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Undogmatische Küche mit Anspruch im ehemaligen "WeinGut": Das "Hetz" in Schöneberg

© Stefan Weger / Tsp

Von TISCH zu TISCH - Die Restaurantkritik: Hetz

Der Nachfolger vom „WeinGut“ besticht mit munterer Küche. Nur als Weinbar funktioniert er noch nicht.

Zum Jahresende war wieder mal viel von gastronomischen Trends die Rede, das ist wie an der Börse: Asien fest, Naher Osten weiter zunehmend, Fermentation leicht nachgebend, regional aufwärts. Das wichtigste Thema für die Branche ist ohnehin der Personalmangel, der verpeilten Studentenservice auf Englisch langsam zum Normalfall werden lässt. Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass die winzigen Restaurants des alten West-Berlin mit maximal 20 Plätzen zurückkehren, die sich mit ein bis zwei Köchen und einem qualifizierten Kellner bespielen lassen; das „Bob & Thoms“ in Schöneberg ist das schönste Beispiel.

Im ehemaligen "WeinGut" wird weiter undogmatisch und mit Anspruch gekocht

Nicht weit davon entfernt hat sich das alte „WeinGut“ nun zum „Hetz“ gewendet. Der seltsame neue Name gehört Thomas Hetz, dem Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Personaldienstleister, der sich hier finanziell engagiert. Wie ich höre, ist der Küchenchef geblieben. Wir haben es mit einer Küche der gemäßigt modernen Richtung zu tun, die keinen Dogmen folgt und Anspruch hat.

Alle Gerichte gibt es auch à la carte

Die rund zehn Gänge der Tageskarte sind nicht nur als Menü, sondern auch à la carte zu haben, etwa gebeizte Fjordforelle mit Endivie, Rettich, Linsen, einer kleinen Pumpernickel-Rolle und Farbe vom Granatapfel. Eine farbenfrohe, animierend frische und kontrastreiche Inszenierung (15 Euro). Der weich geschmorte Schweinebauch auf asiatische Art ist hier sehr gelungen mit geschmeidigem Süßkartoffelpüree, frittiertem Grünkohl, einem Hauch Kokos und ein paar Ingwerscheiben, die vielleicht nicht jeder mögen wird (14). Das schön große, saftig gebratene Steinbuttfilet wird ebenfalls von mehrfarbigen Beten begleitet, in Gestalt eines roten Risottos, darauf Miesmuscheln; der Safranschaum ist etwas zu schaumig, um aromatische Präsenz zu entwickeln, dennoch ergibt sich ein erfreuliches Gesamtbild (29). Gemessen modisch ist auch die Hirschkalbskeule nebst Kaffee-Jus, in unserem Fall einen Tick zu durchgebraten, die mit Champignons, Lauch und Dörraprikosen in großen Stücken und knusprigen Kartoffelbällchen recht rustikal aussah, aber auf der Zunge gut funktionierte (27).

Die Desserts sind für schnelles Anrichten konzipiert: ein ziemlich brotig-trockener Spekulatius-Savarin mit kleingewürfeltem Quittenkompott, Rum-Schaum und Bratapfeleis sowie eine Buche du Noel, der französische Schoko-Weihnachtsklassiker, mit Gewürzorangen und Mandarineneis, sehr schön (10/11 Euro).

Weine sind zu hoch kalkuliert

Im Untertitel trägt dieses anheimelnde Restaurant den Namen „Weinbar“, unverständlich, denn die sollte ja dem Durstigen ein reiches Angebot offener Weine auch ohne Essen anbieten, das dürfte hier allenfalls am späten Abend möglich sein. Das (Bio-)Weinangebot ist eher klein und hat drastische Preise. Die „100 Hügel“-Linie von Wittmann fungiert in vier Sorten als eine Art Hauswein und ist mit 38 Euro (6 Euro offen für 0,1l) schon fast mit dem Faktor vier kalkuliert; richtig absurd wird es dann, wenn die im Einkauf kaum teurere Scheurebe, ebenfalls Wittmann, 58 Euro kosten soll. Mal fünf? Das soll in Gottes Namen das Adlon machen; hier gehört es sich nicht.

Hetz. Vorbergstr. 10 a, Schöneberg, Tel.78 95 90 01. Di – Sa ab 18 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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