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Von TISCH zu TISCH: Maître

Kalter Kalbsbries, in Linsen eingerollte Wurst

Maître, Wartburgstr.41, Schöneberg, Tel. 770 0 89 39, nur Abendessen, Sonntag und Montag geschlossen. Foto: Kai-Uwe Heinrich

Namen sind alles andere als Schall und Rauch im kulinarischen Geschäft. Fällt zum Beispiel das Wort „Maître“ in Berlin, verklären sich Feinschmeckerblicke immer noch, obwohl Henry Levy das Restaurant in der Meinekestraße vor nunmehr 25 Jahren geschlossen hat. Doch dass es in seiner Glanzzeit zwei Michelin-Sterne hatte und in einem Atemzug mit Witzigmanns Tantris genannt wurde, ist Teil der Stadtgeschichte geworden.

Billigen wir den Betreibern des neuen „Maître“ in Schöneberg zu, dass sie nicht wissen, was sie tun, und den Namen einfach wegen des Sounds gewählt haben. Oder ist da doch mehr? Gleich beim ersten Kontakt teilt uns die Kellnerin selbstgefällig mit, man sei soeben „von der Presse“ zu einem der 20 besten Restaurants der Stadt gewählt worden. Dann folgt eine Erläuterung des Konzepts, das im Wesentlichen daraus besteht, dass ein Vier-Gang-Überraschungsmenü einschließlich Wasser, Wein, Schnaps und Kaffee für 49 Euro angeboten wird.

Wir lassen uns die Karte kommen, bestellen ein Überraschungsmenü und parallel vier Gänge à la carte – und erfahren bei der Rückkehr der Kellnerin, eine neue Karte sei in Arbeit, und einige Produkte deshalb nicht mehr da. Ob es statt der Wachtel „im Salatnest“ auch Stubenküken seien dürfe? Dann kommen die Teller, ach, heißt es, da sei doch noch Wachtel dagewesen, dafür habe man aber die Muscheln für die Tomaten-Fenchel-Suppe nicht mehr. Die gebe es statt dessen mit Seeteufel. Gern, sagen wir, dann eben mit Seeteufel. Es folgt als nächster Gang die Suppe, ohne Seeteufel, mit seltsam mürben, ungewürzten Würfeln, die eher wie Tofu schmecken. Was das denn sei? Na, der angekündigte Schwertfisch. . .

Ich schildere das hier, weil es den Grad der Amateurhaftigkeit illustriert, unter der auch das Essen selbst litt – es war wie ein Abend bei einem bemühten Hobbykoch, der seit 20 Jahren kein ernstzunehmendes Restaurant mehr besucht hat. Kalte Kalbsbrieswürfel in Sahnesauce, dazu in Linsen eingerollte Blutwurst und ein bisschen Salat – der erste Überraschungsgang. Dann folgte eine dicke dunkelbraune Pilzsuppe mit einer penetrant muffelnden Insel aus Munsterkäse und ein paar mikroskopisch klein dimensionierten Pfifferlingskrümeln, gefolgt vom Hauptgang, einer Taube mit Tomaten-Tagliatelle und Würfeln von Möhren und, vermutlich, Kürbis.

Die Taube bestand aus einer Keule, einem Flügel und einem Bruststück, das knapp einem halben Brustfilet entsprach. Wir reklamierten das als Gästeveräppelung – und bekamen ein paar Minuten später eine sehr kleine, immerhin komplette Taubenbrust nachgereicht mit der offenbar ironisch gemeinten Bemerkung, man wolle ja nicht, dass irgendein Gast das Restaurant hungrig verlasse. Dieser Nachschlag war übrigens das Beste an diesem Abend, das Fleisch zwar auch wieder total durch, aber saftig und aromatisch, mit Graupen statt der fremdelnden Nudeln.

Was hatten wir noch? Zur gebratenen halben Wachtel gab es Salat sowie zwei Löffel einer neutral gelatinigen Creme, die nach Auskunft der Kellnerin aus Ziegenkäse bestand. Die kleinen Filets vom Loup de Mer waren mit Sesamkörnern hellbraun überbacken, was eine angemessen kurze, vorsichtige Garung unmöglich macht, darunter lagen Fenchel und ein keineswegs schaumiger Safranschaum. Achtbar fiel der Dessertteller aus, allerhand aus der Küche, Haselnusseis, Topfenknödel, Pflaumen.

Die offen dargebotenen Weine waren ebenfalls passabel, mehr nicht; die sehr kleine, durchweg mit Einfachweinen unbekannter Güter bestückte Karte bietet aber auch nichts, was uns verlockt hätte, höher einzusteigen. Die Auswahl der Gläser folgt einem nicht durchschaubaren Zufallsprinzip.

Ich finde diese Masche äußerst fragwürdig: Ein Köder für unerfahrene Gäste. Denn hinter dem angenehm klingenden Pauschalpreis von 49 Euro steckt ein gegen Null tendierender Wareneinsatz, der dieses Essen faktisch sogar unverhältnismäßig teuer macht. Maître? Der geniale Produktfetischist Henry Levy wird damit praktisch ein zweites Mal aus der Stadt vertrieben.

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