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Von TISCH zu TISCH: Markus Semmler

Schwarzwurzelsalat mit geräuchertem Lachs.

Das war eine der ganz großen Absturzgeschichten der Berliner Gastronomie. Talentierter Küchenchef macht seinen Weg nach oben, eröffnet ein erfolgreiches Restaurant, eröffnet ein weiteres dazu in einem aufstrebenden Designeinkaufszentrum – und stürzt in finanzielle Abgründe. Markus Semmler, um den es hier geht, war (so jedenfalls seine eigene Darstellung) vom Verpächter seines Restaurants „Mensa“ am Lützowplatz betrogen worden und ging dann auch mit dem „Stil“ im Stilwerk unter. Doch er gab nicht auf, verlegte sich aufs Catering, machte eine Ehrenrunde auf Sylt, zahlte nach und nach seine exorbitanten Schulden ab und rehabilitierte sich damit auch bei jenen, die ihn seinerzeit für einen überzogen selbstbewussten Emporkömmling gehalten hatten.

Seit Anfang November vergangenen Jahres ist er wieder voll im Geschäft, betreibt ein neues Restaurant, in dem er permanent selbst am Herd steht. „Das Restaurant“ heißt es schlicht, das mag man nun als Understatement sehen oder als sehr vorwitzig, je nach Betonung. Eines hat sich jedenfalls geändert: Semmler, der in den Neunzigern stilistisch durchaus Trends zu setzen vermochte, ist jetzt bei den Konservativen gelandet. Die Szene dreht sich so schnell, dass das, was er damals gekocht hat, heute schon den Stempel „Moderne Klassik“, wenn nicht gar „bürgerlich“ trägt, etwa der Hummer mit Wildkräutersalat im Kartoffelring.

Man könnte das ins Negative wenden und davon sprechen, er habe den Anschluss verloren, aber das ist eine Frage des Blickwinkels – es wird eben, wie früher, ein angenehmer Mischgeschmack angestrebt und nicht das bei modernen Köchen übliche Kontrastpanorama, das ist an sich kein Fehler. Semmlers Sachen schmecken auch durchweg sehr gut, und das Konzept scheint zumal angesichts des recht großen Gastraums erfolgreich zu sein – und angesichts selbstbewusster Preise, die durchaus über denen besternter Konkurrenten liegen (vier Gänge: 89 Euro).

Dafür bekommt der Gast sehr gute Produkte, ordentlich portioniert, handwerklich sauber gekocht und stilistisch so gradlinig, dass es sogar dem Bundespräsidenten gefallen müsste. Und Butter, Sahne, herrliche dunkle Jus, die Sachen, die uns die modebewussteren Köche vorenthalten, was uns weniger satt, aber nicht unbedingt glücklicher macht. Auf dem Schwarzwurzelsalat liegt ein dickes Stück leicht angeräucherter Lachs, dazu etwas Rote-Bete-Vinaigrette, fertig. Der heikle St. Pierre wird in einem Fond mit Shiitake-Pilzen perfekt saftig gegart, dazu gibt es Spinatravioli und ein paar schwarze Trüffelscheiben. Der Rehrücken im Brotmantel mit schwarzen Nüssen, Selleriepüree, Schupfnudeln und einem recht süßen Jus ist auch so ein Retroklassiker – aber wer behauptet, das schmecke nicht, der muss schon sehr weit draußen im avantgardistischen Raum leben.

Bunt geht es weiter, mit einer sanften Rote-Bete-Creme mit Wan Tan oder einem sorgsam gedämpften Stück Kabeljau auf Buchweizennudeln. Mit den nicht ganz gleichrangigen Desserts geht es in die Schlussrunde: Nichts löst Überraschungen aus, aber alles schmeckt prima, ist einwandfrei gegart, gewürzt und schlicht angerichtet. Nougatmousse in Krokantcannelloni mit Mandarinensorbet oder ein Mohnsoufflé, eher ein warmer Kuchen, mit Gewürzfrüchten. Dazu gibt es eine ganz gute Auswahl vernünftig kalkulierter Weine wie den 2009er Riesling „Von der Fels“ von Keller für 42 Euro.

Wir haben hier also ein neues Restaurant, das vermutlich ein wenig polarisieren wird. Man sitzt trotz der schlauchigen Tiefe angenehm, die gedämpfte Akustik lässt keinen Lärm aufkommen, auch das ist nicht unwichtig. Semmlers Küche ist nichts für Neuigkeitensucher und sicher auch für keins der aktuellen Diätmodelle geeignet, das muss man vorher wissen.

Den Lobeshymnen, die da und dort schon intoniert wurden, kann ich mich also nicht ganz anschließen, aber das ist eine reine Geschmacksfrage. Alle, die sich gut gemachtes No-Nonsense-Essen zu diesen Preisen leisten können, dürften hingegen mehr als zufrieden sein.

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