Kalkulation ist vernünftig: Der zuletzt zu einem der Menüs empfohlene Escherndorfer Lump Riesling Kabinett von Horst Sauer (Franken) kostete 37 Euro.

Ach, für alle Neulinge: Der Bieberbau heißt so, weil er mal vor einem Jahrhundert als Schauraum des Stukkateurs Richard Bieber entstanden ist. Dessen Werke schmücken die Wände immer noch – eins der originellsten und gemütlichsten Berliner Restaurants.

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