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Von TISCH zu TISCH: Noiquattro

Heilbutt mit Kaninchenrücken.

Ganz hübsch gesagt. „Wir mögen Lokale, die eine Nachfrage schaffen – nicht solche, die einer Nachfrage entsprechen“, sagt Alexandre Cammas, der Chef des unorthodoxen französischen Restaurantführers „Fooding“. Das ist der entscheidende Punkt, der Nachahmer und Kopierer von den wirklichen Trendsettern abhebt – und ein wesentliches Problem der Berliner Gastronomie bezeichnet. Denn hier schielen alle auf die Erfolgreichen und versuchen, sie nachzuahmen, und deshalb geht es nicht vorwärts. Und viele hoffen einfach, mit irgendwelchen Rabatt- oder Couponsystemen Nachfrage zu simulieren, machen sich damit aber nur die Preise kaputt.

Damit ab ins „Noiquattro“, das schon mehrfach nachjustiert wurde, um der Nachfrage zu entsprechen. Jetzt ist es, wenn ich mich nicht täusche, wieder da angekommen, wo es einst am Strausberger Platz angefangen hat, nämlich beim einheitlichen Gourmetrestaurant. Die vier, die im Namen stecken, sind verschwunden, übrig ist von ihnen nur noch Küchenchef Andreas Staack – und auch das italienische Element ist auf Spurenelemente zurückgedrängt worden. Die Weinkarte dagegen rückt immer noch Italien ganz in den Vordergrund, obwohl die Website des Restaurants allerhand Neuerungen verspricht, die ich nicht gefunden habe. Es war auch niemand im Raum, der versucht hätte, das Thema Wein offensiv anzupacken oder auch nur mal einen Vorschlag zu machen.

Mir schien, dass hier niemand mehr für die Weiterentwicklung zuständig ist, seit der sehr kontaktfreudige und souveräne Restaurantleiter Genc Slishani das Haus verlassen hat. Immerhin sind die Preise vernünftig kalkuliert: Der empfehlenswerte „Quattroperuno Uno“ von Plozner, ein Sauvignon/Viognier aus dem Friaul, kostet 34 Euro.

Wie war das Essen diesmal? Es hat mir ganz gut gefallen, aber ich habe vergeblich darauf gewartet, dass der Funken überspringen würde. Es dominiert die moderne, mit allerhand Konsistenzen spielende Kleinteiligkeit, aber zu teils unverständlich hohen Preisen: Weshalb muss der zu einem unspektakulären Auflauf geschichtete Chicorée mit Gnocchi, Artischocken und Tomaten 26 Euro kosten? Komplette Menüs sind günstiger zu haben (52/76 Euro); angesichts der doch recht zögerlichen Arbeit in der Küche war ich ganz froh, nur vier Gänge bestellt zu haben.

Es kommen gelinde Experimente vor: Heilbutt mit Kaninchenrücken auf Linsen, dazu ein paar Kräuter, ein grünes Gelee und violette Kartoffelchips, recht gut, wäre bei entschlossenerer Würzung aber noch besser gewesen. Ganz ähnlich in der Konstruktion, aber geschmacklich kontrastreicher, fiel der Solo-Heilbutt aus, dem ein anderes grünes Gelee beilag. Immer sind ein paar Gemüsestücke im Spiel, aber es scheint, als seien sie vor allem nach der Farbe ausgewählt. Gute Suppen gibt es hier, beispielsweise eine zart rosa Rote-Bete-Creme mit Jakobsmuschel und Sellerie, die leider auf dem flachen Teller rapide abkühlte, oder die sehr gelungene, in südfranzösische Richtung abgeschmeckte Fischsuppe mit solider, nicht zerkochter Einlage.

Die Hauptgerichte bleiben im soliden Mainstream, es gibt Rind und Kalbsbacke; das recht saftige Perlhuhn liegt auf süffiger Zitronenpolenta, wird von stabiler, dunkler Jus umflossen, und obendrauf sorgt ein Cornflakes-Crumble für einen kleinen Knuspereffekt, das ist nett. Zum Abschluss probierten wir aus dem knappen Dessertangebot eine „Yogurette“, also einen etwas künstlich schmeckenden Erdbeer-Joghurt-Riegel mit Eiskugeln und Rhabarber auf Schokocreme, sehr ausgewogen und optisch ansprechend inszeniert. Noch besser gefiel uns das unscheinbare Vordessert, ein Camparischaum mit Orangen-Tapioka im Blumentopf unter einer süßen Brotkrumenschicht, die Erde simulieren sollte.

Insgesamt also ist das aktuelle „Noiquattro“ eine zwiespältige Angelegenheit. Der Küchenehrgeiz ist in vielen Details spürbar, kommt aber nur selten richtig auf den Punkt, und es fehlt ein kundiger, verbindlicher Gastgeber. Im Sinne der Vorrede ist das Restaurant deshalb noch ein ganzes Stück davon entfernt, sich die eigene Nachfrage zu schaffen.

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