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Von TISCH zu TISCH: Hessenwinkel

Variationen vom Spanferkel.

Die Vorzüge von Berlin und Brandenburg, die es ja beide gibt, lassen sich am besten irgendwo im Grenzbereich beider Länder kennenlernen, dort also, wo der arglose Passant nie so genau weiß, wo er eigentlich ist. Bzw.: Isst. Mein Favorit in diesem Grenzgebiet ist der Dämeritzsee. „Däme was?“, werden auch eingeborene Berliner sagen, also gut: Der Dämeritzsee liegt im Südosten kurz vor Erkner, die Grenze geht mittendurch, und er ist vom Charakter so eine Art Müggelsee de luxe.

Ein Grenzgänger zwischen Brandenburg und Berlin ist auch Dieter Kobusch, der rund ein Jahrzehnt im Luckenwalder Vierseithof gute Arbeit geleistet hat und nun offiziell als Küchenchef des Berliner Partnerhotels an eben diesem See fungiert. Wer seine Küche kennt, der weiß, dass hier nichts experimentiert und nichts avantgardistisch auf die Spitzen getrieben wird: Es gibt bei ihm einfach gutes Essen, und daran hat sich nichts geändert. Nur, dass das Dämeritzseehotel mit seiner lauschigen Seeterrasse der schönere Ort ist – eine Rarität, ein junger Ausflugsklassiker auch für Muttertag und Pfingsten.

Was haben wir gegessen im Restaurant „Hessenwinkel“? Eine kalte Roulade von Lachs und Seezunge, nach Carpaccio-Art zubereitet, dazu Avocado-Krabben-Salat, ausgezeichnet. Oder Variationen vom Spanferkel, also Bauch mit Couscous-Salat, Bäckchen auf schwarzen Linsen, gebackenes Eisbein mit Kressesalat, auch das sehr fein, wenngleich etwas monoton, hier hätte ein süß-säuerlich-scharfer, möglicherweise asiatischer Akzent Wunder wirken können. Wunderbar genau gegart: ein dickes Saiblingsfilet auf Krabbenrisotto mit Blattspinat und Krustentierschaum. Den Zusammenklang von Dill im Risotto und Knoblauch am Spinat empfand ich als dissonant, das ist sicher Geschmackssache.

Zartes Fleisch, gutes Aroma, klassisch kombiniert: das Ruppiner Lamm auf zwei Arten mit Bohnenkernen, Auberginenpüree und einer Kartoffelterrine. Schließlich gaben auch die Desserts qualitativ nicht nach, die Zitronentarte mit Himbeer-Kondensmilch-Eis schmeckte ebenso gut wie das Grießflammeri mit Passionsfrucht, Erdbeeren und Sauerrahmeis. Die Weinkarte aus aller Welt ist überschaubar, aber relativ preisgünstig kalkuliert, der nette Service funktioniert, also bitte, das lohnt den Weg. (Drei Gänge 42,50 Euro, Vorspeisen um 10 Euro, Hauptgänge um 22 Euro.)

Vielleicht ließe sich an der penetrant süßlich loungenden oder gleich vom Radio gelieferten Musik noch was machen – aber wir wollen ja eigentlich sowieso lieber auf der Terrasse sitzen.

Weniger lohnt der Weg zum Landgut Borsig, jedenfalls in kulinarischer Hinsicht. Denn hinfahren sollte man zu diesem prächtig restaurierten Denkmal der Industriegeschichte, aber sich nicht vom netten Restaurant und der lauschigen Lage am See irre machen lassen. Ich weiß nicht, wie man als Koch auf solche Sachen kommt: Da gibt es als „Gruß aus der Küche“ ein paar Scheiben selbst gebackenes, ziemlich trockenes Tomaten-Baguette – und wenig später kehrt das gleiche Brot, fies in Fett aufgebraten, noch einmal als Beilage zu den Vorspeisen zurück. Hallo?

Die „deutschen Tapas à la Landgut“ sind ein Schock: Dicke Apfelviertel in Schinken eingewickelt, ein Berg Sauerkraut in Schinken eingewickelt, dazu Räucherschinken mit Gewürzgurken, blaue Kartoffel mit Saiblingskaviar und das besagte Brot – ein entgleister Vesperteller. Dann Felchenfilets (die ich für Hecht hielt) auf süßlichen Birnen-Schmorgurken mit, ehrlich, Salbei-Udon-Nudeln, knalltrockene Heidschnucke praktisch ohne Soße nebst „Riesen-Herzoginkartoffeln“, die mit reichlich Tomatenmark versetzt sind. Und die Pannacotta mit Cassiseis, na, ich kann nicht beweisen, dass das Industrieware war, aber die schmeckt in der Regel so. Es gibt ein paar gute, preisgünstige Weine, der Service ist von rustikaler Freundlichkeit. Seufz.

Landgut A. Borsig, Behnitzer Dorfstr. 29-31, Nauen/Groß Behnitz, Tel. (033239/208060), täglich 11.30 bis 21 Uhr

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